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Bereits verlegte Stolpersteine



Karl Muszinski * 1915

Wexstraße 7 (ehemals Wexstraße 9) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
KARL MUSZINSKI
JG. 1915
VERHAFTET 1938
KZ FUHLSBÜTTEL
FLUCHT IN DEN TOD
15.10.1938
IN DER HAFT

Karl Muszinski, geb. am 6.4.1915 in Hamburg, inhaftiert am 10.10.1938, am 15.10.1938 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel erhängt aufgefunden

Wexstraße 7 (Wexstraße 9)

Der Elektromaschinenbauer Karl Muszinski wohnte zur Untermiete bei der Witwe Auguste Kalle in der Wexstraße 9, in unmittelbarer Nähe seines Arbeitsplatzes, bei der Firma Gebrüder Fabke im Alten Steinweg 42/43. Karls Vater, Anton Muszinski (geb. 3.6.1881), der aus dem westpreußischen Käthnerdorf (heute Wielki Komorsk/Polen) stammte, arbeitete als Schauermann im Hamburger Hafen. Seine Mutter Elsa Muszinski, geb. Finke (geb. 19.2.1885), hatte außer Karl noch zwei ältere Töchter, Luise (geb. 8.4.1907) und Elsa (geb. 10.8.1912) zur Welt gebracht. Sie war nach dem frühen Tod ihres Mannes, am 14. Januar 1935, auf die finanzielle Unterstützung ihres einzigen Sohnes angewiesen.

Ungeachtet der Nürnberger Gesetze, die seit dem 15. September 1935 u.a. außereheliche Beziehungen zwischen Frauen und Männern jüdischer und nichtjüdischer Herkunft unter Strafe stellte, verlobte sich Karl Muszinski mit der 17-jährigen Hausangestellten Lotte Neumann. Lotte, eigentlich Lieselotte, war am 22. Oktober 1921 in einer jüdischen Arbeiterfamilie in der Hamburger Neustadt zur Welt gekommen. Sie war das drittälteste von sechs Kindern. Ihre Eltern Siegfried und Fanny Neumann (s. dort) wohnten am Großneumarkt 56, in Karl Muszinskis Nachbarschaft. Am 4. Oktober 1938 wurde Lieselotte Neumann wegen des Verdachts der "Rassenschande" verhaftet. Ihre Mutter Fanny Neumann sowie zwei ihrer Brüder gerieten mit ihr in Haft. Möglicherweise wurde das junge Paar denunziert, denn zu diesem Zeitpunkt war Lieselotte schwanger. Gut möglich, dass ihre Familie auch unter polizeilicher Beobachtung stand, denn ihr Vater Siegfried Neumann war bereits durch die Gestapo verhaftet worden und befand sich seit dem 23. Juni 1938 als "Schutzhäftling" im KZ Sachsenhausen.

Die Festnahme von Karl Muszinski erfolgte sechs Tage nach Lieselottes Verhaftung. Zu einer Anklage und Verurteilung kam es nicht. Nach fünf Tagen in Haft wurde Karl Muszinski morgens um zehn Uhr in seiner Zelle im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel erhängt aufgefunden. Die offizielle Version der "Kriminalpolizeistelle Hamburg, 3. Kommissariat", vom 18. Oktober 1938 lautet: "Der Vorbeugehäftling Karl Muszinski geb. 6.4.1915 in Hamburg […] hat am 15.10.1938 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel Selbstmord durch Erhängen begangen. Die Sachen und Geld RM 13,46 sind der Mutter, Witwe Elsa Muszinski, wohnt Peterstraße 44, ausgehändigt worden." Auf dem ausgestellten Todesschein wurde notiert "Tod durch Erhängen (Selbstmord)".

Auch ein Strafverfahren gegen Lieselottes Eltern wegen, "Beihilfe zur Rassenschande" und "schwerer Kuppelei", mit der Begründung, sie hätten das Verhältnis ihrer Tochter geduldet, wurde eingestellt. Wie es in der Ermittlungsakte hieß, war der wichtigste Belastungszeuge nicht mehr am Leben. Lieselotte wurde hochschwanger aus dem "Hüttengefängnis" in das staatliche Versorgungsheim Oberaltenallee gebracht. Ihre Tochter Bela erblickte am 23. Februar 1939 in der Frauenklinik Finkenau das Licht der Welt. Nach der Entbindung kam Lieselotte mit ihrem Kind zurück in das Versorgungsheim und blieb anschließend bis zum 23. Juni 1939 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in "Schutzhaft". Nach ihrer Entlassung kehrte sie in die elterliche Wohnung zurück.

Im März 1941 wurde Lieselotte Neumann erneut unter dem Vorwurf der "Rassenschande" von der Gestapo verhaftet und – noch keine 20 Jahre alt – ohne Gerichtsverfahren ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück überstellt. Dort soll Lieselotte am 8. Mai 1942 nach einer Grippe an einer eitrigen Rippenfellentzündung verstorben sein. Eine Liste des Jüdischen Friedhofs in Ohlsdorf belegt aber erst am 12. Mai 1943 ihre Urnenbeisetzung. Nach Informationen der Gedenkstätte Ravensbrück wurde Lieselotte Neumann jedoch im Rahmen der "Aktion 14 f 13" die zum "Euthanasie"-Programm der Nationalsozialisten gehörte, mit anderen nicht mehr arbeitsfähigen KZ-Häftlingen von dem Arzt Friedrich Mennecke "begutachtet", selektiert und im Anschluss, irgendwann im Frühjahr 1942, in der Gaskammer der Tötungsanstalt Bernburg a.d.Saale ermordet. Ihre Tochter Bela wurde im Alter von zwei Jahren, am 25. Oktober 1941, zusammen mit ihrer jüdischen Großmutter Fanny Neumann ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz deportiert, wo sie zu einem unbekannten Zeitpunkt ums Leben kamen.

Elsa Muszinski glaubte, wie sie in einem Wiedergutmachungsverfahren nach dem Krieg erklärte, die Freundin ihres Sohnes sei wohl mit ihrem Kind nach Polen gekommen, sie hätte nie wieder etwas von ihnen gehört.

Für Lieselotte und Bela Neumann liegen Stolpersteine vor dem Haus Großneumarkt 56.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 351-11 AfW 8087 (Muszinski, Elsa); StaH 331-5 Polizeibehörde - Unnatürliche Sterbefälle 1834/38; StaH 351-11 AfW 42086 (Neumann, Kurt); StaH 351-11 AfW 23901 (Neumann, Siegfried); StaH 213-11 Amtsgericht Hamburg 7311/41; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung 1125; StaH 242-1II Abl. 13, jüngere Gefangenenkarteikarte Frauen (Neumann, Lieselotte); StaH 332-5 Standesämter 3076 u 357/1906; StaH 332-5 Standesämter 1033 u 98/1935; StaH 332-5 Standesämter 98944 u 211/1938; Diercks: Gedenkbuch Kola-Fu, S. 33; Auskunft aus der Gedenkstätte Ravensbrück, E-Mail vom 16.5.2011.

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