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Emma Klapproth, Aufnahme vom 10.10.1930
Emma Klapproth, Aufnahme vom 10.10.1930
© StaH

Emma Clara Klapproth (geborene Pfannenberg) * 1866

Ditmar-Koel-Straße 12 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
EMMA CLARA
KLAPPROTH
GEB. PFANNENBERG
JG. 1866
EINGEWIESEN 1928
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 9.4.1943
HEILANSTALT OBRAWALDE
ERMORDET 4.9.1943

Emma Clara Klapproth, geb. Pfannenberg, geb. am 15.9.1866 in Reppichau/Anhalt, eingewiesen am 9.9.1927 in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg, verlegt in die Tötungsanstalt Meseritz-Obrawalde, ermordet am 4.9.1943

Ditmar-Koel-Straße 12

Emma Klapproth war am 15. September 1866 in der kleinen Ortschaft Reppichau, Kreis Dessau in Anhalt zur Welt gekommen. Ihre Eltern, der Pferdehändler Christian Franz Pfannenberg (geb. 15.10.1840) und Sophie Christiane Albertine, geb. Schröter (geb. 25.7.1845), hatten dort am 22. März 1866 geheiratet. Sie gehörten der evangelischen-lutherischen Kirche an und ließen ihre Tochter am 7. Oktober 1866 taufen. Nach Emma kamen noch weitere Kinder zur Welt: Franz (geb. 3.10.1868), Anna (geb. 6.5.1870, gest. 15.7.1879), Clara (geb. 25.8.1872) und Albert (geb. 7.10.1874).

Im Jahre 1884 hatte der Vater Franz Pfannenberg aus uns unbekannten Gründen eine Haftstrafe in Rendsburg verbüßt, zwei seiner Kinder kamen zu Verwandten in Pflege. Emma fand Aufnahme bei ihrer Tante, der Witwe Marie Amalie Nagel, geb. Schröter, die mit ihrer Nichte nach Dessau in die Akazienstraße 6 zog.

Als Emma Pfannenberg am 30. Juli 1904 in Hamburg heiratete (sie unterschrieb die Heiratsurkunde mit dem Namen Pfanneberg), war sie 37 Jahre alt und auf der Elbinsel Steinwärder (heute Steinwerder) in der Neuhoferstraße 38 gemeldet. Ihre Mutter war bereits in Zwochau bei Leipzig verstorben, der Aufenthalt ihres Vaters war ihr unbekannt.

Emma ging eine Ehe mit dem Kesselschmiedemeister Friedrich Karl Klapproth (geb. 12.3.1855 in Aschersleben) ein, der als Werkmeister tätig war und auf der anderen Seite der Elbe, Stubbenhuk 28, wohnte. Das Ehepaar zog 1910 in den Schaarsteinweg 33, wohnte 1912 in der Karpfangerstraße 4 und 1914 schließlich in der Ditmar-Koel-Straße 12.

Am 24. März 1925 traf Emma Klapproth ein Schicksalsschlag, ihr Ehemann starb im Hafenkrankenhaus nach einem Unglücksfall.

Nach etwas mehr als zwei Jahren am 9. September 1927 wurde Emma Klapproth auf Veranlassung des "Physikus Dr. Rautenberg" in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg mit der Diagnose "Wahnideen und Halluzinationen" eingewiesen. Von dort kam die damals 61-Jährige am 9. Juni 1928 in die Staatskrankenanstalt Langenhorn. Da Emma Klapproth oft über körperliche Beschwerden klagte, wurde während ihres Aufenthaltes in Langenhorn die Diagnose "Hypochondrische Depression im Präsenium" und "Psychogene Züge" gestellt. In ruhigen Phasen wurde sie als höflich und freundlich beschrieben, sie war geordnet und hielt sich von den anderen Patienten fern. Emma Klapproth wurde im Anstaltsbetrieb im Haushalt beschäftigt, wo sie sich als sehr fleißige und ordentliche Arbeiterin erwies. Da aber, wie in den Akten vermerkt wurde, mit ihrer Entlassung in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden konnte, wurde sie im November 1929 unter Vormundschaft gestellt. Im Oktober 1930 beschlagnahmte die Hamburger Baubehörde, Abteilung Wohnungsamt, nach einer richterlichen Verfügung ihre Wohnung in der Ditmar-Koel-Straße 12. Die dagegen eingereichte Beschwerde ihres bestellten Pflegers, des Obersekretärs der Wohlfahrtsbehörde W. Ehlers, fand keine Berücksichtigung. Er schrieb am 4. November 1930 an die Anstaltsleitung in Langenhorn: "In Sachen Emma Klapproth teile ich ergebenst mit, dass die Wohnung meines Pfleglings beschlagnahmt worden ist. Meine Beschwerde und auch meine weitere Rechtsbeschwerde sind verworfen worden. Es bleibt mir somit nichts anderes übrig, als die Wohnung zu räumen. Die Sachen werden versteigert werden müssen. Ich bitte höflichst, meinem Pflegling in zweckentsprechender Weise von der Sachlage zu unterrichten. Sollte mein Pflegling noch irgendwelche Wünsche äußern, bitte ich höflichst um sofortige Nachricht."

Im Laufe der nächsten acht Jahre scheint sich Emma Klapproths Gesundheitszustand nicht gebessert zu haben. Im Februar 1939 wurde in ihrer Akte vermerkt: "Patientin trägt allerlei mit trauriger Miene und gedrückter Stimme vor".

Am 28. August 1939 wurde Emma Klapproth zur Entlastung der Staatskrankenanstalt Langenhorn, im Jahr zuvor in Heil- und Pflegeanstalt umbenannt, in das diakonische Erziehungs- und Pflegeheim Sankt Anscharhöhe in der Tarpenbeckstraße 107 in das Emilienstift verlegt (eine von Emilie Auguste Jenisch im Jahre 1883 ursprünglich für "gefallende" Mädchen gegründete Einrichtung). Die Frauen waren dort sehr einfach untergebracht, die medizinische Kontrolle fand nur alle vier bis sechs Wochen durch den stellvertretenden ärztlichen Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn statt.

Emma Klapproth wurde wieder im Anstaltsbetrieb beschäftigt, in der Küche und in einer Außenkolonne, wahrscheinlich in der Landwirtschaft. Eine der dortigen Pflegerinnen, "Schwester Gertrud", vermerkte, sie neige nun zeitweise zur Aggressivität gegen ihre Mitpatientinnen. "Sie wird sehr laut und ausfallend. In der letzten Zeit hat sie verschiedentlich Packungen bekommen." Packungen waren als Bestrafung gedacht, die betroffenen Personen wurden in nasse Tücher gerollt, die sich beim Trocknen schmerzhaft zusammenzogen.

Durch die Neubelegung des Emilienstiftes seitens der Hamburger Jugendbehörde kam Emma Klapproth am 10. Oktober 1942 zurück in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn. Bereits zwei Jahre zuvor, am 15. Oktober 1940, hatte die Anstaltsleitung einen "Meldebogen" über die Patientin Emma Klapproth ausgefüllt. Ob dieser dann tatsächlich an die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin abgeschickt wurde, wo "Gutachter" beurteilten, wer zum Zweck der Tötung in eine dafür vorgesehene Anstalt in Betracht kam, ist nicht überliefert.

Emma Klapproth wurde am 9. April 1943 mit einem Sammeltransport in die Landesheilanstalt Meseritz-Obrawalde in die Nähe der deutsch-polnischen Grenze verlegt. Die Anstalt war eine von vier medizinischen Einrichtungen in den besetzten Ostgebieten, wo nun im Rahmen des "Euthanasie"-Programms durch Ärzte und Pflegepersonal gezielt getötet wurde. Überlebenschancen der Patientinnen und Patienten hingen von ihrer Arbeitskraft und Unterordnungsbereitschaft ab. Die Tötungen erfolgten nach der Selektion des ärztlichen Leiters Theophil Mootz überwiegend durch Medikamente wie Morphium und Luminal, die in tödlicher Dosis gespritzt wurden. Dem zuständigen Standesamt wurde dann eine natürliche Todesursache gemeldet.

Emma Klapproth starb wenige Tage vor ihrem 76. Geburtstag am 4. September 1943. Die offizielle Todesursache lautete "Herzklappenfehler". Sie wurde auf dem Anstaltsfriedhof, vermutlich in einem Massengrab, beerdigt.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 332-5 Standesämter 3023 u 797/1904; StaH 332-5 Standesämter 896 u 161/1925; StaH 352-5 Todesbescheinigung 1925, Sta. 2 Nr. 161; StaH 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995, 17456; Patientenakte aus der ehemaligen Landesheilanstalt Meseritz-Obrawalde, Akten-Nr. 1841; http://www.anscharhoehe.de/images/stories/anscharhoehe/aktuell/festschrift_jun2011.pdf (Zugriff
am 4.7.2014); http://gedbas.genealogy.net/person/ancestors/999471966 (Zugriff am 1.8.2014); Auskünfte von Ulf Schröter, E-Mail von 8.8.2014; Bake: Emilie Auguste Jenisch, in: Kopitzsch/Brietzke (Hrsg.): Biografie, Band 2, S. 201; Wunder: Karriere, S. 118–119; Wunder: Transporte, S. 377–382.

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