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Paula Hoppe, 1938
Paula Hoppe, 1938
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Paula Franziska Hoppe * 1914

Peterstraße 35a (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
PAULA FRANZISKA
HOPPE
JG. 1914
EINGEWIESEN 1943
HEILANSTALT
AM STEINHOF WIEN
ERMORDET 28.5.1945

Paula Franziska Hoppe, geb. am 8.5.1914 in Hamburg, eingewiesen am 9.7.1925 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten, verlegt am 16.8.1943 in die Wagner-von-Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien, gestorben am 28.5.1945

Peterstraße 35a (Peterstraße 42, Hinterhaus Nr. 6)

Paula Franziska Hoppe wurde am 22. Juni 1914, kurz nach ihrer Geburt, in einem Waisenhaus untergebracht. Ihre Mutter, das Dienstmädchen Helene Marie Louise Hoppe (geb. 28.6.1880), stammte aus Hannover und war zum Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft arbeitslos. Der Vater ihres Kindes, der Kohlenarbeiter Gustav Gerstenkorn, heiratete sie nicht und allein konnte sie Paula zunächst nicht ernähren. Bis zu ihrem fünften Lebensjahr folgten für Paula kurze Heimaufenthalte 1917 und 1919, gemeinsam mit ihrem 1915 geborenen Halbbruder Herbert Franz Röhling. Ihre Mutter heiratete am 10. April 1923 dessen Vater, den Arbeiter Carl Friedrich Ernst Röhling (geb. 20.8.1868 in Lübeck).

Im November 1921 kam die 7-jährige Paula ein weiteres Mal in ein Waisenhaus, ihre Mutter erwartete in der Frauenklinik Finkenau ihr drittes Kind (Schwester Hildegard wurde im Februar 1922 geboren).

Während Paula die Waisenhausschule in Langenhorn besuchte, stellte ihre dortige Lehrerin den Antrag auf ihre Versetzung in eine Hilfsschule, mit der Begründung, "dass das Kind eine geistige anormale Veranlagung" habe. Sie hielt Paula für unfähig, an einem "Normalunterricht" teilzunehmen, und somit kam sie in die Hilfsschulabteilung des Waisenhauses "Landheim Besenhorst" bei Geesthacht. Weil Paula gern "Hund" spielte und sich dann Bobby nannte, meinte auch ihre Erzieherin 1925, eine Unterbringung in den "Alsterdorfer Anstalten" sei bei der "vollständig bildungsunfähigen" 11-Jährigen angebracht. Die ärztliche Untersuchung fiel negativ aus. Der Antrag der Erzieherin wurde befürwortet und Paula am 9. Juli in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) eingewiesen. Ihr Halbbruder Herbert folgte ihr am 26. Mai 1926.

Dort wurde Paula dann doch für "schulfähig" gehalten. Bis Ostern 1930 besuchte sie die Anstaltsschule. Anschließend half sie in der "Pfleglingsabteilung" und wurde im Haushalt der Anstalt beschäftigt. Paulas Mutter lebte vom Handel mit Ansichtskarten in eher ärmlichen Verhältnissen. Sie hing sehr an ihren Kindern und holte sie trotz der finanziellen Schwierigkeiten regelmäßig "auf Urlaub" nach Hause. Diverse Einträge in Paulas Akte drehten sich um unpünktliche Rückführung, Urlaubssperre und angebliche Verwahrlosung während ihrer Beurlaubung. Ein Brief an das Jugendamt verwies darauf, dass die Anstaltsleitung vermutete, dass Helene Röhling mit Paula in der Innenstadt betteln ging.

Am 14. Juli 1933 erließen die Nationalsozialisten das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses". Paula Hoppe wurde am 12. Juni 1935 zur Zwangssterilisation in das Universitätskrankenhaus Eppendorf verlegt. Ihre Mutter protestierte dagegen entschieden: "Nach unserer Auffassung haben Sie kein Recht, solche Maßnahmen zu ergreifen" und forderte: "Sollte die Operation trotzdem schon stattgefunden haben, so verlangen wir, dass meine Tochter sofort aus der Anstalt entlassen wird." Helene Röhling, nach ihrem Beschwerdebrief als "Schwachsinnige" bezeichnet, wurde am folgenden 14. August das Sorgerecht entzogen. Nach einem psychiatrischen Gutachten des "Sachverständigen", nebenbei auch leitender Oberarzt der Alsterdorfer Anstalten, Gerhard Kreyenberg, wurde ein Entmündigungsverfahren eingeleitet und Paula wegen "Geistesschwäche" unter Vormundschaft gestellt. Auch der 1937 unternommene Versuch ihrer Mutter, Paula durch eine Adoption durch den Stiefvater aus der Anstalt "herauszubekommen", scheiterte "im Interesse des Kindes" an den Interventionen des Vormundes und der zuständigen Behörde: "Die Mutter scheint durch -ihre Arbeit die Familie erhalten zu müssen. Der Vater trinkt und ist dauernd arbeitslos. Wenn Paula zu Hause wäre, würde für sie ein Unterstützungszuschlag bezahlt werden müssen. Das will der Ehemann Röhling [ihr Stiefvater] wahrscheinlich erreichen." Alle weiteren Bemühungen ihrer Mutter blieben erfolglos. Paula blieb in den Alsterdorfer Anstalten.

Ihr Stiefvater Carl Röhling kam am 28. Juli 1943 während der schweren Luftangriffe auf Hamburg in der Peterstraße 59 ums Leben. Paula selbst wurde am 16. August 1943 mit 227 Frauen und Mädchen in die Wagner-von-Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien verlegt. In ihrer dortigen Krankenakte wird sie ungewöhnlich positiv beschrieben. Sie sei eine "eifrige, sehr fleißige Arbeiterin". Schon bei ihrer Aufnahmebesprechung wurde vermerkt: "Wenn man aufs Arbeiten zu sprechen kommt, wird sie lebhafter und lacht fröhlich." Auf die Frage, warum sie überhaupt in eine Anstalt kam, erwiderte sie, weil sie in der Schule nicht mitgekommen sei. Vielleicht hatte Paula ihre Überlebenschance in der Wiener Anstalt erkannt. Bis zum 19. Januar 1945 wurde sie im "Haushalt" beschäftigt.

Anfang April war ihrer Akte zu entnehmen, sie sei von der Pflegestation auf die Infektionsstation des Pavillons 19 verlegt worden. Am 17. April hieß es dann: "Ikterus [Gelbsucht] seit ungefähr 3 Wochen". Im folgenden Monat "schwach, hinfällig, klagt über Schmerzen".

Paula Hoppe starb am 28. Mai 1945; als Todesursache wurde Gelbsucht vermerkt.

Paulas Freundin Anneliese P., mit der sie gemeinsam nach Wien kam, überlebte die Verlegung. Nach dem Krieg in einem Interview über die Verhältnisse in Wien befragt, berichtete sie u.a.: "[…] Die sind alle vor Hunger gestorben. […] Wir hatten ja zu wenig zu essen, und es war eiskalt. Nachts haben sie die Fenster extra aufgemacht. Und viele sind ja deshalb krank geworden und sind gestorben. […] Wir haben viel Angst gehabt. Für die ganze Abteilung haben sie morgens einen Laib Brot reingereicht. Damit mussten wir auskommen. Wir waren ja selber so elend, dass wir nichts machen konnten. […] Meine beste Freundin ist ja auch gestorben; Paula. Sie hat alles mit mir geteilt. Die hatte sogar ein Paket von zu Hause. Das hat sie uns dann alles gegeben, als sie so krank war. Gelbsucht soll sie gehabt haben."

Paulas Mutter Helene Röhling verstarb am 12. April 1949 im Versorgungsheim Farmsen, ihr Bruder Herbert Franz Röhling am 25. August 1992 in Hamburg.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf, Patientenakten der Alsterdorfer Anstalten, V 196 Paula Hoppe; StaH 332-5 Standesämter 1201 u 280/1943; StaH 332-5 Standesämter 4299 u 63/1949; Wunder: Exodus, S. 235f.

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