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Bereits verlegte Stolpersteine



Porträt von Louis Sommer in jüngeren Jahren
Louis Sommer in jüngeren Jahren
© StaH

Louis Sommer * 1877

Grindelhof 12 (ehemals Hausnummer 14 b) (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
LOUIS SOMMER
JG. 1877
EINGEWIESEN 1913
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Louis Sommer, geb. am 20.8.1877 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Stolperstein Hamburg-Rotherbaum, Grindelhof, links von Hausnummer 12 (ehemals Hausnummer 14 B, Haus 16)

Die Schauenburger Straße, in der Louis Sommer im Jahre 1877 geboren wurde, liegt in Hamburgs Altstadt. Hier und in der Hamburger Neustadt konzentrierte sich in den 1870er Jahren die jüdische Bevölkerung Hamburgs. Louis’ Eltern waren der Schneider und Kleiderhändler Aron Sommer sowie die Schneidertochter Rebecca Rieke Pincus.

Über Louis Sommers Kindheit, Jugend und Schulbildung ist uns nichts bekannt. Der Commis (Handlungsgehilfe) Louis Sommer wohnte in der Straße Grindelhof im Hamburger Stadtteil Rotherbaum, als er im Frühjahr 1903 zum ersten Mal in der "Irrenanstalt Friedrichsberg" aufgenommen wurde. Die Diagnose lautete "Geistesschwäche". Unterbrochen von einigen Urlauben bei seinen Eltern verbrachte er zehn Jahre in Friedrichsberg. Im Juli 1913 wurde er in die "Irrenanstalt Langenhorn” überwiesen und blieb dort in den nächsten fünfzehn Jahren. Die Ärzte beschrieben ihn als "blass und schmächtig". Sein Verhalten soll teilnahmslos, aber auch erregt und gereizt gewesen sein. Zu einer Beschäftigung sei er nicht zu bewegen gewesen.

Mitte der 1920er Jahre stieg die Patientenzahl in der Staatskrankenanstalt Langenhorn drastisch an, so dass der Bedarf für eine dritte Heil- und Pflegeanstalt neben den bestehenden in Friedrichsberg und Langenhorn nicht mehr zu leugnen war. Statt für einen Neubau entschieden sich die Hamburger Behörden jedoch für Überweisungsvereinbarungen mit außerhamburgischen Einrichtungen, die daraufhin Patientinnen und Patienten aus Hamburg aufnahmen. Aufgrund einer Vereinbarung mit dem Land Lippe kamen 1928 fünfzig Langenhorner Patienten in die Fürstlich Lippische Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus bei Lemgo im heutigen Nordosten Nordrhein-Westfalens. Zu ihnen gehörte Louis Sommer, der am 4. Juni 1928 in der Anstalt Lindenhaus eintraf.

Bei seiner Aufnahme in der Lippischen Anstalt wurde ein schlechter Ernährungszustand festgestellt, der sich allmählich besserte.

Am 15. September 1930 kam Louis Sommer zurück in die Staatskrankenanstalt in Hamburg-Langenhorn. Auch hier stellten die Ärzte einen mäßigen Ernährungszustand fest. Louis Sommers Verhalten hatte sich gegenüber dem während seines früheren Aufenthaltes in Langenhorn nicht geändert.

Am 19. Januar 1933 wurde Louis Sommer in die Hamburger Abteilung der "Lübischen Heilanstalt Strecknitz" verlegt. Diese Abteilung war eine weitere wichtige Entlastungseinrichtung für die Anstalt in Langenhorn. Aufgrund eines Abkommens zwischen Hamburg und Lübeck hatte die Elbestadt in der Lübecker Heilanstalt Strecknitz den Neubau von Gebäuden mit Darlehen finanziert und sich dafür weitgehende Belegungsrechte für diese "Hamburger Häuser" gesichert.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Staatskrankenanstalt Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Louis Sommer traf am 16. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September 1940 wurde er mit weiteren 135 Patientinnen und Patienten aus norddeutschen Anstalten mit einem Zug nach Brandenburg an der Havel gebracht. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in die Gaskammer und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Louis Sommers Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es dort kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

An Louis Sommer erinnert ein Stolperstein in Hamburg-Rotherbaum, Grindelhof, links von Hausnummer 12 (ehemals Hausnummer 14 B, Haus 16).

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-3 Zivilstandsaufsicht B69 Heiratsregister Aron Sommer/Rebecca (Rieke) Pincus; 332-5 Standesämter 1898 Geburtsregister Nr. 3221/1877 Louis Sommer, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Zu-/Abgangsbuch 26. 8. 1939-27. 1. 1941; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 2/1995 6780 Louis Sommer; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Louis Sommer der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; IMGWF Lübeck, Archiv, Patientenakte Louis Sommer der Heilanstalt Lübeck-Strecknitz; Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Ostwestfalen-Lippe, L107_D_Nr5122, Louis Sommer, Lindenhaus; JSHD Forschungsgruppe "Juden in Schleswig-Holstein", Datenpool Erich Koch, Schleswig. Böhme/Lohalm, Wege in den Tod, S. 30; Foth, Thomas, Caring and killing – Nursing und Psychiatric Practice in Germany 1931–1945, S. 84, Osnabrück 2013. Bender, Wolfgang, Aus der Versenkung geborgen – Die Patientenakten der Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus, in: Rosenland, Zeitschrift für lippische Geschichte, (2011) 12, S. 53–56.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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