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Karl Schaafhirte * 1912

Großneumarkt 45 / Erste Brunnenstraße (vorm. Schlachterstraße 2) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
KARL SCHAAFHIRTE
JG. 1912
IM WIDERSTAND
VERHAFTET 1933
KZ FUHLSBÜTTEL
TOT 1.4.1935
ZENTRALLAZARETT
UG HAMBURG

Karl Theodor Schaafhirte, geb. am 22.12.1912 in Hamburg, inhaftiert 1933, gestorben am 1.4.1935 im Untersuchungsgefängnis Hamburg, Holstenglacis 3

Großneumarkt 45/Ecke Erste Brunnenstraße (Schlachterstraße 2)

Karl Theodor Schaafhirte war am 22. Dezember 1912 in Hamburg geboren worden. Seine Eltern hatten, als sie am 16. Dezember 1905 heirateten, im Gängeviertel der Neustadt in der Speckstraße 56 gelebt. Sie waren 1907 in die Carolinenstraße 26 (heute Karolinenstraße) gezogen und hatten dann in der Amandastraße 43 im Stadtteil St. Pauli gewohnt. In der Familie gab es noch drei weitere Kinder, von denen zwei früh an einer Lungenkrankheit starben. Der Vater August Ferdinand Schaafhirte (geb. 27.11.1885) war Lagerarbeiter, bis er in den Ersten Weltkrieg zog. Karl war erst fünf Jahre alt, als sein Vater am 4. Mai 1917 bei Agnilcourt getötet wurde. Seine Witwe Gertrud Louise Schaafhirte, geb. Heinecker (geb.11.5.1887), zog mit ihren Kindern in den Haushalt ihres Vaters. Der Speicherarbeiter Julius Johannes Heinecker wohnte in der nicht mehr existierenden Schlachterstraße 2.

Karls acht Jahre älterer Bruder Ferdinand August Julius (geb.1.9.1904) arbeitete nach der Volksschule am Holstenwall (heute staatliche Handelsschule) als Schiffsbauer. Karl erlernte das Gürtlerhandwerk und spezialisierte sich in diesem Berufszweig als Gelbgießer, die Schnallen, kleine Leuchter, Figuren und Beschläge herstellten. Da er eine Zeitlang in seinem Beruf keine Arbeit fand, übte er als Speicherarbeiter, später wohl als LKW-Fahrer der Firma J. P. Lange Mühle in der Elbstraße in Hamburg-Altona eine andere Tätigkeit aus. Seine Freizeit verbrachte er mit dem Bau von Radios und Lampen und schloss sich dem Kommunistischen Jugendverband Deutschland (KJVD) an.

Gegen Ende der Weimarer Republik kam es fast täglich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialisten und Linken. Bei den teilweise bewaffneten Überfällen auf offener Straße wurden auch unbeteiligte Passanten verletzt oder sogar durch Querschläger getötet. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Karl Schaafhirte am 12. August 1933 im Zusammenhang mit dem Überfall auf das "SA-Marine-Verkehrslokal Adler-Hotel" verhaftet. Nach Darstellung der Anklageschrift vom 5. Dezember 1934 soll er sich als Gruppenführer des 3. Sturmes des Rotfrontkämpferbundes (RFB), am Abend des 21. Februar 1933, in der Nähe des Lebensmittelgeschäftes von August Schreiber am Schulterblatt 79a aufgehalten haben, als dieses nach dem verabredeten Zeichen "Was haben die Erwerblosen? Hunger!" geplündert wurde. Die Plünderung diente als Ablenkungsmanöver, die Ordnungspolizei sollte von dem gleichzeitig stattfindenden Überfall der "Roten-Marine" auf das "Adler-Hotel", Ecke Neuer Pferdemarkt/Schanzenstraße abgelenkt werden (s. Otto Heitmann, Johannes Horlebusch, Alfred Trieglaff und Walter Wicke).

Das Hanseatische Sondergericht verurteilte Karl Schaafhirte am 8. Januar 1935 als "recht aktiver Kommunist, und Mitglied des RFB" wegen "Landfriedensbruch" zu einer Gefängnisstrafe von achtzehn Monaten, obwohl ihm die Staatsanwaltschaft eine Beteiligung an der Plünderung nicht nachweisen konnte. Allerdings wurde seine Untersuchungshaft auf die Strafhaft angerechnet. Am 22. Januar 1935 wurde Karl Schaafhirte in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel überführt. Knapp zwei Monate später am 28. März wurde er ins Lazarett des Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis 3 verlegt. Dort starb Karl Schaafhirte am 1. April 1935 an einem "durchbrochenen Magengeschwür" und einer "Bauchfellentzündung", was auf fehlende rechtzeitige medizinische Versorgung schließen lässt.

Ein weiteres angestrebtes Verfahren wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" wurde nach seinem Tod eingestellt. Zwei Jahre nach Kriegsende, am 3. Juni 1947, wurde das Urteil des Hanseatischen Sondergerichtes offiziell aufgehoben.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 351-11 AfW 9541 (Schaafhirte, Gertrud); StaH 213-11 Staatsanwaltschaft/Landgerichte LO 104/36; StaH 242-1II, Abl. 13 ältere Gefangenenkartei Männer Strafgefängnis Fuhlsbüttel; StaH 332-5 Standesämter 3043 u 867/1905; StaH 332-5 Standesämter 8041 u 38/1917; StaH 332-5 Standesämter 1037 u 120/1935; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft/Landgerichte 04266/46 Band 1; Gedenkstätte Ernst Thälmann Hamburg-Eppendorf, Archiv (Sammlung NS-Akten, Anklage Tacke & Genossen, 1934).

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