Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Elsa Pollack * 1885

Bäckerbreitergang / Ecke Kaiser-Wilhelm-Straße (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
ELSA POLLACK
JG. 1885
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Elsa Pollack, geb. am 2.4.1885 in Zabrze/Hindenburg O.S., deportiert am 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof

Bäckerbreitergang 28

Als Elsa Pollack am 2. April 1885 in Oberschlesien zur Welt kam, hieß ihr Geburtsort noch Zabrze. Sie war das dritte von insgesamt elf Kindern des Ehepaares Berthold Pollack (geb. 17.11.1854 Alt Zabrze) und Fanny, geb. Scheyer (geb. 12.9.1856 Kempen). Im Jahre 1915 wurde der Ort zu Ehren des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg in "Hindenburg O.S." umbenannt. Heute heißt die polnische Stadt wieder Zabrze.

Der Vater Berthold Pollack versuchte mit verschiedenen Unternehmen seine große Familie zu ernähren. Als Lederhändler kaufte und verkaufte er Hasenfelle. Er wurde gerichtlich vereidigter Auktionator, eröffnete in der Stollenstraße ein "Kauf- und Rückkaufsgeschäft" für "sämtliche Kleidungsstücke sowie Möbel" und besaß die Allein-Verkaufslizenz der Kunzendorfer Brauerei für Doppel-Bier. Er inserierte, "empfahl" auch andere Biere und lieferte sie frei Haus. Im Sommer 1897 wurde der "Handelsmann" Berthold Pollack vom Amtsgericht Zabrze zudem zum Hundefänger bestellt. Auch am Gesellschaftsleben nahm er teil und engagierte sich als Mitglied der örtlichen freiwilligen Feuerwehr. Berthold Pollack starb am 23. März 1916. Seine Frau Fanny Pollack, die ebenfalls zur Auktionatorin zugelassen war, war bereits am 21. März 1914 verstorben.

Elsa Pollack heiratete am 2. August 1907 den nichtjüdischen Hundehändler Otto Carl Friedrich Wilhelm Jürgens (geb. 5.3.1883 in Friedland). Womöglich lernte sie ihn über die Tätigkeit ihres Vaters als Hundefänger kennen. Am 11. Dezember 1909 kam ihre gemeinsame Tochter Elfriede, Frieda genannt, in Berlin zur Welt. Das Ehepaar Jürgens ließ sich 1911 in Hamburg nieder. Hier scheiterte die Ehe und wurde 1922 geschieden.

Elsa Jürgens nahm ihren Geburtsnamen Pollack wieder an und soll im Stadtteil St. Pauli Zimmervermieterin gewesen sein. 1926 kam Tochter Frieda auf Veranlassung der Fürsorgebehörde in ein Erziehungsheim nach Ohlsdorf, vermutlich in die Mädchenanstalt in der Feuerbergstraße. Nach einem Bericht des Hamburger Jugendamtes wurde ihren Eltern das Sorgerecht entzogen, da sie "wegen ihres nicht ganz einwandfreien Lebenswandels dem Kind den nötigen Rückhalt nicht geben konnten und die Wohnung des geschiedenen Ehepaares in einem Viertel lag, das in jeder Beziehung für das Kind bei der Veranlagung als gefahrvoll anzusprechen war".

Friedas Eltern waren "wegen gemeinschaftlicher Kuppelei", ihre Mutter zudem "wegen gewerbemäßiger Unzucht" mehrfach vorbestraft.

Elsa Pollack stellte in den folgenden Jahren mehrmals Anträge auf Arbeitslosen- und Wohlfahrtsunterstützung. Ihr geschiedener Mann war zwar unterhaltspflichtig, kam aber seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach. Elsas Bruder Georg Pollack (geb. 11.11.1889) besaß in seiner Heimat ein Damenmodegeschäft und unterstützte seine Schwester bei der Mietzahlung. Infolge der schlechten Wirtschaftslage war ihm dies jedoch ab 1931 nicht mehr möglich. Elsa Pollack lernte den Seemann Leo Malmberg (geb. 24.3.1893) kennen, das Paar verlobte sich. Malmberg war finnischer Staatsbürger und fuhr auf englischen Schiffen zur See. Als er wegen einer Malariaerkrankung in Freetown im westafrikanischen Sierra Leone abmusterte, fand er nach seiner Rückkehr nach Hamburg keine neue Erwerbstätigkeit. 1933 wurde er als arbeitsloser Ausländer aus Deutschland ausgewiesen. Elsa wollte ihm, sobald er in seiner Heimat Helsingfors (heute Helsinki) Fuß gefasst hatte, folgen, erhielt jedoch keine Einreisegenehmigung. Als Unterstützungsempfängerin arbeitete sie in der Nähstube Rosenallee 11, wusch für das Finnische Seemannsheim, Große Bleichen 70 und war als Reinmachefrau im Lesesaal an der Adolphsbrücke 10 tätig. Nach einem kurzen Aufenthalt in Flensburg, in der Hoffnung dort Arbeit zu finden, war sie dann in einer Hamburger Fischfabrik tätig. In ihrer Fürsorgeakte wurde Elsa Pollack als "arbeitswillig und außerordentlich sauber" beschrieben. Eine Fürsorgemitarbeiterin notierte nach einem Hausbesuch im September 1933: "Das Quartier, das jetzt bezogen ist, ist mit den einfachsten Sachen nahezu geschmackvoll eingerichtet. Die Ausweisung ihres Verlobten geht ihr sehr nahe."

Elsa Pollack war aus der Rothesoodstraße 7 in die Jacobstraße 28 gezogen, wo sie 1935 vorübergehend ihre Tochter Frieda aufnahm. Frieda hatte nach ihrer Entlassung aus dem Erziehungsheim zunächst bei ihrem Vater in der Neustädter Straße 92 gelebt. Otto Jürgens hatte wieder geheiratet und war 1930 gestorben. Frieda war seit dem 19. Januar 1929 mit dem Schlossergesellen Klaus Heinrich Friedrich Vagt (geb. 21.3.1905) verheiratet. Die Ehe wurde am 16. April 1934 geschieden. Frieda Vagt fand Arbeit als "Tagmädchen" bei dem Arzt Gabriel Lanzkron (s. Hermann Lanzkron) und zog in die Zeughausstraße 34. Die "Arbeiterin" Frieda Vagt starb am 12. Dezember 1939 im Universitäts-Krankenhaus Eppendorf an einem Kehlkopfabszess und einer Lungenentzündung. Sie wohnte wieder bei ihrer Mutter im Bäckerbreitergang 28.

Ihre Mutter Elsa putzte zuletzt bei Frieda Bunzendahl, geb. Nooitrust (geb. 11.4.1894 in Gelsenkirchen), die ein "jüdisches Bordell" in der Winkelstraße 25 (ab 1941 Ulricusstraße, heute gibt es die Straße nicht mehr) betrieb. Ihren Deportationsbefehl für den 6. Dezember 1941 erhielt Elsa Pollack im Bäckerbreitergang 28, von dort wurde sie nach Riga-Jungfernhof deportiert, wo sich ihre Spur verliert.

Elsas Bruder Georg Pollack starb am 28. November 1941 im KZ Ravensbrück. Der ältere Bruder, Eugen (geb. 25.10.1882), lebte in Berlin, er verlor am 29. August 1940 im KZ Buchenwald sein Leben.

Frieda Bunzendahl kam 1942 aus dem KZ Ravensbrück in die Tötungsanstalt Bernburg a.d. Saale, wo sie ermordet wurde.


Stand: September 2019
© Susanne Rosendahl

Quellen: 5; StaH 332-5 Standesämter 13201 u 17/1929; StaH 332-5 Standesämter 9846 u 406/1930; StaH 332-5 Standesämter 9906 u 1898/1939; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1701 (Pollack, Elsa); StaH 213-11_6474/40; http://www.muzeum-miejskie-zabrze.pl/pollack-berthold.php (Zugriff 9.10.2016); http://www.statistik-des-holocaust.de/OT411206-25.jpg (Zugriff 9.10.2016).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang