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Bereits verlegte Stolpersteine



Marie Hoffmann (geborene Zuer) * 1882

Schloßmühlendamm 10 (Harburg, Harburg)


HIER ARBEITETE
MARIE HOFFMANN
GEB. ZUER
JG. 1882
"POLENAKTION" 1938
BENTSCHEN / ZBASZYN
ERMORDET IM
BESETZTEN POLEN

Weitere Stolpersteine in Schloßmühlendamm 10:
Munisch Hoffmann

Marie Hoffmann, geb. Zuer, geb. am 5.4.1882 in Leipzig, ausgewiesen nach Zbaszyn am 28.10.1938, ermordet im besetzten Polen
Munisch Hoffmann, geb. am 3.6.1881 in Stanislau (heute: Iwano-Frankivsk), ausgewiesen nach Zbaszyn am 28.10. 1938, ermordet im besetzten Polen

Stadtteil Harburg-Altstadt, Schloßmühlendamm 10 (früher: Lüneburger Straße 1)

Als Munisch Menachem Hoffmann in einem jüdischen Elternhaus das Licht der Welt erblickte, gehörte seine Geburtsstadt zum österreichischen Kronland Galizien. Heute ist Ivano-Frankivsk lt (früher: Stanislau), in der Nähe von Lviv (früher: Lemberg), eine ukrainische Stadt. Bereits damals prägten Fabrikschornsteine, Sägemühlen und Bohrtürme das Stadtbild. Die Bevölkerung setzte sich im Wesentlichen aus vier ethnischen Gruppen zusammen, die keineswegs spannungsfrei nebeneinander lebten. Die Minderheit der Deutschen war in der staatlichen und kirchlichen Verwaltung sowie im Bildungswesen tätig. Deutsch war Amtssprache, die die anderen ethnischen Gruppen aber nur als Zweitsprache oder gar nicht beherrschten. Ukrainer und Polen bekämpften sich, wo immer sie Gelegenheit dazu hatten. Einig waren sie sich nur, wenn es darum ging, den Juden, die fast die Hälfte der Stadtbevölkerung ausmachten, die Suppe zu versalzen´.

Diese spannungsgeladene Situation dürfte den einen oder anderen jungen Menschen bewogen haben, andernorts sein Glück zu versuchen. Ob das auch für Munisch Hoffmann galt, wissen wir nicht. Er verließ jedenfalls als junger Mann seine Heimatstadt in Richtung Deutschland. In Leipzig lernte er die ebenfalls jüdische Marie Zuer kennen, die er 1906 heiratete. Dort erlebten die jungen Eltern am 18. Februar 1908 die Geburt ihrer Tochter Erna und am 5. September 1909 die ihres Sohnes Henry.

Anschließend zog die Familie nach Altona, wo die Kinder Lena (*5.4.1914), Bertha (*11.2.1916), Nitta (*19.11.1920), Hella (*10.2.1923) und Manfred (*20.10.1927) das Licht der Welt erblickten. Später wohnte die Familie in der Bundesstraße 31 in Hamburg-Eimsbüttel.

Munisch Hoffmann betrieb einen Groß- und Kleinhandel für Lederwaren und Schuhbedarfsartikel und besaß darüber hinaus mehrere Schuhreparaturwerkstätten und Lederwarenhandlungen, die er aus steuerrechtlichen Gründen meist unter dem Namen anderer Familienangehöriger in die Handwerksrolle oder in das Handelsregister eintragen ließ. Diese Geschäfte und Werkstätten befanden sich u. a. am Schulterblatt 117 in Hamburg-Eimsbüttel, in der Hamburger Straße 201 in Hamburg-Barmbek, am Valentinskamp 86 in Hamburg-Mitte und nicht zuletzt auch in der Lüneburger Straße 1 in Harburg.

Vor 1933 erzielte er, wie aus den Eintragungen auf der Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg hervorgeht, ein jährliches Bruttoeinkommen von ca. 5.500 RM, das in den folgenden Jahren rückläufig war.

Obwohl Munisch Hoffmann seit über 20 Jahren in Deutschland lebte, besaß er nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Am 6. Oktober 1938 forderte das polnische Innenministerium alle im Ausland lebenden polnischen Staatsangehörigen auf, ihre Pässe bis zum Ende des Monats erneuern zu lassen. Wer der Aufforderung nicht nachkam, sollte das Recht auf eine Rückkehr nach Polen verlieren. Diese Ankündigung nahm die NS-Regierung zum Anlass, am 28. Oktober 1938 mehr als 17.000 Juden polnischer Nationalität aus dem Deutschen Reich bei Nacht und Nebel in das Nachbarland abzuschieben.

Zu den rund 1.000 Juden, die in Hamburg davon betroffen waren, gehörten auch Munisch und Marie Hoffmann mit ihren vier jüngsten Kindern Bertha, Nitta, Hella und Manfred. Sie wurden am Morgen jenes Tages aus ihrer Wohnung abgeführt und am Abend mit einem Zug vom Bahnhof Altona an die deutsch-polnische Grenze gebracht. Dort mussten sie aussteigen und unter Stockschlägen den Fußmarsch in die polnische Stadt Zbaszyn antreten.

Die polnischen Behörden traf dieser Strom von Vertriebenen wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Nachdem sie die ersten Gruppen in die Stadt hineingelassen hatten, verweigerten sie den nachfolgenden den Zutritt, so dass die Betroffenen zusehen mussten, wo sie blieben. In den mit internationaler Hilfe im Niemandsland errichteten Notunterkünften herrschten zunächst chaotische Zustände. Nur wer bei polnischen Verwandten Unterschlupf finden würde, durfte weiterreisen. Familie Hoffmann kam nach einiger Zeit bei guten Freunden in Wieliczka bei Krakau unter.

In der Zwischenzeit wurde ihr Harburger Geschäft am 10. November 1938 während der Pogromnacht von `jungen Leuten´ verwüstet, ob Hoffmanns überhaupt davon Kenntnis erhielten, lässt sich nicht mehr klären.

Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im September 1939 mussten die jüdischen Bewohner Wieliczkas in ein Ghetto umziehen. Im Frühjahr 1942 begannen die Deportationen polnischer Juden in die inzwischen in aller Eile erbauten Vernichtungslager. Das letzte Lebenszeichen der Familie Hoffmann war eine Nachricht, die Anfang 1942 übermittelt wurde. Danach brach der Kontakt zu den Eltern und ihren Kindern im Getto ab.

Im weiteren Verlauf des Jahres verließ ein Deportationszug nach dem anderen den Ort, wobei keiner der Abtransportierten genau wusste, wohin die Fahrt eigentlich ging. Erst am Zielort erkannten sie, dass sie hier vor ihren Mördern standen. Auch für Munisch und Marie Hoffmann und ihre vier jüngsten Kinder Bertha, Nitta, Hella und Manfred war der Abtransport aus dem Getto Wieliczka eine Reise in den Tod.

Zu den Opfern des Holocaust gehören auch ihre drei älteren Kinder Erna Tugendhaft, geb. Hoffmann, Henry Hoffmann und Lena Salomon, geb. Hoffmann.


Stand: April 2019
© Klaus Möller

Quellen: Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus. Gedenkbuch, Jürgen Sielemann, Paul Flamme (Hrsg.), Hamburg 1995; Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945, Bundesarchiv (Hrsg.), Koblenz 2006; Yad Vashem. The Central Database of Shoa Victims´ Names: www.yadvashem.org; Staatsarchiv Hamburg 351-11_5232; Harburger Adressbuch 1938; Elisabeth Freundlich, Die Ermordung einer Stadt namens Stanislau, NS-Vernichtungspolitik in Polen 1939–1945, Wien 1986; Jürgen Sielemann, Fragen und Antworten zur `Reichskristallnacht´, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 83/1, Hamburg 1997.

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