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Manfred Leipziger * 1910

Isestraße 49 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
MANFRED LEIPZIGER
JG. 1910
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET 26.4.1944
KZ FLOSSENBÜRG
AUSSENLAGER LEITMERITZ

Weitere Stolpersteine in Isestraße 49:
Otto Streit

Manfred Leipziger, geb. 13.2.1910 in Hamburg, am 8.11.1941 deportiert nach Minsk, von dort aus in mehrere andere Zwangsarbeits- bzw. Konzentrationslager verschoben, am 26.4.1945 im Außenlager Leitmeritz des KZ Flossenbürg gestorben

Manfred Leipziger war der Sohn einer "reinarischen" Mutter und eines jüdischen Vaters. Dieser, Max Leipziger, 1878 in Hamburg geboren, war seit 1913 Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Seine nichtjüdische Ehefrau war zum Judentum übergetreten. Der Vater Max Leipziger unterhielt eine Auskunftei. Als er verstarb, trat seine Frau, Alma Leipziger, geborene Horn, 1935 ebenso wie ihr Sohn aus der Jüdischen Gemeinde aus.

Manfred bezeichnete sich nun als glaubenslos. Doch das NS-Regime, sonst erpicht, die "rassische" Abstammung der Großeltern zugrunde zu legen, zählte in solchen Fällen die Mitgliedschaft der Eltern bei der Jüdischen Gemeinde, und Manfred war als Sohn eines jüdischen Ehepaares geboren worden. Auch wenn seine Mutter inzwischen aus der Gemeinde ausgetreten war, wurde er deshalb als "Geltungsjude" behandelt, musste der Reichsvereinigung der Juden beitreten und wurde so wieder als Mitglied des Jüdischen Religionsverbandes geführt. Als Beruf gab er "kaufmännischer Angestellter" an, in den Häftlingsakten wurde später "Elektriker" als Hauptberuf eingetragen. Bis 1937 bezog er noch ein mittleres Einkommen, 1940 war er dann ohne Beruf. Er verfügte jedoch über erhebliche Rücklagen, möglicherweise aus einem Erbe.

Manfred Leipziger hatte eine zwei Jahre ältere Schwester, über die wir nur wissen, dass sie verheiratet war, nicht aber, ob sie das "Dritte Reich" überlebte. Die Familie wohnte spätestens seit 1936 in der Isestraße 49, 3. Etage, der Deportationsadresse Manfred Leipzigers.

1936 war er zu einer Geldstrafe von 200 RM verurteilt worden, weil er "angefallene Devisen nicht innerhalb von gesetzlich vorgesehener Frist der Reichsbank angeboten" hatte.

Im Oktober 1940 leitete er die nötigen Schritte für eine Auswanderung ein. Er plante eine Reise, gebucht bei der Hamburg-Amerika-Linie, Erster Klasse über Moskau nach Yokohama und von dort per Schiff nach Haiti. Dazu reichte er zunächst die vorgeschriebene Liste des Umzugsguts ein, die lediglich den Umfang eines normalen Reisegepäcks hatte, erweiterte diese dann im Februar 1941 und bat zugleich um eine Verlängerung der Ausfuhrgenehmigung, da ihm "im Augenblick die Ausreise noch nicht möglich" sei. Die Genehmigung wurde daraufhin bis zum 16. Mai verlängert. Im März 1941 bat er um eine weitere Verlängerung, doch am Ende kam die Auswanderung nicht zustande. Weitere Versuche sind aus den Akten nicht ersichtlich.

Am 8. November 1941 musste Manfred Leipziger sich auf den Transport nach Minsk begeben. Dabei wurde er früher deportiert als die meisten "Geltungsjuden", die in der Regel erst ab Herbst 1943 nach Theresienstadt verbracht wurden. Anlass dazu dürfte eine (geheime) Anweisung der Gestapo gewesen sein, bis zu einem gewissen Prozentsatz eigentlich ausgenommene Gruppen von Juden doch unauffällig den ersten Transporten einzugliedern. Auch Manfred Leipzigers weiterer Leidensweg verlief im Vergleich zu den meisten, die mit ihm nach Minsk kamen, ungewöhnlich. Zur Zwangsarbeit selektiert, gelangte er aus ungeklärten Gründen ins Zwangsarbeiter- und Konzentrationslagers Plaszow, das in einer Vorstadt Krakaus errichtet worden war. Dort war er unter der Häftlingsnummer 15451 registriert. Welchen Arbeitskommandos er angehörte, ist unbekannt. Ob in den Kalksteinbrüchen oder den Werkstätten, bekannt ist nur, dass er im 17 km südöstlich von Krakau gelegenen Außenlager Wielicka unter extrem schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen eingesetzt wurde. Zudem unterstand das Lager zwischen Februar 1943 und September 1944, also in der Zeit, in der sich Manfred Leipziger dort befand, dem als besonders grausam bekannten SS-Oberscharführer Amon Leopold Göth, dessen Sadismus Steven Spielberg in "Schindlers Liste" eindrucksvoll dargestellt hat. Durch Göths Mord- und Erschießungsaktionen kamen Tausende Häftlinge zu Tode.

Als die Rote Armee im Sommer 1944 heranrückte, wurde das Lager geräumt. Die Häftlinge gelangten mit mehreren Transporten in andere Konzentrationslager. Für Manfred Leipziger findet sich der Eintrag, er sei am 4. August 1944 ins Konzentrationslager Flossenbürg überstellt worden. Fünf Tage später kam er in ein bei Theresienstadt gelegenes Außenlager Flossenbürgs, nach Leitmeritz.

In diesem Gebiet wurden 1944/45 ca. 18000 Häftlinge zusammengezogen, die im Schacht Richard riesige unterirdische Anlagen für die deutsche Rüstungsproduktion und Lager für sich selbst errichten sollten. Vor allem Metallarbeiter wie Fräser, Dreher etc. wurden aus an­de­ren Außenlagern Flossenbürgs hierher geschickt. Vermutlich gehörte Manfred Leipziger deshalb zu ihnen, weil er sich als "Elektriker" ausgegeben hatte. Die Arbeitsbedingungen waren extrem hart, die Lebensmittelversorgung der ohnehin jahrelang unterernährten Häftlinge katastrophal. So kamen in kürzester Zeit mehr als 4000 Häftlinge ums Leben. Aufgrund der hohen Todesrate wurde ein eigenes Krematorium errichtet. Manfred Leipziger gehörte zu denen, die Arbeit, Hunger und Gewaltaktionen nicht überlebten.

Kurz vor Kriegsende, am 26. April 1945, kam er zu Tode und wurde, wie die meisten der zwischen dem 2. April und 3. Mai verstorbenen Häftlinge, im Lagerkrematorium verbrannt oder vielleicht auch nur in einem Massengrab verscharrt. 1946 wurden die Toten und die Asche der Verbrannten auf dem nahegelegenen Nationalfriedhof in Theresienstadt würdevoll beigesetzt. Manfred Leipzigers Mutter lebte nach dem Krieg in der Isestraße 49.

© Christa Fladhammer

Quelle: 1; 2, 5; 8; Auskunft per E-Mail von Johannes Ibel, Gedenkstätte Flossenbürg an Dr. Beate Meyer, IGDJ Hamburg, am 14.9.2009; http://www.gedenkstaette-flossenbuerg.de; http://www.deathcamps.org/ occupation/plaszow_de.html; Enzyklopädie des Holocaust, Bd. II, München/Zürich 1998, S. 1118f.; Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrsg.), Flossenbürg. Das Konzentrationslager Flossenbürg und seine Außenlager, München 2007, S. 204f.; AB Hamburg 1950.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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