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Therese Taube Nathan (geborene Rubin) * 1867

Mattentwiete 6 (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


HIER WOHNTE
THERESE TAUBE
NATHAN
GEB. RUBIN
JG. 1867
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
12.4.1941

Therese Taube Nathan, geb. Rubin, geb. am 19.4.1867 in Hamburg, Flucht in den Tod am 12.4.1941 in Hamburg

Mattentwiete 6 (Mattentwiete 18)

Am 12. April 1941 um 9 Uhr 30 erschien die Hausmeisterin aus der Mattentwiete 18, die Witwe Anna Dehnkamp, auf dem 37. Polizeirevier am Schaarsteinweg 5 und äußerte die Vermutung, dass ihrer Nachbarin und Eigentümerin des Hauses, Therese Nathan, ein Unglück zugestoßen sein könnte. Sie habe starken Gasgeruch wahrgenommen, und Frau Nathan habe auch nach wiederholtem Klopfen nicht geöffnet. Dass an der Wohnungstür noch die Brötchen vom Vortag hingen, kam ihr ebenfalls verdächtig vor. Polizeibeamte, die sich Zugang zur Wohnung verschafften, fanden die 73-jährige Witwe Therese Nathan in einem als Bett zurechtgemachten Koffer tot auf. Sie hatte sich mit Leuchtgas vergiftet.

Anna Dehnkamp gab zu Protokoll, dass "Frau Nathan" zwar über schlechte Zeiten geklagt hatte, auch weil sie hier niemanden mehr habe, doch nachdem sie einen Brief von ihrem Sohn aus Kolumbien erhalten hatte, meinte sie, dass es nun besser werden würde. "Frau Nathan hat mir gegenüber niemals geäußert, dass sie ihrem Leben selbst mal ein Ende machen wurde."

Therese Nathan war am 19. April 1867 in Hamburg geboren worden und in der Hamburger Neustadt aufgewachsen. Ihre Eltern, der Vergolder Scheftel Heimann Rubin (geb. 11.5.1832, gest. 28.9.1913) und Frieda, geb. Nathan (geb. 9.3.1845, gest. 9.3.1923), gaben ihrer Tochter den jüdischen Vornamen Taube. Aus Taube wurde später Therese. Während der Vater aus dem damals russischen Wilna (heute die litauische Hauptstadt Vilnius) stammte, kam ihre Mutter Frieda aus der damals zu Dänemark gehörenden Garnisonsstadt Rendsburg. Die Ehe der Eltern hielt jedoch nicht. Frieda Rubin ging am 7. März 1877 eine zweite Ehe mit dem nichtjüdischen "Putz- und holländischen Warenhändler" Heinrich Ernst (geb. 25.11.1844) ein. Therese lebte bis zu ihrer Eheschließung bei ihnen im Valentinskamp 64.

Auch Scheftel Rubin heiratete ein zweites Mal, am 10. November 1879 die jüdische Rahlchen Herzberg (geb. 7.10.1844, gest. 18.3.1895). Das Ehepaar lebte seit 1884 im Lazarus-Gumpel-Stift, in der Schlachterstraße 46/47, Haus 6.

Therese heiratete am 9. September 1892 den Kaufmann Eduard Nathan, geboren am 7. Juli 1867 in Rendsburg. Es ist möglich, dass ihr Bräutigam, der Sohn von Nathan Moses Nathan und Rebecka, geb. Meyer, ein entfernter Verwandter ihrer Mutter war. Eduard Nathan war im Oktober 1890 von Damaskus nach Hamburg gekommen und betrieb ein holländisches Warengeschäft zunächst in der Deichstraße 23, dann in der Caffamacherreihe 23 und im Valentinskamp 24.

Ihr erstes Kind, Tochter Bella, wurde am 17. September 1893 geboren, Julius Hermann folgte am 4. November 1895 im Valentinskamp, er starb am 11. August 1902 und wurde nur sechs Jahre alt. Der Jüngste, Manfred, kam am 7. Februar 1902 in der Kleinen Gärtnerstraße 85 (heute Stresemannstraße) in Altona zur Welt. Eduard Nathan spezialisierte sich als Makler auf den Handel mit Sohlenleder en gros, er besaß 1906 zwei Lederlager am Hopfenmarkt 18/20 und am Brook 8. Ab dieser Zeit wohnte Familie Nathan auch wieder in Hamburg, zunächst im Hahnentrapp 6, dann am Hopfenmarkt 28 und 1910 in der Mattentwiete 21.

Etwa um 1916 eröffnete Eduard Nathan eine Zweitniederlassung in Berlin-Charlottenburg in der Rosenstraße 17, die private Adresse lautete Clausewitzstraße 8.

1922 erwarb Eduard Nathan ein Haus in der Hamburger Altstadt am Cremon 10, im folgenden Jahr die vier nebeneinander stehenden Häuser in der Mattentwiete 14 bis 20.

Die Berliner Geschäfte übernahm sein Schwiegersohn David Schneemann (geb. 11.5.1891), seit 1924 Mitinhaber der Firma. 1928 verzeichnete ihn das Berliner Adressbuch als Alleininhaber in der Bleibtreustraße 45.

Eduard Nathan wurde zuletzt im Berliner Adressbuch von 1932 mit einer Ledergroßhandlung in der Neuen Friedrichstraße 27 verzeichnet, seine Frau Therese im selben Jahr unter der Anschrift Clausewitzstraße 8.

Vermutlich zog Therese Nathan nach dem Tod ihres Mannes wieder nach Hamburg. Wann Eduard Nathan starb, ließ sich nicht klären. Inzwischen waren Tochter Bella und Schwiegersohn David Schneemann mit ihren Kindern nach London verzogen. Ihr Bruder Manfred hatte am 2. Dezember 1933 in Berlin Elsbeth Bieber geheiratet und emigrierte nach Medellín in den Nordwesten von Kolumbien. Bereits 1931 waren die Häuser in der Mattentwiete auf die Namen ihrer Kinder Bella Schneemann und Manfred Nathan überschrieben worden. Die Verwaltung der Häuser übernahm der Makler John Elias, später die Firma Grube & Wasskewitz unter Aufsicht der "Hamburger Grundstücksverwaltung von 1938".

Therese Nathan lebte zuletzt in sehr ärmlichen Verhältnissen von 27 Reichsmark (RM) im Monat, da die Grundstücke in der Mattentwiete angeblich "sehr belastet" waren. In ihrer wohl ausweglos gewordenen Situation nahm sie sich am 12. April 1941 das Leben.

Ihre Kinder Bella und Manfred wurden, nach der 11. Verordnung des Reichsbürgergesetzes vom 25. November 1941, ausgebürgert. Ihr Grundbesitz in der Mattentwiete fiel an das "Deutsche Reich" und wurde während der Luftangriffe auf Hamburg ("Operation Gomorrha") im Juli/August 1943 zerstört.

Therese Nathan wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt, dort fand auch ihr Sohn Manfred Nathan 38 Jahre später seine letzte Ruhestätte.

Stand: September 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 2; 4; 9; StaH 332-5 Standesämter 2797 u 953/1892; StaH 332-5 Standesämter 2307 u 2338/1893; StaH 332-5 Standesämter 2376 u 3753/1895; StaH 332-5 Standesämter 5251 u 1442/1902; StaH 332-5 Standesämter 13242 u 2735/1979; StaH 332-5 Standesämter 690 u 532/1913; StaH 331-5 Polizeibehörde-Unnatürliche Sterbefälle 3 Akte 1941/516; StaH 314-15 OFP V1/221; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 385; http://www.jüdischer-friedhof-altona.de/img/Datenbanken/ilandkoppel_grabregister.pdf (Zugriff 12.3.2016); diverse Hamburger und Berliner Adressbücher.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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