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Joseph Kubiak, September 1938
Joseph Kubiak im September 1938
© Archiv Ev. Stiftung Alsterdorf

Josef Kubiak * 1869

Venusberg ggü. Nr. 22 (vormals Nr. 33) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
JOSEF KUBIAK
JG. 1869
EINGEWIESEN 1939
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 1943
HEIL- UND PFLEGEANSTALT
MAINKOFEN
TOT 29.5.1944

Josef Kubiak, geb. am 2.7.1869 in Roski/Posen, eingewiesen am 8.2.1939 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten, verlegt am 10.8.1943 in die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen/Niederbayern, gestorben am 29.5.1944

Venusberg gegenüber der Hausnummer 22 (Venusberg 33)

Josef Kubiak war der Sohn von Simon und Hedwig Kubiak, er war in Roski in Posen in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen. Nach Beendigung der Volksschule hatte er bei seinem Vater in der Landwirtschaft gearbeitet, unterbrochen durch eine dreijährige Militärzeit. 1893 verließ er seine Heimat und kam nach Hamburg, wo er zunächst Arbeit als Bau-, Erd- und Straßenarbeiter fand. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges meldete er sich freiwillig, nach seiner Rückkehr wurde er Ewerführer (ein Ewer ist ein Schiffstyp). Noch mit 68 Jahren arbeitete Josef Kubiak im Hamburger Hafen. Seit 1937 lebte der ledige Rentner am Venusberg 33 zur Untermiete bei Frau Lenz.

Am Abend des 31. August 1938 wusste sich seine Zimmerwirtin nicht anders zu helfen und rief die Polizei, da ihr Untermieter im "geistig gestörten Zustand" in der Wohnung umherirrte. Auf Veranlassung eines herbeigerufenen Arztes wurde Josef Kubiak in die Psychiatrische und Nervenklinik der Hansischen Universität Eilbektal eingewiesen. Auf Befragung der Ärzte gab er an, seit zwei Jahren, nach Beendigung seiner Berufstätigkeit, zeitweilig Stimmen zu hören und das Gefühl zu haben, durch Telepathie und Röntgenstrahlen beeinflusst zu werden, worüber er aber nicht sprechen dürfe. Als "Pflegefall" mit der Diagnose "schizophrener Schub" wurde Josef Kubiak am 8. Februar 1939 in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt und von dort am 28. August als "ungeheilt" in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) entlassen. Josef Kubiak wurde als für sein Alter noch recht rüstig beschrieben. Schon in Langenhorn hatte man ihn einer Kolonne zur Gartenarbeit zugeteilt. In seiner Akte wurde ein "Sammeltrieb" erwähnt, und da er sich oft bekreuzigte, hielt man ihn für religiös. Seine zeitweiligen "Beeinträchtigungsideen" wurden einer Arteriosklerose, einer Arterienverkalkung, zugeschrieben. Auf Fragen antwortete er jedoch sinngemäß und "macht sonst keine Schwierigkeiten".

Ungeachtet seiner mittlerweile 74 Jahre wurde im März 1943 notiert, er sei in "Alsterdorf" zu keiner "nutzbringenden" Arbeit fähig. Galt eine Teilnahme am Ersten Weltkrieg in der ersten Phase der "Euthanasie" der sogenannten "Aktion T4" noch als Verschonungsgrund, so spielte diese bei der Patientenerfassung in der zweiten Phase, später als "wilde Euthanasie" bezeichnet, keine Rolle mehr.

Am 10. August 1943 kam Josef Kubiak mit einem Sammeltransport, in dem sich unter den 113 Patienten auffällig viele ältere Männer befanden, in die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen bei Deggendorf. In der niederbayrischen Anstalt wurde gezielte "Hungerkost" verabreicht, die, in Wechselwirkung mit Infektionskrankheiten, wahrscheinlich ausschlaggebend für die hohe Sterblichkeit war. Allein bei 74 ehemaligen Alsterdorfer Patienten wurde bis 1945 eine Lungentuberkulose als Todesursache angegeben. So auch bei Josef Kubiak, der zehn Monate nach seiner Verlegung am 29. Mai 1944 verstarb. Wahrscheinlicher ist, dass er Opfer der Hungerkost und der schrecklichen Zustände der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen wurde.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf, Patientenakten der Alsterdorfer Anstalten, V 471 Josef Kubiak; Wunder: Exodus, S. 205–211; http://www.mainkofen.de/209.html (Zugriff 24.11.2016).

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