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Oscar Löwenthal * 1873

Spaldingstraße 68 (Hamburg-Mitte, Hammerbrook)


HIER WOHNTE
OSCAR LÖWENTHAL
JG. 1873
EINGEWIESEN 1938
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Oscar Löwenthal, geb. am 24.3.1873 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Spaldingstraße 68 (ehemals 12), Hammerbrook

Oscar Löwenthals Eltern stammten aus Mecklenburg. Sein Vater Emil Löwenthal war im April 1831 in Bützow, seine Mutter Minna, geborene Arnheim, 1841 in Grabow geboren worden. Emil Löwenthal, der als Kaufmann tätig war, erhielt 1861 das Hamburger Bürgerrecht. Die Eheleute hatten nach der Hochzeit 1862 ihre erste Wohnung im Graskeller 12 in der Hamburger Altstadt bezogen. Keiner von beiden war vorher im Hamburger Adressbuch verzeichnet.

Emil Löwenthal betrieb in Hamburg zunächst zusammen mit einem Partner ein Manufakturwaren-Lager im Graskeller 12, dann im Großen Burstah 47. Ab 1865 arbeitete er allein. Seine Lager befanden sich in den nächsten Jahren in der Admiralitätsstraße 39, am Alten Wall 47, am Rödingsmarkt 7 mit Zweiglager in Ottensen und in der Bahrenfelder Straße 44. Auch die Wohnadressen wechselten oft. Ab 1871 hatte sich das Ehepaar Löwenthal für mehrere Jahre in der Spaldingstraße 12 in Hammerbrook niedergelassen. Hier kam 1873 ihr Sohn Oscar zur Welt. Anscheinend trennten sich Oscars Eltern später, denn sein Vater starb 1882 im Alter von 51 Jahren in Berlin. Zu dieser Zeit war Oscar neun Jahre alt. Oscars Mutter blieb in Hamburg. Sie starb im Jahre 1910 im Alter von 69 Jahren.

Über Oscar Löwenthals Lebensweg ist nur wenig bekannt. Aus einem Schreiben der "Ricklinger Anstalten" an die Hamburger Fürsorgebehörde wissen wir, dass er 1938 Patient dieser Einrichtung war. In diesem Brief ging es darum, die in den Ricklinger Anstalten lebenden jüdischen Frauen und Männer gegen andere "auszutauschen". Angeblich befürchtete die Anstaltsleitung, den Status der Gemeinnützigkeit und damit verbundene Steuervergünstigungen zu verlieren, "wenn nicht ausnahmslos deutsche Patienten bei uns aufgenommen werden".

Hiervon waren mindestens vier Patienten betroffen: Oscar Löwenthal, Erland Walter Friedland, Benjamin Engländer und Felix Cohn (siehe jeweils dort). Ab 22. April 1938 verließen Oscar Löwenthal und die anderen drei jüdischen Patienten die Ricklinger Anstalten. Oscar lebte nun in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Jüdinnen und Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen. Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie am 23. September 1940 gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Patienten, unter ihnen Oscar Löwenthal, in einem Transport von insgesamt 136 Menschen nach Brandenburg an der Havel gebracht. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxid getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Wir wissen nicht, ob Angehörige von Oscar Löwenthal Kenntnis von seinem Tod erhielten In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.


Stand: Juli 2019
© Ingo Wille

Quellen: 1; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-3 Zivilstandsaufsicht A 151 Geburtsregister Nr. 2042/1873 Oscar Löwenthal; 332-5 Standesämter 8002 Sterberegister Nr. 276/1910 Minna Löwenthal; 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht A I e 40 Bd. 7 Bürgerregister 1845–1875 L-R; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; Landesarchiv Berlin, Standesamt Berlin IV Nr. 1987/1882 Sterberegister Emil Löwenthal. Sutter, Peter, Der sinkende Petrus. Rickling 1933–1945, Rickling 1986, S. 173f., 247.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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