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Bereits verlegte Stolpersteine



Wilhelm Gaston Volk * 1906

Rademachergang 15 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
WILHELM G. VOLK
JG. 1906
IM WIDERSTAND / RFB
VERHAFTET 28.2.1933
FALSCHE VERDÄCHTIGUNG
POLIZISTENMORD
UNTERSUCHUNGSGEFÄNGNIS
HOLSTENGLACIS
HINGERICHTET 8.8.1933

Wilhelm Gaston (Guillaume) Volk, geb. am 17.12.1906 in Straßburg, Haft 1933, hingerichtet am 8.8.1933 im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis

Rademachergang 15 (Rademachergang 35)

Die seit der Jahrhundertwende bestehenden Sanierungspläne, das nördliche Gängeviertel aus hygienischen und städtebaulichen Überlegungen abzureißen, wurden von den Nationalsozialisten gleich nach ihrer Machtübernahme umgesetzt. Das Arbeiterviertel mit seinen unübersichtlichen engen Gassen und verwinkelten Hinterhöfen galt den neuen Machthabern als Brutstätte des Kommunismus, als Hochburg der KPD. Die heutigen viergeschossigen Backsteinbauten im Rademachergang, Breiter Gang und Kornträgergang entstanden zwischen 1933 und 1936. Die alten Bewohnerinnen und Bewohner des Gängeviertels wurden in die Stadtrandsiedlungen verdrängt. Auch der Schornsteinfeger Gaston Volk aus dem Rademachergang 35 musste seine Wohnung verlassen. Als er am 24. März 1933 verhaftet wurde, wohnte er in der Hohenfelderstraße 1 im Stadtteil Hohenfelde.

Wilhelm Gaston Volk war am 17. Dezember 1906 in Straßburg zur Welt gekommen, seine Eltern hatten am 17. September 1904 im Elsass geheiratet. Die Mutter Elisabeth Volk, geb. Lamm (geb. 25.12.1877), stammte aus Zabern im Unterelsass. Der Vater Albert Volk (geb. 30.8.1882) war in Kehl/Kreis Offenburg in Baden geboren worden. Er kam ohne seine Familie 1922 nach Hamburg. Albert Volk eröffnete 1932 in der Caffamacherreihe 71 eine zoologische Handlung. In früheren Jahren war er im Metallverband gewerkschaftlich organisiert und bis zum Verbot 1933 Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschland (KPD). Gaston Volk folgte 1927 seinem Vater von Karlsruhe nach Hamburg. Auch er war politisch aktiv, in der KPD und innerhalb des Roten Frontkämpferbundes (RFB) in einer sogenannten Zelle im Gängeviertel der Hamburger Neustadt. Mit 23 Jahren heiratete er am 7. Juni 1929 die fünf Jahre ältere Agnes Dittmann, die in Ehrenbreitstein/Kreis Koblenz geboren worden war.

Der RFB hatte sich 1924 in der Weimarer Republik gegründet und war die Schutz- und Wehrorganisation der KPD; seine Mitglieder sicherten Kundgebungen, verteilten Flugblätter und lieferten sich vor allem mit Nationalsozialisten erbitterte Straßenkämpfe. Gegenseitige Überfälle auf sogenannte Sturmlokale waren an der Tagesordnung, so auch am 28. Februar 1933. An diesem Abend kurz nach 23 Uhr verübten Mitglieder des 3. Verbandes der RFB-Einheit von St. Georg und Hammerbrook einen bewaffneten Überfall auf das "SA-Verkehrslokal" von W. Husen in der Woltmannstraße 27. Bei dem Überfall, nach ihrem Verständnis eine Gegenmaßnahme, weil kurz zuvor Nationalsozialisten ein KPD-Lokal angegriffen hatten, wurde der vor dem Lokal postierte Polizeihauptwachtmeister Kopka angeschossen. Er erlag am folgenden Tag seinen Verletzungen, konnte aber noch eine Täterbeschreibung der beiden Männer abgeben, die er auf der Straße vor dem Lokal angesprochen hatte. Der eine sei ein kräftiger junger Mann in einem grünen Hemd gewesen, der andere kleiner, "ohne Wäsche". Beide seien sie aus Richtung der Süderstraße gekommen. Ob die anderen Personen, die sich zu zweit oder dritt in der Nähe aufhielten, auf ihn geschossen hätten, konnte er nicht mit Bestimmtheit angeben.

Am 24. März 1933 wurde Gaston Volk als verantwortlicher Sturmführer dieser RFB-Einheit festgenommen (dort Gaston Gerste genannt) und in dem folgenden, mehrere Tage dauernden Prozess mit insgesamt 17 Angeklagten (s. Stolpersteine in St. Georg, über Hugo Feddersen) beschuldigt, zusammen mit dem flüchtigen Erich B. den Polizeihauptwachtmeister Kopka vorsätzlich und mit Überlegung getötet zu haben. Der Staatsanwalt forderte am 22. Juli 1933 wegen "gemeinschaftlichen Mordes" und "schwerem mit Schusswaffen begangenen Landfriedensbruch" für Gaston Volk die Todesstrafe, obwohl ihm das Tötungsdelikt nicht nachgewiesen werden konnte.

In einem Gnadengesuch an den Generalstaatsanwalt Drescher und in einem Brief an seine Ehefrau versicherte Gaston Volk, er habe nicht auf den Polizeibeamten geschossen. Er glaubte noch an eine "günstige Wendung seines Schicksals", selbst als er am 8. August 1933 kurz vor 7 Uhr aus der "Armensünderzelle" Nr. 56 geholt wurde, hoffte er auf eine Begnadigung, obwohl der Generalstaatsanwalt ihm schon einen Tag zuvor mitgeteilt hatte, dass Reichsstatthalter Karl Kaufmann (geb. 1900, gest. 1969) von seinem Gnadenrecht keinen Gebrauch mache. Bereits am Vorabend hatte er sich von seiner Frau Agnes und seinem Vater Albert verabschiedet. Seine letzte Nacht verbrachte er mit dem Gefängnisgeistlichen Pastor Lüder. Wie ein anwesender Gefängnisbeamter protokollierte, habe er sich aufrecht und ohne einen Ton zu sagen auf das "Schafott" führen lassen. Auch als ihm die Gurte umgelegt wurden, habe er keinen Widerstand geleistet. Gaston Volk war der Erste, der nach 1917 mit der Guillotine, die extra dafür aus dem Kriminalmuseum geholt worden war, im Hof des Untersuchungsgefängnisses am Holstenwall von dem Magdeburger Scharfrichter Carl Gröpler (geb. 1868, gest. 1946 in der Strafanstalt Halle) hingerichtet wurde.

Agnes Volk zog nach der Urteilsvollstreckung in die Elbstraße 34 (heute Neanderstraße) und flüchtete 1936 in eine zweite Ehe, um weiteren Belästigungen seitens der Gestapo zu entgehen, wie sie nach dem Krieg in einem Antrag auf Wiedergutmachung angab. Auf die private Meinung des Sachbearbeiters, dass eine Verurteilung wegen Mordes vor 1933 ebenfalls mit dem Tod bestraft worden wäre, erwiderte sie: "Dass mein Mann des Landfriedensbruchs angeklagt wurde, erfüllt mich jedoch mit Stolz und beweist, dass er nicht gewillt war, das Nazi-Regime stillschweigend zu ertragen."

Agnes Herbst, verwitwete Volk, verstarb am 16. März 1964 in Hamburg. Ihre beiden Ehen blieben kinderlos.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 351-11 AfW 31408 (Volk, Gaston Wilhelm); StaH 351-11 AfW 6122 (Volk, Albert); StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht-Strafsachen 00244/39 Band 1-6; StaH 241-1 I Justizverwaltung 2540; StaH 332-5 Standesämter 1008 u 256/1933; StaH 332-5 Standesämter 13206 u 377/1929; Meyer: Nacht, S. 36, S. 227; Seeger/Treichel: Hinrichtungen, S. 34f.; Bästlein/Grabitz/Scheffler: "Für Führer, Volk und Vaterland, S. 349; Lange: Architektur in Hamburg, S. 68.

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