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Bereits verlegte Stolpersteine



Paula Kaczar (l.) und Pauline Lissauer, geb. Horwitz
© Privatbesitz

Paula Kaczar (geborene Salomon) * 1888

Isestraße 57 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1938 Zbaszyn / 'Polen-Aktion'

Weitere Stolpersteine in Isestraße 57:
Salomon Kaczar, Hertha Müller, Marianne Müller, Otto Müller, Sophie Müller, Wilhelm Müller, Kurt Holger Schmahl

Paula Kaczar (Kaczer), gen. Katz, geb. Salomon, geb. 9.5.1888 in Hamburg, deportiert nach Zbaszyn am 28.10.1938
Salmen Kaczar (Kaczer), gen. Salomon Katz, geb. 20.11.1882 in Brody, deportiert nach Zbaszyn am 28.10.1938

Paula und Salomon Katz waren in der Isestraße die ersten, die aus ihrer Wohnung vertrieben wurden. Sie fielen der sogenannten Polenaktion zum Opfer: Ohne jede Vorwarnung wurden am 28. Oktober 1938 17000 Menschen aus ganz Deutschland über Nacht nach Polen transportiert. Ihr "Verbrechen": Sie hatten das Datum für ein Dekret der polnischen Regierung vom September 1938 verstreichen lassen, das anordnete, alle Polen, die im Ausland lebten, müssten ihre polnische Staatsbürgerschaft bestätigen lassen. Wer diese Bestätigung nicht bis zum 1. November 1938 einhole, werde für staatenlos erklärt. Das wiederum veranlasste das Reichssicherheitshauptamt unter Reinhard Heydrich, die polnischen Juden kurz vor Ablauf des Datums abzuschieben. Viele von ihnen, die seit Jahrzehnten in Deutschland lebten, fühlten sich in ihrer neuen Heimat so integriert, dass sie die Aufforderung einfach ignorierten oder die kurze Frist versäumten, wie wohl auch Salomon Katz.

Er stammte aus Galizien, seine Eltern waren Betty und Osias Katz. Seit 30 Jahren lebte er in Hamburg. Seine Frau Paula, geborene Salomon, war dagegen gebürtige Hamburgerin. Im Juli 1924 traten beide der Jüdischen Gemeinde in Hamburg bei. Seit März 1933 wohnten sie in der Isestraße.

Ihre Ehe war eine "gemachte Partie", Paula und Salomon wurden einander also von den Verwandten "versprochen". Sie bekamen keine Kinder. Die Ehepartner waren offenbar sehr verschieden. Paula Katz brachte aus dem Elternhaus vielseitige geistige Interessen mit und liebte die Kunst. Sie spielte ausgezeichnet Klavier. Ihr ganzer Stolz war ihr "Biedermeierzimmer". In der Jüdischen Gemeinde arbeitete sie ehrenamtlich im sozialen Bereich.

Salomon Katz betrieb die "Norddeutsche Papier-Manufaktur Salmen Katz", eine kleine Firma, die das Ehepaar ernährte.

Paula und Salomon Katz besaßen einen stattlichen Schäferhund, "Prinz" gerufen. Nachdenklich fragt sich heute Mark Lissauer, ein Freund der Familie, was eigentlich aus den Haustieren geworden ist, als die Besitzer vertrieben wurden. (Im Zuge der Großdeportationen ordneten die Gestapostellen an, dass und wo die Tiere abzugeben waren. Zu diesem frühen Zeitpunkt hingegen gab es noch keine Regelung.)

Am 28. Oktober 1938 teilte das Ehepaar das Schicksal der etwa 1000 Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit, die in Hamburg lebten. Sie wurden direkt aus ihren Wohnungen oder von ihren Arbeitsplätzen abgeholt und konnten kaum das Allernötigste mitnehmen. Auf Lastwagen wurden sie zum Bahnhof Altona gebracht, und noch am selben Abend setzte sich der Zug in Richtung polnische Grenze in Bewegung. Die Fahrt endete in Bentschen auf deutscher Seite. Von dort mussten die Ankömmlinge sieben Kilometer zu Fuß zur Grenze laufen.

Im Niemandsland spielten sich schreckliche Szenen ab, weil die polnischen Dienststellen zunächst die Einreise verweigerte. Viele der "deutschen" Polen mussten in der Kälte im Freien kampieren, andere fanden notdürftig Unterkunft in der polnischen Grenzstadt Zbaszyn. Die meisten von ihnen wurden später weiter ins Landesinnere transportiert, für eine große Zahl von ihnen wurde das Warschauer Getto zur Endstation.

Einige der Ausgewiesenen durften noch einmal nach Deutschland zurückkehren, um dort ihre Angelegenheiten zu regeln. Zu ihnen gehörten auch Paula und Salomon Katz. In ihr eigenes Heim konnten sie allerdings nicht zurück. Entweder war die Wohnung schon geräumt oder die beiden mussten diese schmerzvolle Aufgabe jetzt in aller Schnelle selbst erledigen. Ihr gesamter Besitz wurde bei einer Spedition eingelagert. Paula und Salomon Katz kamen ins "Judenhaus" in der Dillstraße 15.

Sofort versuchten sie, ihre Auswanderung in die USA in die Wege zu leiten. Da sie kein Vermögen besaßen, hätten die deutschen Behörden sie wohl ziehen lassen, aber vermutlich fehlten ihnen die nötigen Mittel und Unterlagen und vor allem Beziehungen, um ein Visum für die USA zu bekommen. Stattdessen kam im Januar 1939 für Salomon Katz die endgültige Ausweisung nach Polen.

Seine deutsche Frau blieb vorerst noch in Hamburg, um den Umzug mit den nötigen Formalitäten zu organisieren. Sie erstellte eine genaue Liste der Umzugsguts, die keine besonders wertvollen Gegenstände enthielt, aber trotzdem vom Pelzmantel bis zum Sockenhalter von einem staatlichen Gutachter penibel geschätzt wurde.

Am 14. August 1939, zwei Wochen bevor der Krieg mit dem Angriff auf Polen begann, be­kam Paula Katz die Mitteilung, dass ihr nur noch eine Woche bis zur Passsperre bleibe. Sie ließ ihre 75-jährige Mutter Dora Salomon im Altenheim in der Sedanstraße 23 zurück und folgte ihrem Mann nach Polen. Dort gerieten die beiden in Warschau in die Wirren des Kriegsbeginns und verloren ihr Hab und Gut.

Aus den Bemühungen von Dora Salomon, den Kindern Pakete mit dem Nötigsten nachzusenden, wissen wir, dass Salomon und Paula Katz nach Tarnow, etwa 100 Kilometer östlich von Krakau, gebracht wurden. Bis September 1941 waren sie dort als "Einwohner" der Lemberger Straße 37 noch registriert. Dann verliert sich ihre Spur.

In Tarnow lebten vor dem Zweiten Weltkrieg ungefähr 25000 Juden. Zu Beginn der deutschen Besetzung und der Gründung des Generalgouvernements Polen flohen Viele weiter nach Osten, andere kamen von Westen neu in die Stadt, auch Ausgewiesene aus Deutschland. Sofort begannen gewaltsame Unterdrückungsmaßnahmen durch die Besatzungstruppen.

Als Ausführungsorgan für die deutschen Anordnungen wurde ein Judenrat eingerichtet. 1941 wurden die Maßnahmen verschärft, unter anderem mussten die Juden alle Wertsachen abgeben. Regelmäßig kam es zu gewaltsamen Übergriffen und Tötungen. Wer überlebte, war auf engstem Raum unter schlimmsten Bedingungen eingezwängt und musste Zwangsarbeit leisten.

Seit Juni 1942 wurden ungefähr 13500 Juden von Tarnow ins Vernichtungslager Belzec deportiert. Viele von ihnen fielen schon auf dem Weg dorthin, in der Stadt selbst und in der näheren Umgebung Massakern der SS zum Opfer. Man schätzt, dass während des Zweiten Welt­kriegs etwa 20000 Juden in Tarnow umgekommen sind oder nach ihrer Deportation im Vernichtungslager ermordet wurden. Zwei von ihnen waren Paula und Salomon Katz aus Hamburg.

Dora Salomon wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und von dort am 23. September 1942 weiter nach Treblinka, wo sie ermordet wurde.

© Christa Fladhammer

Quellen: 1; 2; 4; 8; Berichte per E-Mail von Mark Lissauer, Juni 2008, Rosa und Koppel Friedfertig aus Hamburg, Bericht über ihre Abschiebung aus Hamburg, in: Beate Meyer, Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945, Hamburg 2006, S. 115; de.wikepeda.org: Tarnow; de.wikepeda.org/ wiki/polenaktion.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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