Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Johann Schmitz * 1904

Münsterstraße 10 (Eimsbüttel, Lokstedt)


HIER WOHNTE
JOHANN SCHMITZ
JG. 1904
VERHAFTET 1937-38,42-44
KZ FUHLSBÜTTEL
KZ NEUENGAMME
ERTRUNKEN 3.5.1945
MS "CAP ARCONA"

Johann Gerhard Schmitz, geb. am 20.11.1898 in Krefeld, in den 1930er und 1940er Jahren mehrfach inhaftiert, zuletzt im KZ Neuengamme, gestorben vermutlich am 3.5.1945 beim Untergang der "Cap Arcona"

Münsterstraße 10 (Hospitalstraße 10)

"Was Schmitz seine fruehere Tætigkeit im Betrieb anbelangt, war er stets fleissig und ordentlich. Ich bitte høflichst, die Genehmigung zu erteilen, dass derselbe fuer die kriegswichtigen Arbeiten im besetzten Gebiet freigegeben wird. Die Firma J. H. Gustav Burmeister ist anerkannter wehrwirtschaftlicher Betrieb". Mit diesem auf einer Schreibmaschine mit dänischen Buchstaben ausgefertigten Brief bemühte sich der Bauunternehmer Gustav Burmeister, Inhaber einer gleichnamigen Lokstedter Hoch- und Tiefbaufirma, im August 1943 den kurz vor einer Einweisung in ein Konzentrationslager stehenden früheren Mitarbeiter Johann Schmitz vorzeitig aus einer Gefängnishaft freizubekommen, um damit dessen Leben zu retten. Die Bemühungen erwiesen sich als vergeblich.

Johann Schmitz kam 1898 in Krefeld am Niederrhein als Sohn eines Buchhalters in einer großen Seidenspinnerei, Heinrich Schmitz, und seiner Frau Margarete, geb. Komp, zur Welt. Er wuchs mit fünf Geschwistern in – wie es später in einem Gutachten der "Ermittlungshilfe für Strafrechtspflege" hieß – "geordneten Verhältnissen" auf. Nach dem Besuch einer katholischen Volksschule begann er 1913 eine Lehre in einer Autoreparaturwerkstatt, nach Auflösung derselben beendete er eine Ausbildung als kaufmännischer Angestellter in einer Baumwollspinnerei in Krefeld-Uerdingen. Danach folgten aufgrund Arbeitsmangels nur vorübergehende Beschäftigungen als Posthelfer bei der Bahnpost, bei der Krefelder Stahlwerke AG und als Vertreter für Kolonialwaren und Südfrüchte für eine holländische Firma.

Beschäftigungszeiten wechselten sich mit Arbeitslosigkeit ab. Anfang 1929 ging Johann Schmitz nach Hamburg und fuhr mit Unterbrechungen bis 1939 als Steward zur See, u. a. bei der HAPAG. Danach nahm er in Hamburg Arbeiten als Bauarbeiter und Eisenflechter an und war froh, im Januar 1942 die schwere körperliche Arbeit gegen die Tätigkeit als Hilfslagerführer für die Hoch- und Tiefbaufirma Burmeister in Lokstedt eintauschen zu können. In der Süderfeldstraße 84 erledigte er auch die schriftlichen Verwaltungsaufgaben für ein zur Firma gehörendes Zwangsarbeiterlager für belgische Arbeiter.

Johann Schmitz unterhielt sexuelle Beziehungen zu Frauen und Männern und kam wegen seiner homosexuellen Neigungen erstmals 1934 mit den bestehenden Gesetzen in Konflikt. Er erhielt wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses" vom Amtsgericht Hamburg eine Geldstrafe, nachdem er sich in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt durch einen Partner hatte anfassen lassen.

Über seine erste Verurteilung nach § 175 StGB ist keine Strafakte erhalten, daher kann dieser Fall einer "Unzucht mit zahlreichen Partnern", wie es später hieß, nur mit groben Daten umschrieben werden: Vom 13. Mai bis 29. Juni 1937 wurde Johann Schmitz im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert, bevor er am 30. Juni in Untersuchungshaft auf seinen Prozess wartete, der am 27. August 1937 vor dem Landgericht mit einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten endete. Die Haftzeit saß er bis Mitte November 1938 im Männergefängnis Fuhlsbüttel ab und kam vorzeitig auf Bewährung frei.

Am 10. September 1942 suchte Johann Schmitz in den Nachmittagsstunden die Bedürfnisanstalten am Fischmarkt (heute Alter Fischmarkt) und am Hopfenmarkt vor der St. Nikolaikirche auf. Dabei kam er einem Kriminaloberassistenten Eisenach verdächtig vor, der an diesem Nachmittag verschiedene öffentliche Toiletten der Innenstadt "nach Homosexuellen überholte". Einem "Agent Provocateur" gleich, stellte der Kripobeamte sich an die Urinrinne und Johann Schmitz, auf der Suche nach einem Partner, ging in die Falle. Als "einschlägig" bekannter Mann wurde er sofort festgenommen und kam nach einer kurzen Polizeihaft am 12. September 1942 in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt.

Während der Wartezeit auf seinen Prozess bat er Ende Oktober 1942 den Oberstaatsanwalt beim Landgericht um "Haftentlassung bis zum Termin", und schlug vor, ihn entweder auf seinem bisherigen Arbeitsplatz, "in einer Munitionsfabrik" oder an der "Ostfront" einzusetzen. Möglicherweise war ihm in dieser Zeit bewusst geworden, dass ihm als Homosexuellen nach dem Ende einer dritten Haftzeit "Vorbeugungshaft" oder andere "Sicherungsmaßnahmen" in einem Konzentrationslager drohten.

Im Dezember 1942 urteilten zudem zwei "Gutachter" über sein Schicksal. Während die "Ermittlungshilfe für Strafrechtspflege" ein durchaus positives Bild von ihm zeichnete und vor allem seinen guten Ruf und Fleiß auf seiner letzen Arbeitsstelle herausstellte, war die Beurteilung des Gerichtsarztes Hans Koopmann in stereotyper Form abgefasst und endete vernichtend: "Die kriminalbiologische Prognose ist un­günstig zu stellen. Die Neigung zu homosexueller Betätigung ist bei dem Untersuchten schon ziemlich stark fixiert. Es erscheint nach dem Vorleben … sehr wahrscheinlich, daß er nach Verbüßung der zu erwartenden Strafe wieder einschlägig rückfällig wird. Sicherungsmaßnahmen erscheinen daher erforderlich." Wie bei vielen der von ihm "begutachteten" Homosexuellen empfahl Koopmann eine "freiwillige Entmannung".

In einem Schnellverfahren vor dem Amtsgericht Hamburg wurde Johann Schmitz am 4. Februar 1943, allein aufgrund seines Geständnisses, dass er sich in verschiedenen Bedürfnisanstalten durch Zeigen seines Geschlechtsteils und durch Onanie gleichgeschlechtlich veranlagte Partner gesucht habe, erneut nach § 175 StGB zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Während des Prozesses erklärte Johann Schmitz, dass er sich "entmannen lassen wolle". Erneut verbüßte er die Strafe ab 1. März 1943 im Männergefängnis Fuhlsbüttel. Eine Kastration wurde anscheinend nicht mehr durchgeführt. Möglicherweise sind ihm die gesundheitlichen Folgen solcher Maßnahmen bewusst geworden oder es gab nach Bombenschäden im Zentrallazarett keine ausreichenden Operationskapazitäten mehr.

Am 9. März 1944 wurde Johann Schmitz laut Hinweisen auf Melde- und Gefangenenkarteien über die "Kriminalpolizeileitstelle" zu seinem letzten Arbeitgeber Gustav Burmeister in die Süderfeldstraße 42 entlassen, wo er beabsichtige, Quartier zu nehmen. Vermutlich gelangte er jedoch nicht mehr in Freiheit, sondern wurde von der Kripo im innerstädtischen Polizeigefängnis Hütten festgehalten, bis er am 28. April 1944 unter der Häftlingsnummer 29617 ins KZ Neuengamme als "BV (homo)" (die damals gebräuchliche Abkürzung für einen "befristeten Vorbeugungshäftling") eingeliefert und dort als Hilfsarbeiter eingesetzt wurde. Sein weiteres Schicksal bleibt ungewiss. Da jedoch seine Effekten in Form einer Taschenuhr und einer Schlipsnadel noch heute beim Internationalen Suchdienst in Arolsen aufbewahrt werden, ist es wahrscheinlich, dass auch er zu den ungefähr 6400 Toten der auf die Schiffe "Cap Arcona", "Thielbek" und "Deutschland IV" evakuierten Insassen des KZ Neuengamme gehörte.

© Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-8 (Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung), Abl. 2, 451 a E 1, 1 b; 242-1II (Gefängnisverwaltung II), Ablieferungen 13, 16 und 1998/1; StaH 213-11 (Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen), 1647/43; Bundesarchiv, NS 3/1755; Auskunft Dr. Reimer Möller, KZ-Gedenkstätte Neuengamme vom Dezember 2008.

druckansicht  / Seitenanfang