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Bereits verlegte Stolpersteine



Minka Moritz (geborene Bauer) * 1889

Dillstraße 4 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
MINKA MORITZ
GEB. BAUER
JG. 1889
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Dillstraße 4:
Julius Jüdell, Hermann Moritz

Hermann Moritz, geb. am 20.1.1884 in Mainz, am 19.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 12.10.1944 nach Auschwitz weiterdeportiert, ermordet

Minka Moritz, geb. Bauer, geb.1.1.1889 in Hamburg, am 19.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 12.10.1944 nach Auschwitz weiterdeportiert, ermordet

Dillstraße 4

Am 20.1.1884 war Hermann Moritz als ältester Sohn eines jüdischen Ehepaares in Mainz auf die Welt gekommen. Sein Vater Leo Moritz, am 18.10.1853 ebenfalls in Mainz geboren, hatte als Kaufmann gearbeitet. Seine Mutter Esther Moritz, geb. am 14.7.1861, war eine geborene Birnbaum.

Hermann hatte einen jüngeren Bruder und eine jüngere Schwester. Seine Schwester Regine Moritz, geb. am 1.5.1885, starb am 9.6.1889 im Alter von vier Jahren aus ungeklärten Umständen. Vier Jahre nach ihrem Tod wurde am 2.3.1893 der Bruder Markus geboren. Über die Kindheit, Jugend und Ausbildung Hermanns und Markus‘ ist nichts bekannt.

Markus Moritz heiratete im Alter von 38 Jahren am 3.6.1931 die 26-jährige Helena Moritz, geb. Goldmann, welche am 25.6.1905 in Mainz geboren worden war. Zwei Jahre nach dem Tod des Vaters Leo Moritz am 22.11.1936 in Mainz wanderte Markus nach Frankreich aus. Es ist nicht bekannt, ob seine Ehefrau ihn begleitete, Jedenfalls befand sich Helena Moritz im Zeitraum vom 23.4.1940 bis 30.4.1940 in der Dillstraße 15 bei ihrem Schwager Hermann Moritz und dessen Familie. Schließlich wanderte das Ehepaar gemeinsam in die USA aus. Das genaue Ausreisedatum ist nicht bekannt.

Auch Hermann Moritz beschloss, nicht in seiner Geburtsstadt Mainz zubleiben und zog zwischen 1920 und 1923 nach Hamburg, wo er am 15.5.1923 heiratete. Von 1925 bis 1934 ist er im Hamburger Adressbuch unter der Anschrift Heinrich-Barth-Str. 3 als Kaufmann vermerkt. Seine Ehefrau Minka, geb. am 1.1.1889 in Hamburg, war eine geborene Bauer. Ihr Vater Jacob Bauer hatte vom 25.6.1854 bis 20.12.1933 in Hamburg gelebt und als Galanterie-, Kurz- und Spielwarenverkäufer gearbeitet. Ihre Mutter Bertha Bauer, geb. Cohn, war am 17.3.1857 in Hamburg geboren worden. Sie starb ungefähr zwei Jahre nach ihrem Ehemann Jacob Bauer, am 10.2.1935, in Hamburg. Über Minkas Kindheit und Jugend ist nur bekannt, dass sie Geschwister hatte, von denen drei Schwestern als Kleinkinder und ein Bruder 1917 starben. Zwei überlebten (siehe unten). Als junge Frau erlernte Minka Bauer den Beruf der Kontoristin (Büroangestellte).

Hermann und Minka Moritz lebten 1935 zwischenzeitlich in der Dillstraße 4. Mittlerweile hatte das Paar am 19.6.1924 den Sohn Kurt bekommen. Hermann Moritz arbeitete von 1928 bis 1931 als Angestellter bei der Fa. Gotthold & Co., die zu Teilen Minkas Onkel Hermann Bauer gehörte. Er verdiente dort 200 RM monatlich. Vielleicht wegen der Wirtschaftskrise wurde er dann erwerbslos und war auf Gelegenheitsarbeiten angewiesen, bis er am 30.4.1934 wieder eine Festanstellung erhielt.

Sohn Kurt besuchte ab ca. 1930 die in der Nähe liegende jüdische Talmud-Tora-Schule. Hermann Moritz und seine Familie gehörten der Jüdischen Gemeinde Hamburgs an, Hermann Moritz trat 1937 in den Synagogenverband ein, d.h. er zählte sich zu den orthodoxen Juden der Gemeinde.

Nach dem Novemberpogrom 1938 beschlossen Hermann und Minka Moritz, den damals 14-jährigen Kurt zu seinem Onkel Manfred Bauer und dessen Frau nach Brüssel zu schicken. Das bedeutete für den Schüler nicht nur einen Schulwechsel, sondern auch die Trennung von seinen Eltern. Der Onkel Manfred lebte seit November 1937 in Belgien. Kurt wohnte nun ab 20.12.1938 bei ihm und seiner Frau Aenne, geb. Rosemann, geb. am 13.11.1898 in Rozmiatow. Das Paar hatte zwei leibliche Söhne: Werner, geb. am 25.4.1922 und Gustav, geb. am 18.1.1924.

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges war der Postverkehr zwischen dem Deutschen Reich und Belgien noch möglich. So konnte Hermann Moritz seinem Sohn Kurt am 18.1.1939 noch ein großes Paket schicken, mit einer Aktentasche, einem Radiospiel und Kopfhörer, etlichen Büchern, einem Schwimmgürtel, einem Paar Schuhe, einem Samtbeutel mit Gebetsmantel, aber auch einem Oberbett, einem Kissen, drei Handtüchern, zwei Bettlaken, zwei Bettbezügen.

Kurt besuchte nun die Gemeindeschule im Brüsseler Vorort Scherbeck/Ruedes Ecoles. Sie war keine "Höhere Schule" und bot auch keine Fremdsprachen an wie die Talmud-Tora-Schule. Deshalb konnte Kurt das Abitur nicht ablegen.

Am 10. Mai 1939 begann der deutsche Überfall auf die Niederlande, Belgien und Luxemburg. Kurt gelang es, am 15. Mai 1940 nach England zu fliehen. Dort angekommen, wurde er wegen seiner deutschen Staatsangehörigkeit interniert und ein Jahr später, im September 1941, wieder freigelassen. In dem ihm fremden Land musste der 17-jährige Kurt Moritz sein Leben nun allein bewältigen. Er begann in einem Büro als Laufjunge, als ungelernter Gehilfe bei einem Elektriker und dann eine Zeitlang als Verkäufer zu arbeiten, an eine Ausbildung war nicht zu denken.

Während Kurt sich 1939 noch in Brüssel bei seinem Onkel einlebte, mussten Hermann und Minka Moritz in ein "Judenhaus" in der Dillstraße 15 umziehen, wo sie im zweiten Stock wohnten. Sie lebten in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen. Minka als gelernte Kontoristin hatte zuletzt als Geschäftshilfe gearbeitet.

Im Zuge des Novemberpogroms 1938 hatte Hermann Moritz seine Anstellung verloren. Zudem wurde er inhaftiert und in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingewiesen. Als Kaufmann konnte Hermann Moritz nun nicht mehr arbeiten, er verdiente zeitweise seinen Lebensunterhalt als Angestellter des Jüdischen Religionsverbandes Hamburg, wie sich die jüdische Gemeinde nun nennen musste. Nach seiner Entlassung aus dem KZ arbeitete er von seiner 4-Zimmer-Wohnung in der Dillstraße 15 aus als Schuhmacher. Er führte die Schuhreparaturen zu Hause durch und gab sie dann einem Schuhmacher, bei dem er auch Schuhe annahm und auslieferte.

Hermann und Minka Moritz wurden am 19. Juli 1942 mit dem Transport Nr. 508-VI/2 in das Getto Theresienstadt deportiert. Dort lebten sie in der Seestraße 18.
Am 12. Oktober 1944 wurde das Ehepaar mit dem Transport Eq-1169 von Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz weiterdeportiert. Wahrscheinlich wurden sie direkt nach ihrer Ankunft ermordet.

Ihr Sohn Kurt Moritz überlebte in England. Er hielt sich auch nach Kriegsende mit ungelernten Arbeiten über Wasser und wurde 1957 schließlich Taxifahrer. Eine Ausbildung konnte er nie nachholen. Kurt Robert Marcus Moritz starb am 13. März 1984 in Salford, England.

Kurts Onkel Manfred Bauer, bei dem er in Brüssel gelebt hatte, wurde am 10./15.5.1940 im Internierungslager Saint Cyprien inhaftiert. 1943 wurde er in das Sammellager Drancy in Frankreich verlegt, von wo er am 4. März 1943 in das Vernichtungslager Majdanek deportiert wurde. Dort wurde er ermordet. Über den Verbleib seiner Ehefrau und seiner zwei Söhne ist nichts bekannt.

Markus und Helena Moritz, die rechtzeitig in die USA ausgewandert waren, lebten zuletzt in Forest Hills, New York. Markus Moritz starb am 24.10.1965 im Alter von 72 Jahren.

Von Minka Moritz‘ Geschwister Hermann, Dora und ihrer Nichte Margot Betty Salig ist bekannt:
Ihr Bruder Hermann (später Zwi Naftali) Bauer, am 17.3.1885 in Hamburg geboren, hatte später als Angestellter des Bank- und Wechselgeschäftes Fa. Bauer & Co. gearbeitet. Am 20.8.1920 heiratete er Jettchen, geb. Jacobson, geb. am 9.12.1894 in Hamburg. Mit ihr bekam er insgesamt vier Kinder: Sara, geb. am 12.4.1922, Wolfgang, geb. am 19.5.1926, Jacob, geb. am 15.9.1934, und Miriam, geb. am 28.07.1927. Die Familie emigrierte Ende 1935 nach Palästina.

Minkas Schwester Dora und zwei weitere Schwestern starben vor 1933, auch ihr Bruder Gustav Bauer, geb. 30.4.1898, starb mit 19 Jahren, er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beerdigt.

Minkas Schwester Paula, geb. 17.10.1886 in Hamburg, hatte den Schneider Louis Leiser Levy, geb. am 12.11.1886 in Margonin, Kreis Kolmar geheiratet und mit ihm die Tochter Margot Betty Salig, geb. Levy, geb. am 10.6.1915 in Hamburg, bekommen. Paula starb 47-jährig am 22.7.1933 in Hamburg, aber ihre Tochter überlebte. Sie starb im Alter von 76 Jahren am 19.8.1991 in New York.

Stand: Februar 2020
© Ronya- Melisa Kizildemir

Quellen: 1; 4; 5; 7; 8; Stadtarchiv Mainz: Datenbank "Mainzer Juden 1933-1945", Az. 471210, Tgb. Nr. 15923/18; Stadtarchiv Mainz: Geburtsregister. Jahresspanne: 1885 Band 2, Registernummer 654; Stadtarchiv Mainz: Geburtsregister. Jahresspanne 1893 Band 1, Registernummer 380; Stadtarchiv Mainz: Sterberegister 1889, Band 2. Registernummer 713, Laufende Nummer 906; Stadtarchiv Mainz: Mainzer Familienregister, Familiennummer: 52605; Stadtarchiv Mainz: Sterberegister. Jahresspanne 1936 Band 3, Registernummer 1498, Laufende Nummer 1056; Stadtarchiv Mainz: Auswanderung Mainzer Juden 1933-1939. Signatur: NL Opp./ 49, 6; Hessisches Hauptstaatsarchiv; Wiesbaden, Deutschland: Signatur 9425, Re-gisternummer 413; New York, Passagierlisten,1820-1957. Helena Sara Goldmann Moritz: Jahr 1941, Ankunftsort New York/ New York, Seriennummer des Microfilms: T 715, 1897-1957 via ancestry.com; StaH 314-15 OFP, Fvg 7555; StaH 741-1 Signatur K 244; StaH 351-11 AfW, 5098 Bauer, Hermann; StaH 351-11 AfW, 46659 Moritz, Kurt; StaH 332-5 Personenstandsunterlagen (Geburts- und Sterbeurkunden der Familie Moritz); StaH 332-8 Meldewesen, Band 2, Photoarchiv K 4203; Hamburger Adressbücher 1889-1942; Anna Hajkova: Ältere deutsche Jüdinnen und Juden im Ghetto Theresienstadt, in "Deutsche Jüdinnen und Juden in Ghettos und Lagern (1941-1945)" hrsg. Beate Meyer, S. 201 ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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