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Carl Rühs * 1878

Hütten 105 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HÜTTEN 105
WOHNTE
CARL RÜHS
JG. 1878
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Carl Rühs, geb. am 15.2.1878 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Hütten 105 gegenüber Hausnummer 49

Carl Rühs verdiente seinen Lebensunterhalt als Straßenhändler. Seit 1903 betrieb er einen Verkaufsstand mit Kurzwaren am Großneumarkt. Im September 1938 wurde ihm durch die NS-Gesetzgebung der Gewerbeschein entzogen, da, wie in seiner Fürsorgeakte vermerkt, der Großvater mütterlicherseits jüdischer Abstammung war.

Carls Vater Johannes Adolf Friedrich Rühs war als Sohn des Johann Peter Rühs, Amtsbruder der Zimmerleute, und dessen Ehefrau Johanna Gesine, geb. Junghans, am 7. Februar 1847 in Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern geboren worden. In der Domkirche St. Nikolai wurde er getauft. Nach einer handwerklichen Ausbildung als Maler war er für einige Jahre auf Wanderschaft gegangen und hatte in Berlin, Rostock und Lesum bei Bremen gearbeitet. 1871 ließ er sich in Hamburg nieder.

Carls Mutter Elise, geb. Rosenberg, war am 15. Oktober 1846 in Aumund an der Aue geboren worden. Die Ortschaft Aumund gehörte damals zum Kirchspiel Lesum, vielleicht haben sich Carls Eltern also nicht erst in Hamburg kennengelernt. Als sie 1873 in Hamburg heirateten, konvertierte Johannes Rühs zum jüdischen Glauben und nahm zusätzlich den Vornamen Isaac an.

Das Ehepaar Rühs wohnte in der Peterstraße 33, wo bereits am 29. November 1872 ihr ältester Sohn Max zur Welt kam. Wilhelm wurde am 11. Dezember 1876 geboren, Carl folgte am 15. Februar 1878. Ein oder zwei Jahre nach Carls Geburt wanderte sein Vater Johannes Rühs in die USA aus, angeblich mit seiner "Geliebten". Seine Familie ließ er mittellos in Hamburg zurück und so musste Elise Rühs allein für ihre Kinder sorgen. Als Carl drei Jahre alt war, starb sein Bruder Max im Alter von acht Jahren am 7. Juni 1881 an den Folgen einer Tuberkulose. 1886 zog Elise Rühs mit ihren zwei Söhnen in das Nachbarhaus "Bei den Hütten" 105 (1900 umbenannt in Hütten), wo sie im Parterre einen Zeitungshandel betrieb. Ihr zweitältester Sohn Wilhelm erkrankte an einer Gehirnhautentzündung, er starb als Zwölfjähriger am 16. April 1889.

Ob Carl Rühs nach seiner Schulzeit eine Berufsausbildung erhielt, ist nicht überliefert. Vermutlich musste er früh zum Lebensunterhalt beitragen. Nach den Hamburger Adressbüchern, betrieb Elise Rühs noch bis 1910 ihren Zeitungshandel, ab 1919 firmierte sie ganz allgemein als Händlerin. Elise Rühs starb am 19. August 1932 und wurde, wie ihr Sohn Wilhelm, auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beigesetzt.

Carl Rühs gehörte der Jüdischen Gemeinde in Hamburg nicht an. Nachdem ihm im September 1938 die Lebensgrundlage entzogen worden war, beantragte er Unterstützung beim Wohlfahrtsamt, denn Rentenansprüche besaß er nicht. Während eines Amtsbesuches erhielt er von einem Sachbearbeiter der Wohlfahrtsbehörde den Rat, seinen Status als "Mischling" gegenüber der Gestapo geltend zu machen. Da beide Elternteile bei seiner Geburt der Jüdischen Gemeinde angehörten, wurde er als "Geltungsjude" behandelt und unterlag den gleichen Gesetzen wie Juden. Als "Mischling ersten Grades" wäre er von etlichen Restriktionen befreit gewesen, vor allem hätte er später keinen "Judenstern" tragen müssen und wäre nicht deportiert worden. Wenn er dem Rat folgte, scheiterte sein Antrag. Ende Juli 1939 musste Carl Rühs als Unterstützungsempfänger fünf Tage in der Woche "Pflichtarbeit" am Moorredder in Volksdorf leisten. Eine Mitarbeiterin der Wohlfahrtsbehörde notierte nach einem Hausbesuch, Carl Rühs lebe noch unter der angegebenen Adresse Hütten 105 in einem zum Abriss vorgesehenen Haus in einem sehr kleinen, nur mit den nötigsten Möbeln eingerichteten, aber sauber gehaltenen Zimmer. Dort erhielt Carl Rühs seinen Deportationsbefehl für den ersten Transport, der am 8. November 1941 in die besetzte Hauptstadt Weißrusslands ins Getto Minsk ging. Mit seiner "Abwanderung", wie es in der Behördensprache hieß, verliert sich seine Spur.

Da auf der Deportationsliste sein Name als Rüss verzeichnet wurde, fand diese Schreibweise auch Eingang in die Gedenkbücher.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1778 (Rühs, Carl); StaH 332-5 Standesämter 97 u 2051/1881; StaH 332-5 Standesämter 1889 u 5689/1876; StaH 332-5 Standesämter 9859 u 880/1932; StaH 332-5 Standesämter 258 u 1027/1889; StaH 352-5 Todesbescheinigung 1881, Sta. 2, Nr. 2051; StaH 232-4 Amtsgericht Hamburg – Aufgebotssachen 1030; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 2.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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