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Bereits verlegte Stolpersteine



Margot Posner * 1920

Hansastraße 28 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
MARGOT POSNER
JG. 1920
EINGEWIESEN 1940
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Margot Posner, geb. am 11.10.1920 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Stolperstein Hamburg-Harvestehude, Hansastraße 28

Margot Posner war das ältere der beiden Kinder von Max Eduard Posner, geboren am 3. Februar 1889 in Altona, und Käthe Sidonie (genannt Hede), geborene Frensdorff, geboren am 31. Dezember 1889. Margot wurde am 11. Oktober 1920 in Hamburg geboren. Ihr Bruder Edgar Harald Paul kam am 15. Mai 1927 zur Welt. Die Eltern bekannten sich zum jüdischen Glauben.

Max Eduard arbeitete in dem Unternehmen seines Vaters Eduard Posner, geboren am 12. September 1855, der einen bedeutenden Putzgroßhandel betrieb, d. h., er handelte mit Damenhüten, Blumen und Federn. Die Firma beschäftigte 200 Angestellte und 18 Reisende.

Das Ehepaar Posner hatte 1919 geheiratet und bei seiner Hochzeit von Max Eduards Vater ein Haus in der Hansastraße 28 geschenkt bekommen sowie von Käthe Sidonies Vater eine beträchtliche Mitgift erhalten. Zudem übernahm Max Eduard zu dieser Zeit das Geschäft von seinem Vater. Der Familie ging es materiell sehr gut.

Margot war am 10. September 1930 im Alter von zehn Jahren in den damaligen Alsterdorfer Anstalten aufgenommen worden, weil sie an einer geistigen Behinderung litt und einer vollständigen Betreuung bedurfte.

Nach 1933 entwickelten sich die Alsterdorfer Anstalten zu einem nationalsozialistischen Musterbetrieb, in dem eugenische Vorstellungen und damit einhergehend auch Zwangssterilisationen als "Verhütung unwerten Lebens" unterstützt wurden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Verfolgung der Jüdinnen und Juden im Deutschen Reich auch zu entsprechenden Maßnahmen in den Alsterdorfer Anstalten führte. Ein Urteil des Reichsfinanzhofs vom 18. März 1937 diente als Vorwand, die Entlassung aller Juden aus den Alsterdorfer Anstalten vorzubereiten. Pastor Friedrich Karl Lensch, der Leiter dieser Einrichtung, sah in dem Urteil die Gefahr des Verlustes der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit, wenn künftig Jüdinnen und Juden in der Anstalt bleiben würden. Ein Schreiben vom 3. September 1937 an die Hamburger Fürsorgebehörde enthielt 18 Namen von "jüdischen Zöglinge[n], welche hier auf Kosten der Fürsorgebehörde untergebracht sind." Darunter befand sich auch der Name von Margot Posner.

Sie wurde laut Eintrag auf ihrer "Erbgesundheitskarteikarte" am 31. Oktober 1938 aus Alsterdorf zunächst in das Versorgungsheim Oberaltenallee verlegt. So wie ihr erging es 14 weiteren Bewohnerinnen und Bewohnern aus Alsterdorf. Fast alle wurden dann in das Versorgungsheim Farmsen weiter verlegt. Margot Posner hingegen blieb wahrscheinlich in der Oberaltenallee. Im April 1940 konnten sich die Alsterdorfer Anstalten schließlich des letzten jüdischen Anstaltsbewohners entledigen.

Margots Eltern sahen ihre Tochter zum letzten Mal 1939 im Allgemeinen Krankenhaus Barmbek. Es ist nicht auszuschließen, dass ihr Aufenthalt dort im Zusammenhang mit dem Erbgesundheitsgesetz stand, nach dem zwangsweise unfruchtbar gemacht werden konnte, wer als "erbkrank" galt.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Margot Posner traf am 18. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September 1940 wurde sie mit weiteren 135 Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in die Gaskammer und tötete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Auf dem Geburtsregistereintrag von Margot Posner wurde notiert, dass das Standesamt Cholm II ihren Tod unter der Nummer 468/1941 registriert hat. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Cholm (deutsch), oder Chelm (polnisch) einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten fast alle Patienten am 12. Januar 1940 ermordet hatten. Auch gab es in Cholm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Margot Posners Eltern wurden über den Tod ihrer Tochter anscheinend nicht informiert. Seinen Antrag aus dem Jahr 1955, Margot für tot zu erklären, begründete Max Eduard Posner, inzwischen nannte er sich Max Parrey, damit, dass seine Tochter "unbekannten Ortes" deportiert worden und von ihr seitdem kein Lebenszeichen eingegangen sei.

Als 1933 die Macht an die Nationalsozialisten übergeben worden war, verkaufte Max Eduard Posner das Haus in der Hansastraße 28 und zog in die Isestraße 49. Wie er später berichtete, wurde er gezwungen, seine Ehrenämter im Bereich der Kinderfürsorge und als Meister der Freimaurerloge Bruderkette Elbe, Welkerstraße, niederzulegen. Aus seinem Unternehmen wurde er hinausgedrängt. Zuletzt musste er als Reisender in seinem früheren Unternehmen arbeiten. Der neue Eigentümer, Emil Meier, früher selbst Reisender in Max Eduard Posners Firma, betrieb das Unternehmen noch bis 1953. Auch sein Versuch, in Lokstedt eine Blechwarenfabrik aufzubauen, scheiterte aufgrund betrügerischer Handlungen des Geschäftsführers mit Namen Mohr.

Anfang 1939 verhaftete die Gestapo Max Eduard Posner und sperrte ihn für eine Nacht im Gefängnis Hütten in der Hamburger Neustadt ein. Am folgenden Tag wurde er im Stadthaus, der Hamburger Gestapo-Zentrale, geschlagen und gefoltert. Max Eduard Posner berichtete später: "Drei Beamte bearbeiteten mich, bis ich zusammenbrach. Alles was ich erinnere, das ich nach ca. 30 Tagen von zwei Beamten nach dem Freihaven gefahren wurde, wo ein weiterer Verhoer stattfand. Ich war sehr schwach u. wurde noch am selben Tage entlassen. Beim Fortgehen sagte man mir, dass mein Vater auf mich in einem anderen Raum wartet. Man hatte meinen alten Vater (85 Jahre) von meiner Privatwohnung abgeholt, ferner teilte man mir mit, dass meine Angelegenheit erledigt sei, dass eine Namensverwechslung vorlag." Es spielte keine Rolle, dass Max Eduard Posner als Soldat am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte und ausgezeichnet worden war. Seine Auszeichnungen und Ehrenurkunden wurden ihm bei seiner Verhaftung von der Gestapo abgenommen.

Max Eduard, seine Ehefrau Käthe Sidonie und deren Sohn Edgar Harald Paul konnten Deutschland am 19. November 1939 verlassen. Sie flüchteten in die USA. Eine Gedenktafel vor dem Grabmal der Familie Posner/Frensdorff auf dem Friedhof Ohlsdorf-Ilandkoppel erinnert an Margot Posner und weitere: Holocaust-Opfer dieser Familie: Julius Frensdorff, Rebecca Frensdorff, geborene Katz, Max Frensdorff, Ilse Frensdorff, geborene Fallek, Louis Frensdorff, Lilly Frensdorff, geborene Ballin, Ehrich Frensdorff, Inge Leven, geborene Frensdorf, Alfred Leven, Tana Leven (siehe jeweils dort).

An Margot Posner erinnert ein Stolperstein in der Hansastraße 28 in Hamburg-Harvestehude.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-5 Standesämter 6256 Geburtsregister Nr. 505/1889 Max Eduard Posner, 8735 Heiratsregister Nr. 798/1919 Posner/Frensdorff; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 43574 Posner, 11070 M. Parrey; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Aufnahmebuch, Erbgesundheitskarteikarte Margot Posner; Auskunft des Standesamts Hamburg-Mitte über Beischreibungen auf dem Geburtsregistereintrag von Margot Posner. Wunder, Michael/Genkel, Ingrid/Jenner, Harald, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 247ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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