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Bereits verlegte Stolpersteine



Antonie Horwitz * 1864

Mittelweg 34 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
ANTONIE HORWITZ
JG. 1864
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 12.8.1942

Weitere Stolpersteine in Mittelweg 34:
Paul Eduard Horwitz

Paul Eduard Horwitz, geb. am 1.1.1876 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel
Antonie Horwitz, geb. am 26.10.1864 in Hamburg, ermordet am 12.8.1942 in Theresienstadt

Stolperstein Hamburg-Harvestehude, Mittelweg 34

Paul Eduard Horwitz kam am 1. Januar 1876 als Sohn des Kaufmanns Abraham Albert Siegmund Horwitz und seiner Ehefrau Ottilie, geborene Lasker, in Hamburg-Neustadt, Hohe Bleichen 39, zur Welt. Er hatte fünf ältere Geschwister, die ebenfalls in Hamburg geboren wurden: Friedrich Joseph, geboren am 21. März 1857, und Elise Zipora, geboren am 1. Juni 1858, beide geboren am Hopfenmarkt, sowie Siegmund Wilhelm, geboren am 17. Juni 1860, und Anna Friederike, geboren am 20. April 1862, beide geboren in der Straße Neuer Wall, und schließlich Antonie Louise, geboren am 26. Oktober 1864 in der Straße Neuer Jungfernstieg.

Paul Eduards Vater war am 7. Februar 1821 in Hamburg, seine Ehefrau Ottilie Lasker 1835 in Breslau geboren worden. Das dem jüdischen Glauben angehörende Brautpaar hatte am 11. Mai 1856 in Ottilies Geburtsstadt geheiratet. Am 20. Juni 1856 erhielt Abraham Albert Siegmund Horwitz den Hamburger Bürgerbrief.

Er handelte an verschieden Firmensitzen in der Hamburger Alt- und später in der Neustadt mit Farbwaren. Ab 1893 wechselten Wohn- und Firmensitz nach Harvestehude in den Mittelweg 34. Paul Eduards Vater war offenbar bis 1892/1893 beruflich tätig. Dann übernahm ein Verwandter, Albert Horwitz, das Unternehmen und führte es bis etwa 1900 fort. Friedrich Horwitz, der älteste Sohn, leitete inzwischen ein eigenes Unternehmen. Er handelte mit Rohgummi, wohnte aber weiterhin unter der elterlichen Adresse. Abraham Albert Siegmund Horwitz starb am 13. Juni 1900 in seiner Wohnung am Mittelweg 34. In seinem Testament hatte er Paul Eduard, der zu diesem Zeitpunkt 24 Jahre alt war, gut bedacht.

Über Paul Eduards Kindheit, Schulzeit, Jugend und Berufsausbildung wissen wir nichts. Als seine Mutter, Ottilie Horwitz, am 15. August 1914 starb, lebte Paul Eduard bereits acht Jahre in der privaten Nervenheilanstalt "Eichenhain", damals in einem Park zwischen der Eichenstraße und der Straße Am Weiher in Eimsbüttel gelegen. Der Leiter der Anstalt "Eichenhain" attestierte Paul Eduard im Jahr 1914, er sei "völlig geisteskrank". Mitte 1921 wurde er in der Staatskrankenstalt Friedrichsberg aufgenommen und blieb dort bis 11. Juni 1926. Der anschließende Aufenthalt in der Staatskrankenanstalt Langenhorn dauerte bis 11. Dezember 1929.

Es schloss sich ein viermonatiger Aufenthalt in Friedrichsberg an, dem die erneute Aufnahme in der Staatskrankenanstalt Langenhorn folgte. Nach weiteren zwei Jahren wurde Paul Eduard Horwitz am 15. Juli 1935 in das Versorgungsheim Oberaltenallee verlegt. Dort lebte er in den folgenden Jahren.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Paul Eduard Horwitz traf am 18. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September 1940 wurde er mit weiteren 135 Patientinnen und Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel gebracht. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Menschen umgehend in die Gaskammer und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Auf dem Geburtsregistereintrag von Paul Eduard Horwitz wurde notiert, dass das Standesamt Chelm II seinen Tod unter der Nummer 423/1941 registriert hat. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Paul Eduard Horwitz’ Schwester, Elise Zipora, heiratete Benjamin Radlauer und bekam mit ihm vier Kinder. Die Familie konnte nach Uruguay flüchten.

Seine Schwester Anna Friederike heiratete Hugo Levy. Aus dieser Ehe ging der Sohn Albert Bruno Ernst hervor. Weitere Informationen über diese Familie haben wir nicht. Ebenso fehlen Hinweise auf die Schicksale von Friedrich Joseph und Siegmund Wilhelm Horwitz. Ihre Namen erscheinen weder im Hamburger noch im Gedenkbuch des Bundesarchivs.

Antonie Louise Horwitz blieb unverheiratet. Sie lebte in den 1930er Jahren unter verschiedenen Adressen in Hamburg, zuletzt in einer Stiftswohnung in der Schlachterstraße in Hamburg-Neustadt. Sie wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort kam sie am 12. August 1942 ums Leben.


Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 7; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 213-13 Landgericht Hamburg Wiedergutmachung Nr. 3464, 3466, 6482, 3465 Gertrud Werther, 6408 Ottilie Brann; 6408 Elise Zipora Radlauer; 6409 Ottilie Brann; 232-1 Vormundschaftsbehörde D 205 Bd. 1 Paul Eduard Horwitz; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 1008 Antonie Luise Horwitz; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1-1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26. 8. 1939 bis 27. 1. 1941; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 2-1995 Patientenakte Nr. 14341 Paul Eduard Horwitz; 522-1 Jüdische Gemeinden 696 a Nr. 17/1821 Geburtsregister Abraham Albert Siegmund Horwitz, 696 e Geburtsregister Nr. 56/1857 Friedrich Joseph Horwitz, 696 e Geburtsregister Nr. 103/1858 Elise Zipora Horwitz, 696 e Geburtsregister Nr. 110/1860 Siegmund Wilhelm Horwitz, 696 f Geburtsregister Nr. 86/1862 Anna Friederike Horwitz, 696 f Geburtsregister Nr. 281/1864 Antonie Louise Horwitz; 332-5 Standesämter 1878 Nr. Geburtsregister 155/1876 Paul Eduard Horwitz, 7935 Sterberegister Nr. 1517/1900 Abraham Albert Siegmund, 8020 Sterberegister Nr. 379/1914 Ottilie Horwitz; A 834 0077 Kapsel 01. Baumbach, Sybille/Lohmeyer, Susanne/Louven, Astrid/Meyer, Beate/Salomon, Sielke/Wienrich, Dagmar, "Wo Wurzeln waren …”. Juden in Hamburg-Eimsbüttel 1933 bis 1945, Hamburg 1993, S. 80ff. Gesundheitsbehörde Hamburg (Hrsg.), Hygiene und soziale Hygiene in Hamburg, Hamburg 1928, S. 298f.; http://www.holocaust.cz/databaze-obeti/obet/16373-antonie-louise-horwitz/ (Zugriff 9.6.2016).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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