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Bereits verlegte Stolpersteine



Ursula Salomon * 1934

Neuer Steinweg 6 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
URSULA SALOMON
JG. 1934
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Neuer Steinweg 6:
Paula Lewald

Paula Lewald, geb. Salomon, geb. am 14.6.1904 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Ursula Salomon, geb. am 22.7.1934 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Neuer Steinweg 6 (Neuer Steinweg 92)

Paula Lewald war eines von vielen Kindern des jüdischen Ehepaares Max Salomon (geb. 21.6.1863) und Auguste, geb. Josephsohn (geb. 26.2.1868). Ihr Vater hatte das Buchbinderhandwerk erlernt. Die Mutter war bis zur Heirat am 3. Mai 1888 als Dienstmädchen beschäftigt. Sie brachte eine voreheliche Tochter namens Bertha Josephsohn mit in die Ehe ein, die am 11. Januar 1886 in der Entbindungsanstalt in der Pastorenstraße 16 geboren worden war. Als Paula am 14. Juni 1904 im ehemaligen Gängeviertel der Neustadt zur Welt kam, wohnten ihre Eltern im Paradieshof 9, wo die Wohnverhältnisse weniger paradiesisch waren, als der Name vermuten lässt (der Paradieshof war ein ehemaliger Gang, der zwischen der heutigen Michaelisstraße und dem Alten Steinweg verlief). Mindestens sechs ihrer zwölf Kinder erlebten das Erwachsenenalter nicht. Paulas älterer Bruder Hermann (geb. 21.4.1889) wurde am 7. Dezember 1917 als Soldat im Ersten Weltkrieg getötet.

Paulas Eltern waren als ambulante Händler tätig und zogen innerhalb der Neustadt oft um, bis sie im jüdischen Gumpel-Stift eine Freiwohnung erhielten. Paula besuchte die Israelitische Töchterschule in der Carolinenstraße 35. Ob sie nach ihrer Schulzeit eine Ausbildung erhielt, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich musste sie schon früh auf eigenen Beinen stehen. Bis Oktober 1931 arbeitete sie als Packerin in der Zigarettenfabrik Reemtsma in Altona-Bahrenfeld.

Ihre Mutter Auguste war schon am 17. Juni 1921 im Alter von 53 Jahren verstorben, ihr Vater Max ging in den folgenden Jahren noch weitere Ehen ein. Paulas dritte Stiefmutter wurde am 6. Juni 1935 die Witwe Sara Selma Strohmeier, geb. Meier, geschiedene Pape (s. Sara Selma Salomon).

Paula verlobte sich mit dem nichtjüdischen Goldschmied Walter Flügel (geb. 17.6.1907). Ihre gemeinsame Tochter Ursula kam am 22. Juli 1934 zur Welt. Walter Flügel, seit 1930 als Bote beim völkischen antisemitisch ausgerichteten Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband beschäftigt (später von der Deutschen Arbeitsfront (DAF) übernommen), wurde am 1. Januar 1936 wegen seiner jüdischen Verlobten fristlos entlassen. Ein Kollege hatte ihn bei seinem Arbeitgeber denunziert. In der Folge trennte sich das Paar. Nach dem Hamburger Adressbuch wohnte Paula 1936 im Alten Steinweg 49. Sie erhielt Unterhalt für Ursula und arbeitete später in der Gewürz-Packerei von Alois Weiss, Alter Wall 60. Ihre letzte, nicht näher bezeichnete Tätigkeit war im Jüdischen Gemeinschaftshaus "Hellmanns Gaststätten" in der Hartungstraße.

Vielleicht lernte Paula dort ihren späteren Ehemann, den Kellner Walter Lewald kennen. Walter war eines von acht Kindern des jüdischen Ehepaares Ferdinand Lewald (geb. 5.3.1870 in Offenbach) und Johanna, geb. Os (geb. 4.6.1873 in Lingen). Als Walter am 1. März 1906 geboren wurde, arbeitete auch sein Vater als Kellner. Familie Lewald wohnte in der Kurzestraße 1 (heute Kurze Straße), später in der Grabenstraße 10 im heutigen Karolinenviertel.

Am 14. Juni 1938 geriet Walter Lewald im Rahmen der reichsweiten "Juni-Aktion", die sich gegen männliche "Arbeitsscheue" und Juden richtete, die irgendwann in ihrem Leben eine Vorstrafe erhalten hatten, in "Schutzhaft". In einem nach dem Krieg gestellten Wiedergutmachungsantrag schätzte er, dass es in Hamburg 180 vorbestrafte Juden waren, die wegen Bagatelldelikten, wie z.B. Verkehrsübertretungen, verurteilt wurden. "Ich erinnere den Direktor Tietz, der auf der Autobahn bei einem Verkehrsunfall eine nationalsozialistische Fahne gestreift hatte und deswegen in Haft genommen wurde. Die Haft bezweckte, uns zum Verlassen Deutschlands zu bewegen."

Walter Lewald wurde am 4. Februar 1939 aus dem KZ Sachsenhausen entlassen, da seine Eltern, unterstützt durch den Hilfsverein der deutschen Juden, die nötigen Vorbereitungen für die Emigration ihres Sohnes getroffen hatten. Da Walter Deutschland möglichst schnell verlassen musste, blieb als Zufluchtsort nur Shanghai, wo kein Visum benötigt wurde. Paula und Walter heirateten am 27. März 1939 und kurz darauf, am 12. April 1939, verließ Walter Hamburg in Richtung Shanghai, wohin sein Bruder Kurt Lewald (geb. 1.9.1907) bereits am 22. Januar 1939 mit dem Dampfer "Biancamano" über Genua entkommen war. Walters und Kurts älterer Bruder William (geb. 7.2.1902, gest. 27.7.1958), der eine Barkassenvermietung und Ewerführerei betrieben hatte, folgte ihnen im Mai. Ihre Schwester Elfriede Seligmann, geb. Lewald (geb. 18.6.1903), konnte ihren Brüdern folgen, nachdem sie am 12. Juni 1939 aus dem Frauenkonzentrationslager Lichtenburg entlassen worden war.

Auch Paula sollte mit Ursula folgen, doch bereits im September 1939, nach Kriegsbeginn, war es für eine legale Ausreise zu spät. Sie blieben in Hamburg im Neuen Steinweg 92 zurück. Am 31. Mai 1940 verstarb Paulas Vater im Alter von 77 Jahren. Max Salomon wurde neben seiner ersten Ehefrau Auguste auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beigesetzt.

Am 8. November 1941 wurde Paulas siebenjährige Tochter Ursula Salomon mit der Transportnummer 732 auf die Deportationsliste nach Minsk gesetzt. Unter der Nr. 733 war dort William Salomon (s. dort) aufgeführt, der nach der Hausmeldekartei seit Anfang 1940 bei ihnen wohnte.

Paula Lewald wurde dann auf die Nachtragsliste für denselben Transport gesetzt, der am 10. November 1941 das Getto im deutsch besetzten Weißrussland erreichte. Alle drei kamen dort ums Leben.

Welches Schicksal erlitten die übrigen Familienmitglieder?
Walter Lewald ging in Shanghai eine zweite Ehe mit der Berlinerin Jenny Cohn (geb. 29.12.1901) ein, ebenfalls eine jüdische Emigrantin. Der gemeinsame Sohn Eddie kam dort am 22. März 1941 zur Welt. Nach dem Krieg lebten sie vorübergehend in Israel. Walter Lewald kehrte 1951 nach Hamburg zurück, heiratete hier in dritter Ehe und starb am 30. Juni 1965.

Seine Eltern Ferdinand und Johanna Lewald waren am 15. Juli 1942 aus der Bundesstraße 35 nach Theresienstadt deportiert worden, wo sein Vater am 30. April 1943 starb; die Mutter wurde am 15. Mai 1944 in Auschwitz ermordet. Seine Schwester Elfriede Seligmann hinterlegte 1955 bei der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel Gedenkblätter für ihre Eltern, zwei weitere Brüder und eine Schwester. Margot Gerson, geb. Lewald (geb. 3.11.1909), wurde mit ihrem Mann Hans Gerson (geb. 24.6.1905) und ihrem noch nicht vier Monate alten Sohn Uri (geb. 14.3.1942) am 11. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert (Stolpersteine in der Bundesstraße 35).

Alfred Lewald (geb. 19.8.1886) wurde am 15. November 1942 ebenfalls in Auschwitz ermordet. Hans Lewald (geb. 17.6.1912) wurde am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Er starb am 19. Mai 1945 nach seiner Befreiung aus einem Güterwaggon durch amerikanische Truppen im oberbayrischen Seeshaupt am Starnberger See.

Paulas Schwester, Regina Bluhm, geb. Salomon (geb. 23.1.1899, später verheiratete Scheele), die im Oktober 1941 noch bei Paula gewohnt hatte, überlebte die Verfolgungszeit wie auch die schweren Luftangriffe auf Hamburg, bei denen sie durch einen Bombensplitter schwer verletzt wurde. Die Luftschutzwarte Bartels und Hoppe hatten ihr "brutal und rigoros" den Zutritt zum öffentlichen Luftschutzkeller im Neuen Steinweg 1 verweigert. "Aus Angst vor weiteren Maßnahmen gegen mich als Volljüdin, habe ich weitere Bunker nicht mehr aufgesucht und musste in der Wohnung bleiben." So auch während der Luftangriffsserie im Juli/August 1943 während der "Operation Gomorrha". In einem nach dem Krieg gestellten Wiedergutmachungsantrag wurde ihr unterstellt, nicht das Verbot, sondern Bequemlichkeit hätten sie vom Aufsuchen eines Luftschutzbunkers abgehalten. Der Anspruch auf Verletztenrente wurde abgelehnt "da nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwiesen ist, dass der Verlust des rechten Unterschenkels in Auswirkung nationalsozialistischer Verfolgung entstanden ist".

Eine weitere Schwester, Elsa Horn, geb. Salomon (geb. 6.8.1897), hatte mit ihrer Familie im Stadtteil Wilhelmsburg gewohnt, als die in "privilegierter Mischehe" lebenden Jüdinnen und Juden am 14. Februar 1945, noch kurz vor Kriegsende, in die Deportationen einbezogen wurden. Elsa Horn wurde am 8. Mai 1945 von sowjetischen Truppen im Getto Theresienstadt befreit.

An ihre Halbschwester Bertha Grünenklee, geb. Josephsohn, und deren Familie, die am 13. Dezember 1941 nach Riga deportiert und ermordet wurden, erinnern seit November 2012 Stolpersteine in Bad Oeynhausen im Stadtteil Volmerdingen. Von dort hatte eine weitere Schwester, Minna Salomon, im Mai 1939 nach England emigrieren können.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 5; 9; StaH 351-11 AfW 28497 (Lewald, Paula); StaH 351-11 AfW 28498 (Lewald, Walter); StaH 351-11 AfW 22508 (Scheele, Regina); StaH 351-11 AfW 16512 (Horn, Elsa); StaH 351-11 AfW 11291 (Haase, Caroline); StaH 351-11 AfW 25627 (William, Lewald); StaH 351-11 AfW 23655 (Helene, Börm); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1800 (Seligmann, Elfriede); StaH 332-5 Standesämter 1889 u 5769/1876; StaH 332-5 Standesämter 2094 u 3118/1885; StaH 332-5 Standesämter 2123 u 208/1886; StaH 332-5 Standesämter 2726 u 457/1888; StaH 332-5 Standesämter 14230 u 1357/1904; StaH 322-5 Standesämter 799 u 71/1917; StaH 332-5 Standesämter 3400 u 629/1921; StaH 332-5 Standesämter 840 u 295/1921; StaH 332-5 Standesämter 13432 u 840/1930; StaH 332-5 Standesämter 1005 u 743/1933; StaH 332-5 Standesämter 1023 u 292/1934; StaH 332-5 Standesämter 1122 u 239/1940; StaH 314-15 Abl. 1998 L919; StaH 522-1, Jüdische Gemeinden, 391 Mitgliederliste 1935; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 2 (Liste 2); StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 4; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5; StaH 314-15 Abl. 1998 L 861; StaH 332-8 Meldewesen (Hauskartei Neuer Steinweg 92); AB Hamburg; Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Alfred Lewald (Gedenkblatt); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Hans Lewald (Gedenkblatt); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Margot Gerson (Gedenkblatt); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Ferdinand Lewald (Gedenkblatt); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Hannchen Lewald (Gedenkblatt); Pabel: Straßennamen, S. 183; http://www.stolpersteine-badoeynhausen.de/html/grunenklee.html (Zugriff 4.12.2013).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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