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Bereits verlegte Stolpersteine



Henry Koppel * 1876

Steinwegpassage 28 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
HENRY KOPPEL
JG. 1876
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Steinwegpassage 28:
Therese Lewin, William Salomon, Alfred Samenfeld

Henry Koppel, geb. am 19.9.1876 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert 21.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka
William Salomon, geb. am 26.5.1899 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Steinwegpassage 28

Die Eltern von Henry Koppel, das jüdische Ehepaar Hirsch Koppel (geb. 12.12.1831) und Esther, geb. Hertz, genannt Jacob (geb. 20.3.1833), hatten mindestens schon vier ältere Kinder, als ihr Sohn Henry am 19. September 1876 am Neuen Steinweg 85 zur Welt kam. Der Vater Hirsch Koppel war selbstständiger Kaufmann in der 2. Elbstraße 1 (heute Neanderstraße), nach dem Hamburger Adressbuch des Jahres 1876 mit einem "Ramschgeschäft".

Henry Koppel wurde, wie drei seiner Geschwister, als selbstständiger Händler in der Textil- bzw. Modewarenbranche tätig. Sein sechs Jahre älterer Bruder Leo (geb. 8.8.1870) arbeitete nach einer kaufmännischen Lehre zunächst im Geschäft des Vaters, dann bei seinem ältesten Bruder Max Hirsch Koppel (geb. 12.2.1863, gest. 10.1.1938), der mit der Weissnäherin Amalie Heilbut (geb. 5.4.1871, gest. 12.8.1959) verheiratet war und ein Partie- und Modewarengeschäft am Thielbeck 10 betrieb. Leo Koppel machte sich im Jahre 1927 als Vertreter in der Textilwarenbranche selbstständig. Seit 1913 wohnte er mit seiner Ehefrau Betty, geb. Rendsburger (geb. 27.8.1874), und ihren gemeinsamen Kindern Margot (geb. 16.7.1914) und Max (geb. 8.7.1917) am Grindelberg 39. Betty Koppel verstarb im Alter von 55 Jahren, am 8. Mai 1930.

Henry Koppel handelte mittlerweile mit Textilwaren in der Elbstraße (heute Neanderstraße). Nach eigenen Angaben hatte er von seinem Vater einen Karrenstand übernommen. Hirsch Koppel war nach dem Tod seiner Frau Esther am 2. August 1916 aus der Brüderstraße 24/26 zu seinem ältesten Sohn Max in den Grindelhof 62 gezogen.

Henry Koppel nahm am Ersten Weltkrieg als Freiwilliger teil, und da er auch nach Kriegsende keine eigene Familie gründete, wohnte er in den folgenden Jahren zur Untermiete. Als er den Tod seines Vaters am 29. Juni 1919 dem zuständigen Standesamt meldete, gab er als Adresse den Papendamm 25 an. Seit 1932 bewohnte er ein als gut möbliert beschriebenes Zimmer in der Steinwegpassage 28 bei Therese Lewin (s. dort).

Anfang Juni 1938 verlor Henry Koppel die Grundlage seiner beruflichen Existenz. Wegen seiner jüdischen Herkunft musste er seinen Gewerbeschein als Straßenhändler abgeben. Für einige Zeit konnte er noch über das Gerichtsvollzieheramt "alte Sachen" erwerben, die er an langjährige Kunden weiterverkaufte, bis ihm die Gewerbepolizei auch diese Tätigkeit untersagte. Ende 1938 waren seine Ersparnisse aufgebraucht und Henry Koppel zog zu seiner verwitweten Schwester Friederike Salomon, geb. Koppel (geb. 5.6.1864).

Friederike Salomon betrieb seit 33 Jahren ein Damenhutgeschäft im Alten Steinweg 48. Sie bewohnte mit ihrem Sohn William eine hinter dem Ladengeschäft gelegene Zweizimmerwohnung. Dort schlief nun Henry Koppel auf der Chaiselongue. Schon vor ihrer Heirat am 9. November 1893 war Henrys Schwester als "Modewarenhändlerin" tätig gewesen. Ihr verstorbener Ehemann Michael Salomon (geb. 16.7.1857, gest. 13.3.1924) war Kaufmann. Das Hutgeschäft hatte Friederike eigenständig geführt, beschäftigte aber eine Putzmacherin, da sie den Beruf nicht erlernt hatte.

Den Sohn William hatte das Ehepaar Salomon 1914 adoptiert. Als William am 26. Mai 1899 geboren wurde, war seine leibliche Mutter Golda Koppel (geb. 13.10.1874, gest. 27.2.1954) unverheiratet und arbeitete als Verkäuferin.

William Salomon erhielt eine kaufmännische Ausbildung im Schuhwarenhandel und betrieb Ende 1933/Anfang 1934 mit seiner Verlobten "Frl. Thiel" ein Keksgeschäft neben dem Laden seiner Mutter. Das Geschäft rentierte sich nicht und musste nach kurzer Zeit wieder aufgegeben werden. Seine Verlobte heiratete er aus unbekannten Gründen nicht. William führte dann das Hutgeschäft seiner schwer an Gicht erkrankten Mutter, das seit der Weltwirtschaftskrise nicht mehr gut lief.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gehörte William Salomon zu den vielen jüdischen Männern, die während des Pogroms in "Schutzhaft" gerieten. Nach seiner Entlassung am 30. November 1938 aus dem Polizeigefängnis Fuhlsbüttel traf er Vorbereitungen für seine Auswanderung. Das heißt, er "bewarb" sich beim Amerikanischen Konsulat um ein Visum für die Einreise in die USA. Am 1. Dezember 1938 wurde Friederike Salomon gezwungen, ihr Geschäft zu schließen. Die Geschäftsaufgabe beinhaltete auch die Räumung der Wohnung. Friederike Salomon stellte einen Antrag auf Aufnahme in eines der Altenheime der Jüdischen Gemeinde. Als sie im Nordheim-Stift in der Schlachterstraße 40/42 Aufnahme fand, zog ihr Bruder Henry Koppel wieder in die Steinwegpassage 28 zurück, wo auch sein Neffe William Salomon ein Zimmer zur Untermiete fand.

Friederike Salomon starb am 20. August 1939 im Israelitischen Krankenhaus, sie wurde neben ihrem Ehemann auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beigesetzt.

William Salomon, der als großer kräftiger Mann beschrieben wurde, fand Arbeit in der Holzhandlung von Friedrich Eddelbüttel, Kleiner Grasbrook, Brandenburger Straße 17. Sein Onkel Henry Koppel musste unterdessen als Unterstützungsempfänger fünf Tage in der Woche "Pflichtarbeit" in Tiefstaak (heute Tiefstack) und am Moorredder in Volksdorf leisten. Im Anschluss wurde er nach Flensburg vermittelt, wo er von Mai bis Oktober 1939 in der Hoch- und Tiefbaufirma M. Thaysen arbeitete. Vermutlich durch die Vermittlung seines Neffen war er dann als Lagerarbeiter in der Holzhandlung von Friedrich Eddelbüttel tätig, bis er dort im Januar 1941 wegen allgemeiner körperlicher Schwäche entlassen wurde.

William Salomon gelang es nicht mehr Deutschland zu verlassen. Woran seine Auswanderung scheiterte, ist unbekannt, vermutlich waren es fehlende finanzielle Mittel.

Er war zuletzt in der dritten Etage des Neuen Steinweg 92, bei Paula Lewald (s. dort), geb. Salomon, und ihrer Tochter Ursula Salomon gemeldet. Ob sie miteinander verwandt waren, ließ sich nicht feststellen. Die Namen von William und Ursula Salomon wurden auf die Deportationsliste für den Transport am 8. November 1941 nach Minsk gesetzt. Der Name von Paula Lewald stand auf der Nachtragsliste. Keiner von ihnen überlebte.

Henry Koppel und sein verwitweter Bruder Leo Koppel wurden am 19. Juli 1942 gemeinsam aus dem "Altenheim Nordheim-Stift", Schlachterstraße 40/42 nach Theresienstadt deportiert (Leos Kinder, Margot und Max, hatten Deutschland bereits verlassen).

Henry Koppel wurde am 21. September 1942 nach Treblinka gebracht, sein Bruder Leo befand sich am 26. September 1942 in einem weiteren Transport, der in dieses Vernichtungslager ging. Ihre Schwester, die Mutter von William Salomon, emigrierte im Februar 1940 nach Shanghai.

Für ihre Nichten Gertrud Gumpel, geb. Koppel (geb. 8.11.1898), und Edith Stoppelmann, geb. Koppel (geb. 28.4.1904), sowie für ihren Neffen Erich Koppel (geb. 12.6.1914), Kinder ihres verstorbenen Bruders Max Koppel, liegen Stolpersteine im Loehrsweg 2 in Hamburg-Eppendorf und in der Blumenstraße 46 in Hamburg-Winterhude und Krohnskamp 72. Sie wurden, wie ihre Schwester Mathilde Wulf, geb. Koppel (geb. 18.8.1894), mit ihren Familien in Auschwitz ermordet (s. "Stolpersteine im Stadtteil Hamburg-Eppendorf" und "Stolpersteine im Stadtteil Hamburg-Winterhude").


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 5; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1789 (Koppel, Henry); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1787 (Salomon, Friederike); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1788 (Salomon, William); StaH 351-11 AfW 1591 (Koppel, Leo); StaH 351-11 AfW 41831 (Koppel, Max); StaH 351-11 AfW 1677 (Koppel, Amalie); StaH 332-5 Standesämter 1887 u 4595/1876; StaH 332-5 Standesämter 2816 u 1277/1893; StaH 332-5 Standesämter 2815 u 1022/1893; StaH 332-5 Standesämter 2345 u 2996/1894; StaH 332-5 Standesämter 2462 u 3596/1898; StaH 332-5 Standesämter 8662 u 30/1909; StaH 332-5 Standesämter 746 u 750/1916; StaH 332-5 Standesämter 809 u 456/1919; StaH 332-5 Standesämter 8728 u 204/1919; StaH 332-5 Standesämter 882 u 154/1924; StaH 332-5 Standesämter 1104 u 513/1939; StaH 332-8 Meldewesen K 6415; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 2; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5; diverse Hamburger Adressbücher.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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