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Bereits verlegte Stolpersteine



Felix Meyer * 1869

Zeughausmarkt neben Nr. 23 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
DR. FELIX MEYER
JG. 1869
ENTRECHTET / GEDEMÜTIGT
FLUCHT IN DEN TOD
15.11.1938

Dr. Felix Meyer, geb. am 4.5.1869 in Altona, Freitod am 15.11.1938 in Hamburg

Zeughausmarkt, neben dem Haus 23 (Mühlenstraße 34/35)

Am Zeughausmarkt, dort, wo früher die Mühlenstraße bis zur Englischen Planke führte, wenige Meter neben dem Haus 23, erinnert ein Stolperstein an Felix Meyer. Die ehemalige Mühlenstraße heißt heute Gerstäckerstraße, sie wurde verkürzt, mit Mietshäusern überbaut und ist somit aus dem Hamburger Stadtbild verschwunden.

Felix Meyer war als Sohn von Martin Meyer und dessen Ehefrau Caroline/Kele, geb. Dessau, in der "Vorstadt St. Pauli", in der Mathildenstraße 10 geboren worden. Seine Eltern, die der Jüdischen Gemeinde angehörten, hatten am 23. Mai 1858 geheiratet. In der Familie gab es drei ältere Söhne: Rudolph Martin (geb. 4.8.1859, gest. 15.6.1951), Otto (geb. 21.8.1864, gest. 4.12.1935) und Albert (geb. 19.3.1865).

Der Vater war Lehrer. Im Adressbuch von 1860 wurde er in der ehemaligen Mühlenstraße 32 als "ordentlicher Lehrer an der israelitischen Freischule, St. Pauli" verzeichnet (heute Gewerbeschule Anna-Siemsen-Schule). Auch der Großvater mütterlicherseits, Sussmann David Dessau, übte den Lehrerberuf aus.

Das Ehepaar Meyer wohnte seit 1880 am Neuen Kamp 19 und konnte seinem Sohn Felix ein Medizinstudium ermöglichen. Am 16. April 1889, einen Monat vor seinem 20. Geburtstag, ließ sich Felix Meyer in der St.-Pauli-Kirche von Pastor Ulrich Sonnenkalb taufen. Als Paten wurden Albert Meyer und Henry Ahron genannt. Auch die älteren Brüder konvertierten.

Felix Meyer, nun Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde, erlangte am 21. Februar 1894 in Berlin seine Approbation, vier Monate später ließ er sich als praktischer Arzt und Geburtshelfer in Hamburg in der Mühlenstraße 28 nieder und heiratete die nichtjüdische Bertha Volborth, die am 5. März 1867 in Hamburg geboren worden war. Sie hatte mit ihren Eltern, dem Schiffskapitän August Volborth und dessen Ehefrau Louise, geb. Borstelmann, in Rensing bei Kellinghusen gelebt. Die Eheschließung fand am 4. Mai 1897 in Hamburg statt. Als Trauzeugen fungierten die Väter des jungen Paares. Knapp ein Jahr später, am 15. April 1898, kam Tochter Luise Erna Caroline zur Welt.

Felix Meyer wurde im September 1907 vom "Medizinal Kollegium" als "ärztlicher Hilfsarbeiter", 1910 als Arzt in den Schuldienst "bestimmt". Im selben Jahr wurden Wohn- und Praxisräume in die erste Etage der Mühlenstraße 34/35 verlegt.

Felix Meyer meldete sich im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger und diente als Oberstabsarzt.

Die Verdrängung aus dem Berufsleben begann unmittelbar nach der sogenannten Machtübernahme der Nationalsozialisten. Zunächst wurde Felix Meyer der Vertrag als Schularzt nicht verlängert. Auch Tochter Luise Meyer, als Doktorin der Philologie an der Klosterschule am Holzdamm 5 tätig, wurde nach dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 als Studienrätin ohne Pension aus dem Schuldienst entlassen. Erst im April 1935 fand sie wieder eine Anstellung als Kontoristin und Buchhalterin. Am 1. Januar 1938 wurde allen "nichtarischen" Ärzten die Kassenzulassung entzogen. Bis zum 30. September 1938 konnte Felix Meyer, vermutlich durch die Behandlung von Privatpatienten, seine Praxis aufrechterhalten. Dann wurde ihm mit der "Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz" die Approbation entzogen.

Infolge der Ereignisse während des Novemberpogroms, in der Nacht vom 9. auf dem 10. November 1938, in der jüdische Geschäfte und Einrichtungen demoliert und viele Juden verhaftet worden waren, befürchtete auch Felix Meyer, abgeholt zu werden.

Am 15. November 1938 vergiftete er sich. Bertha Meyer fand ihren Ehemann morgens um 7.30 Uhr leblos auf dem Sofa liegend. Bei der anschließenden polizeilichen Vernehmung gab sie zu Protokoll, ihr Mann habe sich seit Längerem mit Selbstmordgedanken getragen und ihr gegenüber des Öfteren geäußert, dass sie es ohne ihn besser hätte.

Nach seinem Tod wurde die ihm kurz zuvor auferlegte "Judenvermögensabgabe" von 9505 Reichsmark von seinen Erben, seiner Witwe Bertha und Tochter Luise, gefordert. Ihr Einspruch blieb ohne Erfolg. Mutter und Tochter verließen 1939 die Mühlenstraße und zogen in die Alsterdorfer Straße 98.

Luise Meyer konnte Ende 1945 ihre Wiedereinstellung bei der Schulverwaltung erreichen.

Ihre Mutter Bertha Meyer starb am 7. Mai 1953 mittellos, da sich die Ärzte-Vereinigung geweigert hatte, ihr nach dem Tod ihres Ehemanns eine Rente zu zahlen.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 351-11 AfW 20861 (Meyer, Luise); StaH 351-11 AfW 1137 (Meyer, Bertha); StaH 331-5 Polizeibehörde-Unnatürliche Sterbefälle, 3 Akte 1938/1762; StaH: 314-15 OFP, R 1938/3017; 352-10 Gesundheitsverwaltung Personalakten 208; StaH Lehrerverzeichnis A576/0001, 1930–1933; StaH 332-5 Standesämter 2887 u 412/1897; StaH 332-5 Standesämter 1087 u 331/1938; StaH 352-13 Karteikarten jüdischer Ärzte 15; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 696 f; Villiez: Kraft, S. 355.

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