Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Helene Schwarz (geborene Edinger) * 1877

Neanderstraße 16 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
HELENE SCHWARZ
GEB. EDINGER
JG. 1877
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Neanderstraße 16:
Max Schwarz

Helene Schwarz, geb. Edinger, geb. am 12.12.1877 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof
Max Schwarz, geb. am 20.12.1902 in Hamburg, deportiert aus dem Durchgangslager Pithiviers/Frankreich am 17.7.1942 nach Auschwitz

Neanderstraße 16 (Elbstraße 60)

Helene Schwarz war als zweites Kind des jüdischen Ehepaares Simon Edinger (geb. 1.6.1843) und seiner Ehefrau Friederike, geb. Masson (geb. 27.5.1834), im ehemaligen Gängeviertel im Specksgang 57 zur Welt gekommen. Ihr zwei Jahre älterer Bruder Siegfried wurde am 12. Oktober 1875 geboren. Der Vater Simon Edinger kam aus Cronberg (heute Kronberg), eine Stadtregion in Frankfurt am Main. Im Jahre 1880 hatte er sich als "Mobilienhändler" im Neuen Steinweg 69 selbstständig gemacht. Die Mutter Friederike stammte aus Dahlenburg bei Lüneburg in Niedersachsen, sie hatte 1881 ein eigenes Gewerbe als "Trödlerin" in der 2. Elbstraße 35 (heute Neanderstraße) angemeldet. 1884 hatte das Ehepaar Edinger in der 2. Elbstraße 2 ein sogenanntes Partiewarengeschäft eröffnet. Es hatte 1893 das Haus in der Elbstraße erworben, das 1900 nach der Zusammenlegung der 1., 2. und 3. Elbstraße, die damals von der Straße Hütten auf die Englische Planke führte, die Haus-Nr. 60 erhielt.

Helene heiratete am 13. Dezember 1900 den Buchhalter Jacob Schwarz (geb. 22.12.1872). Der Sohn des "Agenten" (Vertreter) Ferdinand Schwarz (geb. 1846 in Busenberg) und Henriette, geb. Blum (geb. 1846 in Pirmasens), stammte aus Pirmasens in der Pfalz. Aus der elterlichen Partiewarenhandlung wurde nun das Schuhgeschäft "Edinger & Schwarz", das Helenes Ehemann Jacob und ihr Bruder Siegfried Edinger gemeinsam führten.

Ihr erstes Kind, Tochter Senta (Sentha), wurde am 14. September 1901 geboren, Sohn Max kam am 20. Dezember 1902 zur Welt. Offenbar trennten sich Jacob und Helene Schwarz bald wieder. Jacob Schwarz war (mit Unterbrechungen) seit Ende 1903 als Untermieter in der Steinstraße, in der Hamburger Altstadt gemeldet. Offiziell wurde die Ehe am 1. März 1912 geschieden.

Helene führte das Schuhgeschäft allein weiter und zog zu ihrer Mutter Friederike in den Neuen Steinweg 15, ihr Vater Simon verstarb am 25. April 1904. Anfang 1919 wurden auch die Geschäftsräume in den Neuen Steinweg verlegt. Einen Mieter für die Elbstraße fand sie in dem jüdischen Möbelhändler Siegmund Bleiweiss (s. Familie Bleiweiss), die Kellerräume bezog eine Schlachterei.

Nach dem Tod ihrer Mutter am 12. Januar 1926 wohnte Helene Schwarz noch bis etwa 1932 im Neuen Steinweg. Das Schuhgeschäft hatte sie bereits aufgegeben. Sie zog dann mit ihrer Tochter Senta in den Glindeweg 28 in Hamburg-Winterhude. Im Jahre 1939 war Helene Schwarz wieder in der Hamburger Neustadt in der Elbstraße 60 gemeldet. Vielleicht war ihr die Wohnung, nachdem der Mieterschutz für Juden aufgehoben worden war, gekündigt worden, oder sie konnte die Miete im Glindeweg nicht mehr aufbringen. Auf behördliche Anordnung hatte sie bereits zuvor bei der öffentlichen Ankaufsstelle in der Gothenstraße Wertgegenstände aus Gold und Silber abgeben müssen. Da sie die ihr auferlegte Zahlung der "Judenvermögensabgabe" in Höhe von 3800 Reichsmark (RM) nicht leisten konnte, musste sie ihr Grundstück in der Elbstraße mit einer Sicherungshypothek belasten.

Über die Mieteinnahmen ihres Hauses verfügte ab April/Mai 1940 die "Hamburgische Grundstücksverwaltungs-Gesellschaft von 1938 m.b.H", die eigens als Treuhand für die Verwaltung und Enteignung jüdischer Immobilienbesitzer gegründet worden war. Von den ohnehin nur sehr geringen Mieteinnahmen erhielt Helene Schwarz einen Betrag von monatlich 50 RM ausbezahlt. Im Oktober 1940 sah sie sich auch noch gezwungen, einen Prozess gegen ihre "arischen" Mieter anzustreben, die ihr den Zugang zur ihrer Wohnung in der dritten Etage unter Beschimpfungen und Drohungen verweigerten. Das 1850 erbaute dreistöckige Geschäftshaus war nicht für mehrere Mietpartien konzipiert. Im Treppenaufgang zu den Etagen gab es keine Türen und das enge Zusammenleben hatte offenbar schon seit einiger Zeit zu Spannungen geführt. Überraschenderweise erwirkte Helene Schwarz nach einer Anhörung beider Parteien vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen ihre nichtjüdische Mieterin Edith Bartels.

Kurz vor ihrer "Aussiedlung" am 6. Dezember 1941 nach Riga erteilte Helene ihrem Bruder Siegfried Edinger eine Generalvollmacht, die über ihren Tod hinausging.

Siegfried Edinger wohnte mit seiner nichtjüdischen Ehefrau Dora, geb. Block (geb.19.8.1875, gest.11.2.1958), in der Lehnhartzstraße 6 und war durch seine "Mischehe" zunächst noch vor der Deportation geschützt. Zur Aufgabe seiner Flügel- und Piano-Großhandlung war er allerdings gezwungen worden. Er berichtete in seinem Wiedergutmachungsantrag, seine Schwester habe mit ihrem "Ausweisungsbefehl" gleichzeitig ein Formular erhalten, in dem sie ihre Vermögenswerte anzugeben hatte. Diese Liste musste sie am Tag ihrer Deportation zusammen mit ihrem Wohnungsschlüssel bei der zuständigen Polizeiwache am Großneumarkt 16 abgeben. Ihre "gediegene Wohnungseinrichtung", wie ihr Bruder sie beschrieb, und das antike Porzellan, noch aus dem Haushalt ihrer Eltern, wurden zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Das Auktionshaus Landjunk erzielte dafür am 1. Mai 1942 bei der öffentlichen Versteigerung einen Erlös von 717,90 RM. Ihr Grundbesitz in der Elbstraße 60 wurde beschlagnahmt, die "Judenvermögensabgabe" nachträglich erlassen und die Hypothek auf Veranlassung des Oberfinanzpräsidenten aus dem Grundbuch gelöscht. Nach der Bombardierung Hamburgs im Juli/August 1943 hatte das Haus allerdings nur noch den Wert eines "Trümmergrundstücks".

Helenes Tochter Senta war bereits am 25. Oktober 1941 mit einem Transport ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz deportiert worden. Am 10. Mai 1942 wurde sie in das Vernichtungslager Chelmno/Kulmhof "ausgesiedelt". Sie hatte in Hamburg zuletzt als Hausangestellte bei dem jüdischen Ehepaar Grete und Herbert Mitz in der Isestraße 86 gewohnt und gearbeitet. Dort erinnert ein Stolperstein an ihre Ermordung (s. Stolpersteine in der Hamburger Isestraße).

Ihr Bruder Max hatte Hamburg 1926 verlassen. Er lebte in Frankfurt am Main, wo auch sein Vater, Helenes geschiedener Ehemann Jacob Schwarz, zuletzt gemeldet war. Max Schwarz wurde im unter der Vichy-Regierung errichteten Durchgangslager für ausländische und französische Juden in Pithiviers, etwa 80 km südlich von Paris, interniert. Von dort kam er am 17. Juli 1942 mit dem 6. Transport ins Vernichtungslager Auschwitz.

Sein Vater Jacob Schwarz wurde am 15. September 1942 von Frankfurt am Main aus der Straße Großer Wollgraben 20 (heute An der Staufenmauer) nach Theresienstadt deportiert. Dort starb er am 9. Februar 1943, laut der Todesfallanzeige an einem Hirnschlag.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 5; 7; 8; StaH 351-11 AfW 3473 (Schwarz, Helene); StaH 522-1 Jüdische Gemeinde 374; StaH 314-15 OFP V1/73; StaH 314-15 OFP R 1940/976; StaH 332-5 Standesämter 1914 u 5899/1877; StaH 332-5 Standesämter 2947 u 1305/1900; StaH 332-5 Standesämter 13561 u 2488/1901; StaH 332-5 Standesämter 535 u 570/1904; StaH 332-5 Standesämter 8707 u 466/1915; StaH 332-5 Standesämter 911 u 18/1926; StaH 621-1/84 Firmenarchiv Ernst Kaufmann 115; Nationalarchiv in Prag/Theresienstädter Initiative, Jüdische Matriken, Todesfallanzeigen Theresienstadt (Jacob Schwarz); diverse Hamburger Adressbücher; Memorial de la Shoah, Musée, Centre de Documentation, http://bdi.memorialdelashoah. org/internet/jsp/core/MmsRedirector.jsp?id=54555&type=VICTIM (Zugriff 14.8.2013); http://www.sta tistik-des-holocaust.de/TT420915-71.jpg, (Zugriff 18.8.2014).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang