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Bereits verlegte Stolpersteine



Joseph Polack * 1867

Neuer Steinweg 22 / Ecke Neanderstraße (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
JOSEPH POLACK
JG. 1867
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Neuer Steinweg 22 / Ecke Neanderstraße:
Emilie Polack

Emilie Polack, geb. Koopmann, geb. am 6.10.1866 in Uedem/Kreis Kleve, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort verstorben am 4.9.1942
Joseph Polack, geb. am 3.8.1867 in Jever/Oldenburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 26.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka

Neanderstraße/Ecke Ludwig-Erhard-Straße (Elbstraße 37/39)

Joseph Polack war als einziges Kind des jüdischen Ehepaares Samson Abraham Polack (geb. 2.2.1837) und Sara, geb. Lehmann, in Jever bei Oldenburg geboren worden. 1880 waren seine Eltern mit ihrem elfjährigen Sohn nach Hamburg gezogen, zunächst in die Sternstraße 69, dann in den Stadtteil St. Pauli und zwei Jahre später in eine Kellerwohnung der 1. Elbstraße 30 (ab 1900 Elbstraße 37/39, heute Neanderstraße), wo sich Samson Polack als Bürstenbinder selbstständig machte. Seine Frau Sara Polack starb am 25. März 1891 im Alter von 53 Jahren.

Joseph Polack heiratete am 1. Januar 1900 Emilie Koopmann. Emilie, Tochter von Simon Koopmann und Lisette, geb. Seligmann, war in Uedem am Niederrhein im Kreis Kleve zur Welt gekommen. Ihre Eltern hatten 1859 geheiratet, sie wohnten in Uedem Haus-Nr. 71 (heute Markt 9). Der Vater hatte dort einen Handel betrieben und war zugleich Schlachter und Viehhändler. In der Familie gab es mindestens noch weitere vier Kinder: Siegmund (geb. 21.12.1864, gest. 1932 in Düsseldorf), Gustav (geb. 1868, gest. 1930 in Düren), Julius (geb. 31.10.1870) und Moritz (geb. 7.11.1875). Die drei Brüder Siegmund, Gustav und Moritz Koopmann eröffneten später Schuhgeschäfte.

Nach der Eheschließung zog Emilie Polack zu ihrem Mann Joseph nach Hamburg. Sie übernahm den Verkauf der selbst gefertigten "Bürsten aller Art" ihres Schwiegervaters und erweiterte das Geschäft im Erdgeschoss des Hauses um den Verkauf von Seifen-, Parfümerie- und Toilettenartikeln. Die Werkstatt lag hinter dem Ladengeschäft. Ihr erstes Kind, Tochter Meta, wurde am 18. Dezember 1901 geboren, Erwin folgte am 13. Juli 1905.

Joseph Polack meldete sein Gewerbe als Bürstenmacher 1902 an, zugleich war er zwölf Jahre als Fahrer bei der Hamburger Hochbahn beschäftigt. Am 31. Juli 1909 starb sein Vater Samson Abraham Polack im Alter von 72 Jahren. Sein Enkelsohn Erwin setzte die Familientradition fort, als er nach der Schulzeit den Beruf des Bürstenmachers ergriff, den bereits sein Urgroßvater Samson Polack in Winschoten in den Niederlanden ausgeübt haben soll. Am 30. Dezember 1933 heiratete Erwin seine Verlobte Anni/Anna Parnes (geb. 13.9.1913 in Harburg), und emigrierte mit ihr am 7. Januar 1934 nach Palästina. (Erwin Polack wurde am 11. Juli 1948 als Soldat im israelischen Unabhängigkeitskrieg getötet.)

Seine Eltern hatten die Auswirkung der Boykottaktionen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme rasch zu spüren bekommen. Ihr Umsatz ging schrittweise um die Hälfte zurück, bis ihnen zum Jahresbeginn 1939, wie allen jüdischen Inhabern von Geschäfts- und Handwerksbetrieben, jegliche weitere wirtschaftliche Betätigung untersagt wurde. Fristgerecht gaben sie am 17. Dezember 1938 das Geschäft auf. Joseph und Emilie Polack zogen in das Vorderhaus des Hertz-Joseph-Levy-Stifts am Großneumarkt 56 und lebten von der kleinen Pension, die Joseph Polack von der Hamburger Hochbahn erhielt.

Ihre Tochter Meta wurde 1938 als langjährige Kontoristin der Firma Chs. Lavy & Co. an der Bleichenbrücke 25/29 entlassen, als das Unternehmen "arisiert" wurde (s. Julius Asch). Am 22. Februar 1939 heiratete sie den Rostocker Versicherungsinspektor Curt Marchand (geb. 30.6.1903) und emigrierte mit ihm in die USA. Tochter Marion Ruth wurde am 25. August 1941 in Chicago geboren. Vielleicht haben die Großeltern noch von der Geburt ihrer Enkelin erfahren.

Knapp ein Jahr später, am 19. Juli 1942 wurde das Ehepaar Polack nach Theresienstadt deportiert. Emilie starb laut Todesfallanzeige am 4. September 1942 an einer Lungenentzündung und Herzschwäche. Joseph Polack wurde am 26. September 1942 ins Vernichtungslager nach Treblinka weiterdeportiert.

In Hamburg erfolgte im selben Monat am 21. September die Versteigerung ihres zurückgelassenen Hausrates. Ein Betrag in Höhe von 1207,40 Reichsmark wurde an die Kasse des Hamburger Oberfinanzpräsidenten überwiesen.

Emilies Bruder Moritz Koopmann hatte mit seiner Ehefrau Rosa, geb. Katz (geb. 10.1.1884 in Eisenach), seit 1906 in Lüdenscheid gelebt, wo sie ein Schuhgeschäft mit acht Angestellten in der Wilhelmstraße 36 betrieben und Besitzer eines Hauses in der Wilhelmstraße 3 waren. Die Boykottaufrufe gegen jüdische Händler und weitere Repressalien führten zum Ruin. Im Mai 1936 gaben sie das Geschäft auf und zogen nach Frankfurt am Main. Ihre Tochter Charlotte (geb. 28.5.1907) konnte im Dezember 1934 nach Palästina auswandern. Sohn Fritz (geb. 18.4.1909) emigrierte im August 1939 in die USA. Das Ehepaar Rosa und Moritz Koopmann wurde am 22. November 1941 aus der Niddastraße 46 in Frankfurt am Main ins litauische Getto nach Kowno (Kauen) deportiert, wo es unmittelbar nach seiner Ankunft am 25. November 1941 außerhalb der Stadt erschossen wurde.

Der ältere Bruder Julius Koopmann hatte 1903 in Köln geheiratet. Die Ehe war 1917 in Düsseldorf geschieden worden. Auch sein letzter Wohnort war Frankfurt am Main. Am 19. August 1942 wurde er aus dem Jüdischen Altenheim in der Hans-Handwerkstraße 30 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 22. September 1942 im Alter von 71 Jahren starb.

Der Neffe Hans Koopmann (geb. 30.1.1905), Sohn von Emilies ältestem Bruder Siegmund, wurde am 9. Oktober 1942 in Auschwitz ermordet.


Stand: September 2019
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 3; 6; 351-11 AfW 1160; 351-11 AfW 1103 (Polack, Emilia); StaH 314-15 Abl. 1998 P295; StaH 332-5 Standesämter 294 u 723/1891; StaH 332-5 Standesämter 14437 u 1090/1905; StaH 332-5 Standesämter 13952 u 1084/1933; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 374; Auskünfte von Michael Lehmann, Heimat- und Verkehrsverein Uedem e.V. vom 19.4.2012; Lehmann: Schicksal, S. 155–158, S. 241–242; http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_hhn_411122.html (Zugriff 9.5.2017); Lüdenscheider Gedenkbuch für die Opfer von Verfolgung und Krieg der Nationalsozialisten 1933–1945; http://www.friedensgruppe-luedenscheid.de/files/gedenkbuch_2_aufl.pdf (Zugriff 9.5.2017).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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