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Bereits verlegte Stolpersteine



Fred Stern, 1937
Fred Stern, 1937
© Privatbesitz

Fred Stern * 1911

Revaler Straße /Ecke Stiftstraße (Hamburg-Mitte, St. Georg)


HIER WOHNTE
FRED STERN
JG. 1911
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
23.3.1944

Fred Stern, geb. 13.5.1911 in Altona, gedemütigt, entrechtet, Flucht in den Tod am 23.3.1944

Revaler Straße/ Ecke Stiftstraße (Hamburg-Mitte, St. Georg)

Fred Stern wurde als drittes Kind der jüdischen Witwe Rosa Stern, geb. Gumpel (siehe www.stolpersteine-hamburg.de ) am 13. Mai 1911 in Hamburg Altona in der Wohnung und Praxis der christlichen Hebamme Dorothea Jensen geboren. Da er unehelich zur Welt kam, erhielt er als Nachnamen den Mädchennamen seiner Mutter und hieß mit vollem Namen Richard Fred Gumpel. Auf seinem Geburtseintrag 966/1911. Altona 1 ist mit Datum 10. April 1926 vermerkt, dass er auf Beschluss der Senatskommission für die Justizverwaltung den Namen "Stern" tragen dürfe, wie seine Mutter und seine älteren Geschwister Hans und Greta Stern auch.

Hans (1900) und Greta (1902) Stern waren die Sprösslinge aus Rosa Sterns Ehe mit dem Kaufmann Moritz Stern, der 1907 in Hannover verstorben war und nach dessen Ableben sie mit ihren beiden Kindern nach Hamburg zurückgekehrt war.

Eine länger währende Beziehung ging Rosa Stern, geb. 17. Juni 1870 in Hamburg wohl nie ein, aber der 14 Jahre jüngere, evangelische Erzeuger zahlte laut einer Unterhaltsbescheinigung, ausgestellt am 24.9.1940 durch das Amtsgericht Hamburg, einige Jahre Alimente, erkannte die Vaterschaft jedoch nie offiziell an.

Rosa Stern war nun alleinerziehende Mutter von drei Kindern und erarbeitete den Lebensunterhalt als selbständige Schneiderin. Zum Zeitpunkt von Freds Geburt wohnte die Familie im Grindelhof 81, gleich neben dem Durchgang zu den Terrassenhäusern Grindelhof 83, wo Rosas Stiefvater Schmay Liebreich mit seiner Tochter und jüngeren Schwester der Rosa Stern, Mary Liebreich, lebte. Tür an Tür lebten sie außerdem mit Jeannette Ascher, mit der sich Rosa Stern insgesamt 15 Jahre bis zu deren Tod im Jahre 1925 Wohnungen teilte. Der Sohn der Jeannette Ascher, Alfons David Ascher (geb. 10.7.1888 in Hamburg, gest. 15.12.1942 im KZ Auschwitz) heiratete später Fred Sterns ältere Schwester Greta, die Ehe wurde allerdings nach 3 Jahren wieder geschieden.

Fred Stern war ein kränkliches Kind, das auf ärztliche Empfehlung hin 1922 zur "Sommerpflege", einer Kinderkur, geschickt wurde. Seine Mutter erhielt Zuschüsse zu den Kurkosten in Höhe von 800 RM von der Jüdischen Gemeinde und den Rest vom staatlichen Wohlfahrtsamt, da sie selbst den Betrag nicht aufbringen konnte.

Seine Schulbildung erhielt Fred Stern als "Freischüler" (= vom Schulgeld befreit) der Anton-Ree-Schule am Zeughausmarkt, die er aber vor dem Abitur verließ, um eine Lehre als Klempner anzutreten. Am 1.4.1927 begann der inzwischen 16jährige seine Lehre bei Klempnermeister Carl Müller in Buxtehude. Er blieb bei seiner Mutter gemeldet, die inzwischen mit Jeannette Ascher und ihrem Sohn Hans Stern im Schlüterweg 6 wohnte. Seine Mutter wusch ihm die Wäsche, wenn er an Wochenenden nach Hause kam.

Ostern 1931 beendete er seine Lehre und kehrte am 1.4.1931 nach Hamburg zurück. Seine Mutter wurde am 14.8.1931 aus der Wohnung im Schlüterweg 6 "ausgesetzt", nachdem sie nach Jeanette Aschers Tod die Miete nicht mehr zahlen konnte und über mehrere Monate in Rückstand geraten war. Fred Stern hatte nach der Lehre keine Arbeit gefunden mietete sich ein Zimmer zur Untermiete in der Schenkendorffstraße. Seine Mutter kam zunächst bei ihrer Schwester Olga Wolf unter, der Bruder Hans Stern lebte zur Untermiete in der Isestraße.

Eine Arbeit fand Fred Stern wohl weiterhin nicht, aus den Einträgen in der Wiedergutmachungsakte seiner Mutter ersehen wir, dass er auch Ende 1933 noch arbeitslos war und sich zum freiwilligen Arbeitsdienst meldete. Allerdings erlitt er bald einen Unfall und musste für 7 Wochen ins AK Barmbek, von wo er am 15.2.1934 entlassen wurde.

Am 23.2.1935 heiratete Fred Stern die Tochter eines Bürodieners aus Barmbek, seine Mutter Rosa Stern war - neben dem Brautvater - Trauzeugin. Der erste Sohn dieser Ehe, Eugen, geb. 30.8.1935, verstarb bald nach der Geburt, doch schon im Juni 1936 kam ein zweiter Sohn zur Welt, den das Ehepaar taufen ließ. Einer der Taufzeugen war Freds jüdischer Bruder Hans Stern.

Nachdem die Nationalsozialisten im September 1935 das "Reichsbürgergesetz", also die Rassengesetze verkündet hatten und Fred Stern als "Halbjude" galt, wurde die Ehe auf Betreiben einer Nichtigkeitsklage des Staatsanwaltes durch das Landgericht Hamburg (11R / 151 / 38) mit Wirkung zum 1.8.1938 "beiderseits schuldig" geschieden. Trotz mehrmaliger Anträge auf Erlaubnis zur Wiederverheiratung durfte das Paar keine neue Ehe miteinander eingehen. Sie wohnte jedoch weiterhin zusammen und zogen im Mai 1939 von Oben Borgfelde in die Revalerstraße 29. Als am 17.5.1939 die Volkszählung durchgeführt wurde, lebte Fred Stern unter dieser Anschrift.

Im Juni 1939 arbeitete er bei dem Klempner Schlemann in der Dorotheenstraße. Offiziell muss er außerdem Alimente für seinen Sohn zahlen, obwohl er mit seiner Ehefrau und seinem Sohn zusammenlebte.

Im Mai 1940 wurde Fred Stern zur Wehrmacht einberufen, aber ab 24. Juli 1940 zurückgestellt. Im August 1940 wurde ein weiterer Sohn geboren, der allerdings aufgrund der Zwangsscheidung als unehelich galt und den Mädchennamen der Mutter als Nachnamen tragen musste. Fred erkannte die Vaterschaft allerdings erst 1942 an, aus Gründen, die wir nicht kennen. Vom 2.9.1940 datiert eine neue Erkennungsmarke der Wehrmacht, am 24.9.1940 versuchte Fred Stern nachzuweisen, wer sein Vater war. Am 2.11.1940 bescheinigte die Wehrmacht seinen "unehrenhaften Abgang", und ab Dezember 1940 wurde er auf der Kultussteuerkarte seiner Mutter bei der Jüdischen Gemeinde Hamburgs eingetragen, wo seit ihrer dortigen Anmeldung im Jahre 1915 nur die "rein-jüdischen" Kinder Hans und Greta aus ihrer ersten Ehe vermerkt waren.
Der Grund für diese Abfolge der Ereignisse lag darin, dass "Halbjuden", die als "Mischlinge ersten Grades" galten, in der Wehrmacht dienen sollten und zunächst auch einberufen wurden. Kurz darauf entschied Adolf Hitler jedoch, dass sie nicht wehrwürdig seien und diejenigen, die nicht am Frankreichfeldzug teilgenommen und sich dort ausgezeichnet hatten, wurden wieder entlassen. Bei Fred Stern kam jedoch ein Weiteres hinzu: Die Nationalsozialisten hatten in den Ausführungsverordnungen zum Reichsbürgergesetz festgelegt, dass das uneheliche Kind einer Jüdin als jüdisch anzusehen war. So wurde er in der Kartei der Jüdischen Gemeinde registriert.

Ab September 1941 musste seine Mutter den "Judenstern" tragen, am 15.7.1942 wurde sie mit ihren Geschwistern Betty Worms und Siegfried Liebreich nach Theresienstadt deportiert.

Zur Zeit der Bombardierungen 1943 wohnte Fred Stern bereits in einem Zimmer in der Eppendorfer Landstraße, während seine Frau mit den beiden Söhnen in der Revalerstraße 29 geblieben war. Sein noch lebender ältester Sohn erinnert sich, dass sie den Vater oft dort besucht hatten und er ein Motorrad im Zimmer stehen hatte.

Zur Zeit der alliierten Luftangriffe (Operation Gomorrha) drängte er seine Frau, den Evakuierungsaufrufen zu folgen und mit den Söhnen nach Osten zu flüchten, was sie nach längerem Zögern auch tat.

Fred Stern konnte während der Abwesenheit seiner Familie weiterhin unter dem Schutz seines Arbeitgebers arbeiten und bewohnte dort auch ein Zimmer. Am 23.3.1944 tauchte die Gestapo dort auf, um ihn zu verhaften, zog aber zunächst unverrichteter Dinge ab, da sie ihn nicht antrafen. Bei der Rückkehr an seine Arbeitsstelle wurde er sofort informiert und nahm sich das Leben. Auf seinem Sterbeeintrag wird als Todesursache "Kohlenmonoxyd-Vergiftung" genannt. Er hinterließ ein kurzes handgeschriebenes Testament:

Lever doot as Sklav
23/3/44, 14:45 Uhr
Fred Stern
Letzter Wille!
Eigentümer meiner sämtlichen Sachen ist mein Sohn (Name aus Datenschutzgründen hier nicht genannt) in Westpreussen.
Hamburg, den 23.3.44
Fred Stern

Wie seine Frau vom Tode ihres Mannes erfuhr, wissen wir nicht. Sie reiste jedoch hochschwanger mit der Bahn nach Hamburg und nahm am 29.3.1944 an der Beerdigung auf dem Ohlsdorfer Friedhof teil, die sein Bruder Hans Stern organisiert hatte. Ihr wurden während des Aufenthaltes auch einige Unterlagen ausgehändigt, u.a. sein Ausweis und ein Sparbuch bei der Postbank. Sie veräußerte außerdem sein Motorrad und kehrte schnellstmöglich zu ihren Söhnen zurück, wo sie dann wenige Tage später ihre Tochter gebar. Die Vaterschaft für diese Tochter konnte Fred Stern nie mehr anerkennen.

Seine Ehefrau und die drei Kinder überlebten und kehrten kurz vor Kriegsende schwer traumatisiert nach Hamburg zurück. Den Kindern, auch wenn als nicht-ehelich geltend, wurde im Zuge der Wiedergutmachung Waisenrente zugesprochen.

Es sei noch bemerkt, dass auf seinem Sterbeeintrag festgehalten ist, dass Fred Stern evangelisch-lutherischer Religion gewesen sei. Eine Taufe konnte aber weder in Hamburg, noch in den Kirchenkreisen im Umkreis nachgewiesen werden.

Stand: Februar 2022
© Carmen Fernandez

Quellen: Staatsarchiv Hamburg: Wiedergutmachungsakte Rosa Stern geb. Gumpel 351-11_1566; Wiedergutmachungsakte Fred Stern 351-11_36583; Wiedergutmachungsakte der Ehefrau (Datenschutz); Heiratseintrag Fred Stern 67/1935; Todesanzeige 332-5_64341; 522-1 Jüdische Gemeinden: Kultussteuerkarte Rosa Stern; Sterbeeintrag 496/1935, Eugen Stern; Standesamt Hamburg Altona: Geburtseintrag Fred Stern 966/1911; Grabregister Friedhof Ohlsdorf, 1944, Nr. 1186; Deutsche Dienststelle WASt, Aktenzeichen II B 219; Adressbücher Hamburg; Deportationsliste 15.07.1941 Theresienstadt; Unterhaltsbescheinigung Amtsgericht Hamburg 111 G 2552; Erinnerungen der noch lebenden Kinder des Fred Stern.

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