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Bereits verlegte Stolpersteine



Dr. Louis Weigert * 1882

Oderfelder Straße 17 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
DR. LOUIS WEIGERT
JG. 1882
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
14.11.1938

Weitere Stolpersteine in Oderfelder Straße 17:
Emilie Löwenthal, Jenny Rosenmeyer

Dr. Louis Weigert, geb. 11.6.1882 in Berlin, Flucht in den Tod am 14.11.1938 in Hamburg

Oderfelder Straße 17

Louis Weigert wurde in eine jüdische Kaufmannsfamilie hineingeboren, die es ihm und einem Bruder ermöglichte zu studieren und Zahnärzte zu werden.

Louis Weigert war der älteste der drei Söhne der Eheleute Siegfried Weigert und Jenny, geb. Brahn, aus dem damals preußischen Oberschlesien. Der Vater Siegfried Weigert war am 5.5.1845 zur Zeit der Hochblüte der jüdischen Gemeinde in Rosenberg zur Welt gekommen, Jenny Brahn dreizehn Jahre später, am 2.12.1858, in Koschentin. Siegfried Weigert wurde wie seine Brüder Joseph und Hugo und wie ihr Halbbruder Emil Richter Kaufmann. Ihre Mutter Eva, geb. Schlesinger, hatte nach dem frühen Tod des Vaters Joseph wieder geheiratet. Aus ihrer zweiten Ehe war Emil hervorgegangen, mit dem sie nach Berlin zog.

Bald nach ihrer Heirat am 29. April 1880 in Kreuzburg in Oberschlesien hatten auch Siegfried und Jenny Weigert ihren Wohnsitz nach Berlin verlegt, wo am 11.6.1882 Louis und zwei Jahre später, am 2.9.1884, Curt geboren wurden.

Die Brüder Siegfried und Hugo Weigert gründeten gemeinsam in Hamburg die Firma "Gebr. Weigert Delicatessen und Südfrüchte en gros" mit Sitz in der Deichstraße 48, später Sandtorquai 36. Während Hugo in Berlin blieb, zog Siegfried 1886 mit seiner Familie nach Hamburg. Ihre erste eigene Adresse war Alter Wall 4, wo am 25.1.1892 als ihr letztes Kind Erwin zur Welt kam.

Im folgenden Jahr verließ Siegfried Weigert mit seiner Familie die Hamburger Innenstadt und zog nach St. Georg in die Kirchenallee. Das Schicksal seiner eigenen Familie wiederholte sich, er starb mit nur 58 Jahren und hinterließ seine Ehefrau im Alter von 35 Jahren mit drei kleinen Kindern. Sie blieb in St. Georg, Hansaplatz 12, und ging keine zweite Ehe ein.

Der Bruder Joseph Weigert rückte an die Stelle Siegfrieds als Mitinhaber der Firma nach. Seine Ehefrau, Helene Weigert, geb. Cohn, wurde Prokuristin.

Louis und Curt Weigert, über deren Kindheit und Schulzeit uns nichts bekannt ist, erhielten in der Tradition ihrer Familie eine kaufmännische Ausbildung, Curt trat nach dem Ausscheiden seines Onkels Hugo in die Firma ein, Erwin hingegen wurde Zahnarzt. Bevor Louis Weigert ebenfalls diesen beruflichen Weg beschritt, arbeitete er als selbständiger Kaufmann. 1910 und 1911 war er in der Bülaustraße 2 gemeldet.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs schied Josef Weigert aus der Firma aus, Curt blieb als alleiniger Inhaber zurück und nahm zu "Feinkost", wie es nun hieß, und Südfrüchten zusätzlich noch Konserven in das Sortiment auf.

1920 erhielt Erwin sein Doktordiplom und wurde in die Matrikel (das Verzeichnis) der Hamburger Zahnärzte aufgenommen. Entsprechende Angaben für Louis fehlen.

Am Ende der Inflationszeit, am 1. November 1923, starb Helene Weigert; sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beerdigt, wie schon vorher ihr Schwager Siegfried und später auch ihre Schwägerin Jenny, die am 4. März 1926 folgte.

Zahnarzt Louis Weigert praktizierte in Hamm und in Eilbek. Er blieb ledig. Im Gegensatz zu seinem Bruder Erwin gab er seine Praxis auf und zog 1935 oder 1936 nach Berlin-Halensee. Er hatte es zu einigem Wohlstand gebracht.

Auch sein Bruder Curt Weigert war als Geschäftsmann wohlhabend geworden, er lebte in der Oderfelder Straße 17 in einer 6-Zimmer-Wohnung mit großbürgerlicher Ausstattung und bereitete angesichts der nationalsozialistischen Machtübernahme die Auswanderung vor. Seine Gemälde durfte er mitführen, da sie als "nicht hochwertiges deutsches Kulturgut" angesehen wurden. Auf sein deklariertes Auszugsgut sollte er eine Dego-Abgabe in Höhe von 23 564,30 RM entrichten, die jedoch schließlich auf die Hälfte ermäßigt wurde.

Curt Weigert unterstützte aus seinem Vermögen die Nachbarn, den Zahnarzt Felix Spiro und dessen Ehefrau Rositta, seine Cousine Johanna Steiner in Borgfelde (s. dieselbe), den Onkel Emil Richter in Berlin-Karlshorst und die Tante Olga Czernik in Berlin-Wilmersdorf.

Nach dem Novemberpogrom kehrte Louis Weigert am 12. November 1938 besuchsweise nach Hamburg zurück, quartierte sich für eine Nacht im Hotel Reichshof ein, besuchte am 13. November seinen Bruder Curt in der Oderfelder Straße und zog sich dort am frühen Morgen des 14. zur Nachtruhe zurück. Als sein Bruder ihn mittags wecken wollte, fand er ihn, mit dem Gesicht auf dem Boden liegend, tot vor. Er hatte sich mit Zyankali vergiftet. In einem Abschiedsbrief schrieb er, "dass er es nicht mehr aushalte".

Sein Leichnam wurde eingeäschert, Curt Weigert übernahm seine Beisetzung auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf. Sie fand am 18. November 1938, Grablage ZX 10 – 621, statt.

Zehn Tage später (am 24. November 1938) reiste Curt mit seiner Ehefrau Margot, geb. Spiro, nach Uruguay aus.

Auch Emil Richter, der in Berlin lebte, nahm sich am 21. Juli 1941 das Leben.

Nach dem Krieg wurde Louis Weigerts Nachlass von noch 14 800 RM in Wertpapieren wim Wiedergutmachungsverfahren unter seinen Brüder aufgeteilt.

Stand: Juni 2020
© Hildegard Thevs

Quellen: StaHH, 232-3_H 19651, Testamente; 314-15 OFP, F 2365, F 2366, R 1938/3123; 331-5, Polizeibehörde – Unnatürliche Todesfälle, Journal 1938, 2514 vom 17.11.1938, 1400/38; 3 Akte 1938/1690; 332-5 Personenstandsregister 356-276/1894; 9817-491/1926; 2275-359/1892; 8153-545/1938; 332-8 Meldewesen, K 7143; 351-11 Wiedergutmachung, 6364, 7214, 14427; http://www.jüdischer-friedhof-altona.de/datenbank.html, Ohlsdorf 1931-1939; https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/p-r/1687-rosenberg-oberschlesien.

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