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Bereits verlegte Stolpersteine



Porträt, Ausweisbild Kurt Holger Schmahl
Ausweisbild Kurt Holger Schmahl
© NIOD Amsterdam

Kurt Holger Schmahl * 1910

Isestraße 57 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
KURT HOLGER
SCHMAHL
JG. 1910
FLUCHT 1934 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1944
AUSCHWITZ
ERMORDET 8.4.1945
MAUTHAUSEN

Weitere Stolpersteine in Isestraße 57:
Paula Kaczar, Salomon Kaczar, Hertha Müller, Marianne Müller, Otto Müller, Sophie Müller, Wilhelm Müller

Kurt Holger Schmahl, geb. 18.1.1910 in Kopenhagen, 1934 Flucht in die Niederlande, 1944 vom Durchgangslager Westerbork nach Auschwitz deportiert, ermordet im Konzentrationslager Mauthausen/Österreich 8.4.1945

Isestraße 57

Im Juni 1933 stellte der gerade 23-jährige Kurt Holger Schmahl an den Präsidenten des Landesfinanzamts Unterelbe das Gesuch, 35.000 Reichsmark (RM) aus seinem Vermögen freizustellen. Er wolle sich an einem Textil-Engros-Geschäft im Saargebiet beteiligen, nachdem er Ende 1932 seine Arbeitsstelle als Angestellter des Bankhauses Simon Hirschland verloren habe und nun in der Exportfirma seines Stiefvaters tätig sei. In dem Schreiben heißt es: "Leider liegt das Geschäft [meines Stiefvaters] seit längerer Zeit derartig danieder, daß ich nicht nur für meinen eigenen Lebensunterhalt sorgen, sondern auch meine Eltern unterstützen muss. ... Ich bitte meinem Gesuch deshalb gütigst stattzugeben, weil ich nach langem Suchen endlich eine Existenzgrundlage gefunden habe, die es mir ermöglicht, meinen hiesigen Verpflichtungen nachzukommen."

Wie bereits sein Vater und seine beiden Großväter war Kurt Holger Schmahl Kaufmann von Beruf. Nach dem Besuch der Bertramschule, einer privaten Vorschule für Knaben, die als "Geistesschmiede der Hamburger Eliten" galt, war er Schüler des Heinrich-Hertz-Realgymnasiums gewesen. Wo er seine kaufmännische Ausbildung absolvierte, wissen wir nicht.
Sein Vermögen, das zum Zeitpunkt des erwähnten Antrages 40.410 RM betrug, hatte ihm sein Vater vererbt. Alfred Schmahl, am 8.7.1879 in Hamburg geboren, lebte seit spätestens 1899 in Kopenhagen. Er war mit der aus Straßburg stammenden Clara Baer verheiratet (geb. 8.8.1881). Am 18.1.1910 wurde Kurt Holger in Kopenhagen geboren. Im Dezember 1913 zog die Familie nach Hamburg, wo die Firma Alfred Schmahl Werkzeugmaschinen im Hamburger Adressbuch ab 1915 eingetragen war.
Alfred Schmahl kämpfte als Soldat im Ersten Weltkrieg und erlag am 10. Dezember 1916 in einem französischen Lazarett den Verwundungen, die er sich in der Schlacht an der Somme zugezogen hatte. Posthum verlieh ihm der Kaiser das "Königlich Preußische Eiserne Kreuz 2. Klasse", die Hansestadt Hamburg ehrte ihn mit dem Hanseatenkreuz. In der Abschrift seiner Sterbeurkunde vom 4. Januar 1917 steht: "Alfred Schmahl, Kaufmann, Klosterallee 13, Sohn des Kaufmanns Julius Schmahl, verstorben in Kopenhagen und der Selma, geb. Israel, wohnhaft in Kopenhagen."

Nachdem Kurt Holger Halbwaise war, führte offenbar seine Mutter das Geschäft weiter. Jedenfalls verzeichnete sie das Hamburger Adressbuch bis 1919 als Inhaberin, bis 1924 folgte Simon Islar als Inhaber. Eventuell war dieser ein Freund der Familie, denn er fungierte als Trauzeuge, als Clara Schmahl am 15. April 1922 den Kaufmann Iwan (genannt Hans) Hess heiratete. Iwan Hess war Inhaber der Außenhandelsfirma J. de Lemos & Hess, "früher eines der bedeutendsten Hamburger Im- und Exporthäuser". Er hatte ebenfalls einen Sohn aus erster Ehe, den 1899 geborenen Harald Heinrich Hess. Iwan Hess war mit Emma, geb. Nahm, verheiratet gewesen. Ob die Ehe geschieden wurde oder Emma Hess gestorben ist, wissen wir nicht.
Kurt Holgers elf Jahre älterer Stiefbruder, von Beruf Prokurist, heiratete 1929 die in Südafrika geborene Helga Daniel. Sein Vater war Trauzeuge. Im Januar 1934 lebte Harald Hess in Berlin, danach verliert sich seine Spur. Vielleicht gelang ihm die Auswanderung in ein sicheres Zufluchtsland.
Da der geplante Einstieg Kurt Holger Schmahls in die Textilfirma im Saargebiet nicht zustande kam und ihm "eine wirtschaftliche Betätigung im Reiche als Nichtarier nicht möglich" war, wanderte er, nachdem er alle bürokratischen Hürden genommen hatte, im Januar 1934 in die Niederlande aus. Er gründete in Amsterdam eine Vertretung der Leuen-Öl-Gesellschaft Armin Funk und Co., die in Hamburg raffinierte und verarbeitete Öle vertrieb. Seine Firma nannte er Amoline Olie Maatschappij. Um Fässer und Kanister, Laborinstrumente und eine Büroeinrichtung mitnehmen zu können, gab er einen Großteil seines Vermögens aus. Seinen Chrysler-Personenkraftwagen verkaufte er und schaffte sich ein kostensparendes kleineres Auto an. Ob er in den Niederlanden wirtschaftlich erfolgreich war, lässt sich aus den vorhandenen Akten nicht ersehen. Eine Notiz, datiert vom Januar 1936, besagt, dass die Hamburger Mineralölwerke Albrecht & Co. die Firma Amoline nicht mehr belieferten. Kurze Zeit später konnte Kurt Holger Schmahl die Prämien für die Lebensversicherung seiner Mutter nicht mehr bezahlen, eine Verpflichtung, die er seit Sommer 1933 vom Stiefvater übernommen hatte, um diesen finanziell zu entlasten. Doch trotz seiner schwierigen Lage schickte er seiner Mutter weiterhin Geld. Von April 1936 bis September 1938 sind regelmäßige Schenkungen dokumentiert.
Im April 1939 wurde Iwan Hess` Unternehmen liquidiert, Ende August reisten er und seine Frau zu ihrem Sohn in die Niederlande aus. Jedoch währte das gemeinsame Leben in Amsterdam nicht lange. Clara Hess starb am 27. September 1942, ihr Mann wurde 1943 im Durchgangslager Westerbork interniert, am 27. April 1943 nach Sobibor deportiert und ermordet.
Kurt Holger Schmahl geriet im Januar 1944 in Amsterdam in Polizeihaft. Von Westerbork aus musste er wenige Tage später die Fahrt nach Auschwitz antreten. Dort ist er vom 16. Februar bis zum 8. März 1944 im Krankenrevier Monowitz verzeichnet. Ein Jahr später, am 24. Februar 1945, wurde er im österreichischen Konzentrationslager Mauthausen in die Liste der "Zugänge" eingetragen. Sein Beruf ist mit Maler und Glaser angegeben. Vielleicht hatte er sich mit diesen Fähigkeiten in Auschwitz vor der sofortigen Ermordung retten können.
Kurt Holger Schmahl starb einen Monat vor der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen am 8. April 1945, gerade 35 Jahre alt.

Stand November 2015

© Sabine Brunotte

Quellen: 1; 5; www.joodsmonument.nl, Zugriff 4.11.2014; StaH 314-15 OFP F 2183; StaH 332-5 8939; StaH 362-2/19 24 Bd.1; StaH 332-5 13088; StaH 332-5 8765; StaH 332-5 13040; schriftliche Auskunft Jüdisches Museum Kopenhagen, E-Mail vom 10.11.2014; schriftliche Auskunft USHMM, E-Mail vom 13.11.2014; schriftliche Auskunft Gedenkstätte Westerbork, E-Mail vom 17.11.2014; http://agora.sub.uni-hamburg.de Hamburger Adressbücher 1915 bis 1922, Zugriff 18.11.2014; schriftliche Auskunft Gedenkstätte Mauthausen, E-Mail vom 1.12.2014; Schriftliche Auskunft Service des Archives Strasbourg, E-Mail vom 3.12.2014; Maria Koser/Sabine Brunotte, Stolpersteine in Hamburg-Eppendorf und Hamburg-Hoheluft-Ost, Band 1 S. 196 ff., Beitrag Johannes Grossmann über Iwan gen. Hans Hess; Artikel des Hamburger Abendblatt vom 12.08.2003 über die Bertramschule online, Zugriff 29.12.2014.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Rechercher und Quellen".

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