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Jacob Merten * 1868

Michaelisstraße 18 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
JACOB MERTEN
JG. 1868
VERHAFTET 1939
GEFÄNGNIS FUHLSBÜTTEL
1943 KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Jacob/John Merten, geb. am 28.11.1868 in Wandsbek, inhaftiert 2.11.1938, deportiert am 25.2.1943 nach Auschwitz

Michaelisstraße 18

Jacob Merten, John genannt, wurde als einziger Sohn der jüdischen Eheleute Mentzel Merten (geb. 17.12.1844) und Rahel/Rachel, geb. Massée (geb. 5.6.1842), in Wandsbek geboren. Die ersten Jahre verbrachten er und seine jüngere Schwester Henny (geb. 12.2.1870) in der Lübeckerstraße 152 (heute Lübecker Straße). Nachdem ihre Eltern über die Wandsbeker Chaussee 98 in die Neustadt gezogen waren, kam Schwester Emma (geb. 24.1.1878) in der Wexstraße 13 zur Welt. Der Vater Mentzel Merten nannte sich Max, er war Lotteriekollekteur und stammte aus Mewe (polnisch Gniew). Die Mutter, eine gebürtige Wandsbekerin, war die Tochter des Kaufmanns Jacob Massée und Merle, geb. Moses. Um 1880 zog Familie Merten in die ehemalige 3. Marktstraße 3 (später Marcusstraße, heute Markusstraße). 1887 wohnte sie am Großneumarkt 15.

Jacob Merten besuchte die Talmud Tora Schule und begann 1884 eine kaufmännische Ausbildung. Er blieb in seiner Lehrfirma Hertz & Benjamin, Tücher engros, 19 Jahre als Angestellter tätig, bis er 1903 als Lotteriekollekteur ins väterliche Geschäft eintrat. 1911 machte er sich in derselben Branche selbstständig. Jacob Merten heiratete am 24. Oktober 1907 die Schneiderin Anna Maria Lammers (geb. 2.10.1870 in Neumünster), die zum Judentum konvertierte. Das Ehepaar lebte in der Sillemstraße 16 in Eimsbüttel. Jacob Merten nahm am Ersten Weltkrieg nicht teil. Er war seit 1914 beim Hamburger Finanzamt beschäftigt und gegen Ende des Krieges als Zigarrenwarenhändler tätig. 1923 machte er sich wieder als Lotteriekollekteur selbstständig. Im Jahr zuvor war sein Vater am 4. Mai 1922 im "Altenhaus" der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in der Sedanstraße 23 verstorben, die Mutter bereits am 28. Juni 1912.

Am 2. November 1925 wurde Jacob Merten Witwer, seine Frau Anna wurde, wie ihre Schwiegereltern, auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt. Die Ehe war kinderlos geblieben.

1934 zog Jacob Merten in die Lappenbergsallee 15. Seit Juli 1936 lebte er wieder in der Neustadt in der Michaelisstraße 18, gegenüber der katholischen Kirche, dem "Kleinen Michel". Jacob Merten betrieb sein Lotteriegeschäft noch bis 1937, dann wurde er erwerbslos und erhielt Fürsorgeunterstützung.

1938 soll Jacob Merten eine Beziehung mit einer nichtjüdischen jungen Frau eingegangen sein, die er bereits 1934 kennengelernt hatte. Am 1. November 1938 wurde er verhaftet. Das Landgericht Hamburg verurteilte den 71-Jährigen am 20. August 1939 zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe wegen "fortgesetzter Rassenschande". Die Untersuchungshaft wurde ihm nicht auf die Strafe angerechnet, da, wie es in der Urteilsbegründung hieß, das "Rassenschande Gesetz" keine milderen Umstände kenne; allerdings sah das Gericht in diesem Fall von einer Zuchthausstrafe ab.

Jacob Merten wurde am 19. September 1939 ins Strafgefängnis Fuhlsbüttel überführt. Ein Gnadengesuch wurde Anfang 1941 abgelehnt, obwohl die Haftzeit den gebrechlichen, mittlerweile 73-Jährigen "hart mitgenommen" hatte, wie ein Staatsanwalt in seiner Beurteilung schrieb. Seines Erachtens war aber die Reststrafe noch zu hoch, um einen "Gnadenerweis" zu gewähren. Jacob Merten, der während seiner Haft schwer an Rheuma erkrankt war, wurde mit Rücksicht auf sein Alter in eine Einzelzelle verlegt. Durch eine ärztliche Anordnung wurde ihm gestattet, seine privaten Schuhe und eine Wolljacke zu tragen.

Kurz vor Ende seiner Haftzeit, im Februar 1943, wandte sich seine Schwester Emma Delfs an den Jüdischen Religionsverband in Hamburg mit der Bitte, ihren Bruder in einem seiner Altenheime, die längst zu "Judenhäusern" geworden waren, aufzunehmen. Der Syndikus Max Plaut, von der Gestapo zum Leiter der ehemaligen Jüdischen Gemeinde in Hamburg bestimmt, bestätigte in einem Schreiben an die Gefängnisleitung, "eine Einweisung kann jederzeit erfolgen".

Am 24. August 1943 hätte Jacob Merten entlassen werden müssen, doch noch vor Ablauf seiner Haftstrafe wurde er am 6. Februar 1943 aus dem Gefängnislazarett an die Gestapo übergeben und ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel zurückverlegt. Von dort wurde Jacob Merten am 25. Februar 1943 auf Verfügung des Reichsjustizministers, Gefängnisse und Zuchthäuser "judenfrei" zu machen, nach Auschwitz überstellt und wahrscheinlich direkt nach seiner Ankunft ermordet.

Seine verheirateten Schwestern Emma Delfs und Henny Stuhr überlebten, offenbar durch ihre nichtjüdischen Verwandten geschützt.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; StaH 351-11 AfW 17629 (Stuhr, Emma); StaH 351-11 AfW 1398 (Stuhr, Henny); StaH 351-11 AfW 1352 (Merten, Jacob); StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, 4007; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen 08260/39; StaH 332-5 Standesämter 671 u 464/1912; StaH 332-5 Standesämter 855 u 289/1922; StaH 332-5 Standesämter 1928 u 504/1878; StaH 332-5 Standesämter 2853 u 44/1895; StaH 332-5 Standesämter 3088 u 677/1907; StaH 332-5 Standesämter 3301 u 102/1917; StaH 332-5 Standesämter 8084 u 379/1925; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde 710; diverse Hamburger Adressbücher.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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