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Bereits verlegte Stolpersteine



Max Sommer * 1899

Kaiser-Wilhelm-Straße ggü. Nr. 115 (vormals Haus Nr. 116) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
MAX SOMMER
JG. 1899
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Kaiser-Wilhelm-Straße ggü. Nr. 115 (vormals Haus Nr. 116):
Edith Sommer

Edith Luise Sommer, geb. Metzger, geb. am 14.5.1913 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Max Sommer, geb. am 26.7.1899 in Altona, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Kaiser-Wilhelm-Straße gegenüber Hausnummer 115 (Kaiser-Wilhelm-Straße 116)

Edith Metzger und Max Sommer heirateten am 12. Oktober 1938 in Hamburg. Sie gründeten keinen eigenen Haushalt mehr, da sie hofften, Deutschland in absehbarer Zeit verlassen zu können. Das Ehepaar wohnte bei Ediths Mutter in der Kaiser-Wilhelm-Straße 116. Max Sommer hatte seine im Jahre 1933 eröffnete Radiohandlung und die dazugehörige Wohnung im Eidelstedter Weg 107 als jüdischer Geschäftsinhaber bereits aufgeben müssen. Edith arbeitete noch als Kontoristin und verlor dann Ende Mai 1939 ihre Stellung, als die Firma Siegfried Halberstadt, Hohe Bleichen 31/32, "arisiert" wurde. Im selben Monat erhielt das Ehepaar Sommer eine "Unbedenklichkeitsbescheinigung", die ihm die Ausreise erlaubte. Somit hatte es alle nötigen Formalitäten für die Emigration erfüllt, aber die Auswanderungspläne schlugen fehl, vermutlich wegen des Kriegsbeginns am 1. September 1939. Auf der Kultussteuerkartei von Max Sommer wurde "England" wieder gestrichen. Ein weiterer Vermerk gab Auskunft: "keine Religion". Edith und Max Sommer waren somit ursprünglich keine Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, sie wurden erst 1939 zur Mitgliedschaft in der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland gezwungen.

Max Sommer hatte zwei Schwestern: Helene von Lange (geb. 28.7.1897) und Frieda Sommer (geb. 8.11.1903). Sein Vater Isidor Sommer (geb. 6.12.1870) hatte seit 1914 in der Eimsbütteler Chaussee 23, am Wohnort der Familie, einen Alt-Eisen- und Metallhandel betrieben. Ursprünglich war er von Beruf Schuhmachermeister und stammte aus Königsteele Hattinga.d.Ruhr. Am 22. November 1896 hatte er in Altona die Köchin Pauline Asser (geb. 2.8.1873) geheiratet, die Tochter von Moritz Asser und Henriette, geb. Lewin (s. Mathilde Cossmann). Isidor Sommer starb am 28. August 1931 an den Spätfolgen einer Kriegsverletzung, er hatte im Ersten Weltkrieg einen Nierenschuss erlitten.

Max Sommer hatte in früheren Jahren als Fuhrmann gearbeitet, vielleicht im väterlichen Betrieb. Er war schon einmal verheiratet gewesen: Die 1929 mit der nichtjüdischen Dorothea Dahle eingegangene Ehe war um 1936 geschieden worden.

Edith Sommers Mutter, Auguste Caroline, geb. Bernigau (geb. 25.2.1881), entstammte einem nichtjüdischen Elternhaus. Ihre Eltern, der Gelbgießer (Herstellung von Gegenständen aus Messing) Carl Friedrich Bernigau (geb. 13.3.1843) und Margaretha Clara, geb. Meyer (geb. 6.9.1849), hatten am 5. Juni 1877 in Hamburg geheiratet. Sie hatten noch einen Sohn Carl Bernigau (geb. 25.1.1885), der später als Behördenangestellter tätig war.

Auguste war zum jüdischen Glauben konvertiert, bevor sie am 29. Dezember 1904 in Hamburg Julius Metzger (geb. 25.3.1879), den Sohn des Hochheimer Schuhmachers Moses Metzger (geb. 1844, gest. 22.8.1913) und Rosette, geb. Jacobsohn (gest. 20.10.1905), geheiratet hatte. Jedoch fühlte sich das Ehepaar Metzger keiner Gemeinde zugehörig. Ihr erstes Kind, Sohn Richard, wurde am 23. Oktober 1905 geboren, Edith folgte erst viel später, am 14. Mai 1913. Ihr Vater Julius Metzger wurde eingezogen und kehrte aus dem Ersten Weltkrieg nicht zurück. Er galt als vermisst, bis ihn das Hamburger Amtsgericht am 20. Oktober 1920 für tot erklärte.

Auguste Metzger war am 16. Oktober 1922 mit dem Schriftsetzer und Buchdrucker Selig Siegfried Schild (geb. 27.2.1878) eine zweite Ehe eingegangen und mit ihren Kindern vom Winterhuderweg 16 in die Peterstraße 2 zu ihrem Ehemann gezogen. Auch für Selig Siegfried Schild war es die zweite Ehe. Er hatte am 19. August 1911 Helene Maria Holm (geb. 11.12.1889) geheiratet, die Ehe war Ende 1920 geschieden worden.

Auguste und Siegfried Schild mussten Anfang des Jahres 1939 ihre Wohnung in der Kaiser-Wilhelm-Straße 116 aufgeben. Übergangsweise zogen sie mit ihrer Tochter Edith und ihrem Schwiegersohn Max Sommer als Untermieter zu Wolff in die Grabenstraße 41, ins heutige Karolinenviertel, bis sie eine Wohnung im Lazarus-Gumpel-Stift, Schlachterstraße 46/47 erhielten. Edith und Max Sommer lebten in den letzten beiden Jahren in einer Pension, die Louise Simon (s. dort) in der Peterstraße 33b betrieb. Hier erhielten sie ihre Deportationsbefehle für den 8. November 1941 ins Getto Minsk. Unter den Personen, die sich im Sammellager in der Moorweidenstraße im Logenhaus einzufinden hatten, befand sich auch der jüngere Bruder von Ediths Stiefvater August Sally Schild (geb. 11.2.1879). Alle drei kamen in Minsk um.

Die Eltern von August Sally und Selig Siegfried Schild waren der nichtjüdische "Zigarrenfabrikant" Karl Friedrich Schild (geb. 10.8.1837) und Jenny, geb. Josel (geb. 26.8.1858). Die Ehe wurde am 17. März 1882 geschieden.

August Sally Schild war gelernter Etuiarbeiter (Herstellung von Verpackungen), arbeitete aber bis 1935 als Posthelfer beim Postamt I Ecke Münzstraße/Hühnerposten. Nachdem er dort wegen seiner jüdischen Abstammung entlassen worden war, fand er gelegentlich als Bote oder Handlungsgehilfe eine Beschäftigung. Er war unverheiratet und lebte im Haushalt seiner Mutter Jenny in der Schlachterstraße 40/42 im Marcus-Nordheim-Stift. Als seine Mutter am 21. April 1937 starb, zog er zur Untermiete an den Spielbudenplatz 18, zuletzt wohnte Sally Schild in der Bernhard-Nocht-Straße 77b bei Pfeiffer.

Auguste und Siegfried Schild blieben nach der Deportation ihrer Familienangehörigen in Hamburg zurück. Sie wurden im Juli/August 1943 während der schweren Luftangriffsserie der "Operation Gomorrha" in der Schlachterstraße ausgebombt. Eine Notunterkunft fanden sie in einem Hinterhaus, Kohlhöfen 6, wo Siegfried Schild in der Druckerei von Hugo Lüders beschäftigt war. Bei dem letzten Luftangriff des Jahres, am 13. Dezember 1943, kamen sie dort gemeinsam ums Leben.

Max Sommers Mutter Pauline Sommer war nach dem Tod ihres Mannes noch bis 1935 in der Eimsbütteler Chaussee gemeldet und bezog dann eine kleinere Wohnung in der Lorenzengasse 12, die sie 1939 aufgeben musste. Als sie 1941 aus der Flüggestraße 14 in Hamburg-Barmbek, wo sie eine Wohnung bezogen hatte, "ausgewiesen" wurde, blieb ihr Hausstand dort zurück. Wie sich eine frühere Nachbarin erinnerte, seien die Sachen später von Leuten mit Hakenkreuzbinden aus der Wohnung abgeholt worden. Pauline Sommer verbrachte die letzten Monate vor ihrer Deportation im ehemaligen Samuel-Levy-Stift in der Bundesstraße 35, einem sogenannten Judenhaus. Am 15. Juli 1942 wurde sie ins Getto Theresienstadt verbracht, wo sie im Alter von 71 Jahren am 14. Januar 1944 verstarb. Für Pauline Sommer wurde ein Stolperstein in der Eimsbütteler Chaussee 23 verlegt.

Ihre Tochter Frieda Sommer überlebte Auschwitz und schwere Zwangsarbeit. Nach einer gescheiterten Ehe mit dem Kürschner Henri Brunstein nahm Frieda wieder ihren Geburtsnamen an, verließ Mitte der 1920er Jahre Hamburg und zog nach Paris. Ihre Tochter Senta (geb. 12.7.1921) blieb bei ihren Großeltern in der Eimsbütteler Chaussee 23 zurück. Von Paris aus siedelte Frieda 1929 nach Barcelona über. Während des Spanischen Bürgerkrieges kehrte sie 1936 nach Paris zurück. Am 20. November 1943 wurde Frieda Sommer in Orléans verhaftet und ins Sammellager Drancy verbracht. Von dort wurde sie am 20. Januar 1944 nach Auschwitz deportiert und bei der dort üblichen Selektion als arbeitsfähig eingestuft. Frieda Sommer wurde dem "Kanada-Kommando" zugeteilt, d.h., sie musste im Effektenlager das Gepäck und die Kleidung der in den Gaskammern ermordeten Häftlinge sortieren. Eines Tages glaubte sie Sachen ihrer Familie in den Händen zu halten und erlitt einen Nervenzusammenbruch.

Im November 1944 wurde sie in ein Außenlager des KZ Flossenbürg nach Zschopau überstellt, wo sie in der Rüstungsindustrie der "Auto Union AG" schwere Zwangsarbeit verrichten musste. Im Zuge der Räumung des Lagers wurde sie am 13. April 1945 einem Häftlingstransport zugeteilt und mit unbekanntem Ziel auf Viehwaggons verladen. Frieda Sommer gelang die Flucht, sie sprang während der Fahrt vom Zug, verletzte sich schwer am Bein, konnte sich aber mehrere Wochen in einem Waldstück versteckt halten, bis sie am 25. Mai 1945 in der Nähe von Karlsruhe auf französische Truppen stieß. Nach dem Krieg konnte sich Frieda Sommer von den gesundheitlichen Schäden ihrer Haftzeit nicht mehr ganz erholen. Sie litt unter Schwerhörigkeit, einer Magenerkrankung und an der Verletzung des Beines. Ihr Wiedergutmachungsverfahren zogen sich bis 1961 hin. Frieda Sommer starb am 29. April 1999 mit 97 Jahren in Paris.

Friedas Tochter Senta, die nach ihrer Schulzeit in Hamburg bei Verwandten in Madrid lebte, zog 1935 zu ihrem Vater Henri Brunstein nach Belgien. Dort überlebten beide das Kriegsende mithilfe von Renatus Onsea und der Familie von Jeanne Bulte im Versteck.

Ediths Bruder Richard ging 1928 als Korrespondent für eine Hamburger Firma in die Niederlande, heiratete am 21. Juni 1932 in Hamburg Mathilde Elias (s. Familie David und Theresia Elias) und lebte mit ihr im Westen der Niederlande in Den Haag, in der Trompstraat 93. Beide überlebten die NS-Zeit in den Niederlanden im Versteck.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; StaH 351-11 AfW 21897 (Sommer, Edith); StaH 351-11 AfW 30183 (Metzger, Richard); StaH 351-11 AfW 2220 (Sommer, Pauline); StaH 351-11 AfW 280797 (von Lange, Helene); StaH 351-11 AfW 18265 (von Lange, Erwin); StaH 351-11 AfW 27072 (Sommer, Frieda); StaH 351-11 AfW 27073 (Sommer, Frieda); StaH 351-11 AfW 44573 (Martiny, Senta); StaH 351-11 AfW 5449 (Schild, Auguste); StaH 351-11 AfW 1644 (Sommer, Isidor); StaH 522-1 Jüdische Gemeinde 628c; StaH 332-5 Standesämter 2568 u 723/1877; StaH 332-5 Standesämter 2579 u 1568/1877; StaH 332-5 Standesämter 1929 u 1030/1878; StaH 332-5 Standesämter 1952 u 1475/1879; StaH 332-5 Standesämter 5938 u 1142/1896; StaH 332-5 Standesämter 13004 u 2250/1899; StaH 332-5 Standesämter 8634 u 834/1904; StaH 332-5 Standesämter 14501 u 1806/1905; StaH 332-5 Standesämter 6000 u 827/1911; StaH 332-5 Standesämter 3430 u 895/1922; StaH 332-5 Standesämter 13844 u 364/1932; StaH 332-5 Standesämter 8109 u 352/1931; StaH 332-5 Standesämter 1070 u 177/1937; StaH 332-5 Standesämter 1202 u 85/1943/44; StaH 332-5 Standesämter 1202 u 84/1943/44; StaH 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle 8 Akte Sch/1320; StaH 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle 8 Akte Sch/2283; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge Abl. 1999/2 Sommer, Isidor; diverse Hamburger Adressbücher; Brunswig: Feuersturm, S. 306.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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