Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Martin Magnus * 1870

Steinwegpassage 5 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
MARTIN MAGNUS
JG. 1870
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 1942
TREBLINKA

Weitere Stolpersteine in Steinwegpassage 5:
Flora Magnus, Han(n)chen Magnus

Flora Magnus, geb. Eschwege, geb. am 4.11.1881 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka
Hanchen Magnus, geb. am 15.12.1873 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof
Martin Mann Magnus, geb. am 10.6.1870 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka

Steinwegpassage 5

Die Geschwister Martin, Hanchen und Fanny Magnus waren die Kinder des Milchhändlers und späteren Lotteriegeschäftsbetreibers Selig Magnus (geb. 7.9.1836) und dessen Ehefrau Cheichen/Eva, geb. Lazarus (geb. 11.9.1839). Martin war der Älteste, er wurde am 10. Juni 1870 geboren. Fanny folgte am 12. Dezember 1871 und Hanchen fast genau zwei Jahre später am 15. Dezember 1873. Familie Magnus wohnte einige Jahre in der Straße Bei den Hütten 112 (heute Hütten), dann zog sie in den Alten Steinweg 71/72. Unter dieser Adresse, der elterlichen Wohnung, meldete Martin 1894 seine erste Firma an, eine Export-Agentur. 1905 erfolgte ein Umzug in die Steinwegpassage 5.

Die Schwestern Hanchen und Fanny blieben unverheiratet im Haushalt ihrer Eltern, Bruder Martin heiratete am 4. November 1908 Flora Eschwege, die an diesem Tag auch ihren 27. Geburtstag feierte. Flora lebte mit ihrer verwitweten Mutter Bertha Eschwege, geb. Wetzlar (geb. 13.9.1839, gest. 12.5.1918), in der Caffamacherreihe 53. Ihr Vater Sally Joseph Eschwege (geb. 9.10.1818) war am 21. Januar 1901, im Alter von 82 Jahren verstorben. Erst spät hatte er eine Familie gegründet. Sally Joseph Eschwege, Zigarrenfabrikant in der Neustädter Neustraße 91 (heute Neustädter Straße) und Chorführer am Israelitischen Tempel, gehörte seit der Gründung dem "Cigarren-Arbeiter-Verein" in Hamburg an und übernahm 1851 bis zur Auflösung des Vereins im Jahre 1890 auch dessen Vorsitz. Schon der Großvater Joseph Moses Eschwege war als selbstständiger Zigarrenarbeiter im Pilatuspool 45 tätig gewesen.

Flora hatte noch zwei Brüder, die als Kaufleute tätig waren. Max Eschwege (geb. 20.7.1873, gest. 3.1.1926) wohnte in der Hochallee 125 und betrieb am Großen Burstah 10 ein Ex- und Import-Geschäft. Albert Eschwege (geb. 21.1.1875) war Inhaber der Papiergroßhandlung "Abraham Kaatz" in der Amelungstraße 6, die der 1909 verstorbene erste Ehemann seiner Frau gegründet hatte. 1932 verlegte Albert Eschwege das Geschäft in die Nähe der Firma seines Bruders Max, Großer Burstah 44.

Flora und Martin Magnus lebten anfänglich in der Gärtnerstraße 48 in Eimsbüttel. Ihr einziges Kind, Tochter Hertha, kam am 14. August 1909 zur Welt. Zwei Jahre später zog Martin mit seiner Familie in den Haushalt seiner Mutter zurück. Sein Vater war am 6. Mai 1911 im Alter von 74 Jahren verstorben.

Neben seiner Export-Agentur betrieb Martin Magnus etwa seit 1907 im Hinterhaus Alter Steinweg 61 eine kleine Metallwarenfabrik, an der seine Schwestern Hanchen und Fanny beteiligt waren. Ab 1912 trug die Firma den Namen "H. & F. Magnus". Von 1914 bis 1919 verzeichneten die Hamburger Adressbücher Hanchen Magnus als Alleininhaberin, obwohl die Produktion zu Beginn des Ersten Weltkrieges eingestellt werden musste. Martin, der nicht zum Militär eingezogen wurde, arbeitete zwischen 1914 und 1916 als Hilfsschreiber in der Steuerbehörde. Nach Kriegsende gründete er mit seiner Schwester Fanny ein Geschäft für Celluloidwaren. Seine Ehefrau Flora Magnus arbeitete ebenfalls im Geschäft. Sie vertrieben Haarschmuck wie Kämme und Haarnetze. Ihre Kunden waren Friseure und Drogisten, die sie im Stadt- und Landgebiet belieferten.
Die Schwester Hanchen Magnus schied aus, sie erhielt nach einer Nervenerkrankung eine Invalidenrente von monatlich 16,60 Reichsmark (RM) und eine Vorzugsrente von 110 RM jährlich. Sie führte jetzt den gemeinsamen Haushalt in der Steinwegpassage 5. Die Mutter Eva Magnus starb am 31. März 1922.

In den Zeiten von Inflation und Wirtschaftskrise brachte das Unternehmen nur wenig ein. Familie Magnus lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen. Floras und Martins Tochter Hertha trug mit ihrem Verdienst als Stenotypistin wesentlich zum Lebensunterhalt bei; zudem erhielten sie Fürsorgeleistungen. Hertha gründete dann ihren eigenen Haushalt: Am 12. August 1932 heiratete sie den kaufmännischen Angestellten Philipp Falck (geb. 9.5.1906), Sohn des jüdischen Ehepaares Felix Falck (geb. 16.3.1868, gest. 30.6.1932) und Rosa, geb. Emanuel (geb. 9.8.1871, gest. 24.5.1937). Ihre gemeinsame Tochter Eva, nach ihrer verstorbenen Urgroßmutter benannt, wurde am 5. Juni 1934 geboren.

Herthas Eltern, Flora und Martin Magnus, gerieten in noch größere Not, als sie an einer offenen Lungentuberkulose erkrankten. Wegen der Ansteckungsgefahr mussten die Schwestern Fanny und Hanchen die gemeinsame Wohnung verlassen. Sie wurden von der Jüdischen Gemeinde in einer Zweizimmerwohnung des Lazarus-Gumpel-Stift, Schlachterstraße 46/47, Haus 3 untergebracht. Ohne ihren Bruder konnte Fanny Magnus das Unternehmen nicht weiterführen. Sie versuchte den Lebensunterhalt für sich und ihre Schwester durch Stickereien zu bestreiten, doch die wenigen Aufträge reichten zum Leben nicht aus.

Das Ehepaar Magnus kam in die Lungenheilanstalt Edmundsthal-Siemerswalde bei Geesthacht. Von dort wurde es Ende 1932 ungeheilt nach Hause entlassen. Unter Aufsicht der "Lungenfürsorge" versuchte Martin zumindest die Wohnung durch Zimmervermietungen zu halten. Jüngere Personen und Familien mit Kindern durften sie bei sich nicht aufnehmen, die Ansteckungsgefahr war zu groß. Im April 1936 gaben sie die Wohnung auf und zogen in das benachbarte jüdische Marcus-Nordheim-Stift, Schlachterstraße 40/42, Haus 2.

Im Sommer 1939 ereigneten sich zwei Todesfälle: Tochter Hertha, ebenfalls an einer Lungentuberkulose erkrankt, starb am 6. August 1939 im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg. Am 24. September zeigte Martin beim zuständigen Standesamt den Tod seiner Schwester Fanny an. Sie war im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee 68 an einen Lungentumor gestorben.

Ihre Schwester Hanchen Magnus musste sich die Stiftswohnung mit Alice Holländer (s. dort) teilen. Kurz vor ihrem 69. Geburtstag wurde sie am 6. Dezember 1941 mit ihrer Mitbewohnerin und weiteren 752 Personen nach Riga-Jungfernhof deportiert. Zu diesem Transport gehörte auch der verwitwete Bruder ihrer Schwägerin Albert Eschwege aus dem Grindelstieg 1. Die "Arisierung" seiner Papiergroßhandlung im Juni 1936 hatte er nicht verhindern können, daraufhin nahm sich seine Ehefrau Paula Eschwege, verwitwete Kaatz, geb. Hirschfeld (geb. 7.2.1876 in Teterow), am 26. Juni 1936 mit Veronaltabletten das Leben.

Martin und Flora Magnus wurden in das "Judenhaus" in der Kielortallee 22 im ehemaligen Oppenheimer’s Stift in Hamburg-Eimsbüttel umquartiert. Von dort wurden sie am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Mit ihrem Weitertransport am 21. September 1942 ins Vernichtungslager Treblinka verliert sich ihre Spur.

Ihre Enkeltochter Eva Falck lebte nach dem Tod ihrer Mutter Hertha einige Zeit im Jüdischen Waisenhaus im Paulinenstift. Der Vater Philipp Falck arbeitete, nach einer Umschulung zum Krankenpfleger, in der Parkallee 8 bei dem Ehepaar Erna und Leo Löw. Am 8. November 1941 wurde Philipp Falck mit seiner zweiten Frau Edith, geb. Roesel (geb. 12.2.1900 in Hannover), und Tochter Eva aus der Parkallee 8 ins Getto Minsk deportiert. Für sie wurden Stolpersteine in der Parkallee 10 verlegt.

Die Namen des Ehepaares Löw standen am 6. Dezember 1941 auf der Deportationsliste nach Riga (s. Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel).


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 3; 4; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1539 (Magnus, Martin); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1543 (Magnus, Hanchen); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1542 (Magnus, Fanny); StaH 351-11 AfW 30610 (Kaatz, Hans-Martin); StaH 351-11 AfW 35041 (Roesel, Irmgard); StaH 332-5 Standesämter 2009 u 5183/1881; StaH 332-5 Standesämter 485 u 120/1901; StaH 332-5 Standesämter 3110 u 704/1908; StaH 332-5 Standesämter 655 u 286/1911; StaH 332-5 Standesämter 853 u 217/1922; StaH 332-5 Standesämter 8164 u 367/1939; StaH 332-5 Standesämter 1110 u 1712/1939; StaH 314-15 OFP, R 1940-1076; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 388 a, Liste der Hamburger Juden ohne Jahr; Bauche: Sally Joseph Eschwege in: Institut für die Geschichte der deutschen Juden (Hrsg.): Das jüdische Hamburg, S. 72f.; Lungenheilanstalt Edmundsthal-Siemerswald s. http://www.geesthacht.de, Leben und Kultur in Geesthacht (Zugriff 7.10.2015).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang