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Bereits verlegte Stolpersteine



Walter Weis * 1922

Hammer Landstraße 227 (Hamburg-Mitte, Hamm)


HIER WOHNTE
WALTER WEIS
JG. 1922
FLUCHT 1936 TSCHECHIEN
DEPORTIERT 1943
MITTELBAU DORA
ERMORDET 27.3.1945

Weitere Stolpersteine in Hammer Landstraße 227:
Libe Taube, Simon Taube, Alfred Weis

Alfred Weis, geb. 30.3.1889 in Prag, Einlieferung am 1.9.1942 KZ Mauthausen, Tod am 14.10.1942

Walter Weis, geb. 14.12.1922 in Hamburg, Tod am 27.3.1945 im KZ Mittelbau-Dora

Hammer Landstraße 227

Alfred Weis, geb. 30.3.1889 in Prag, kam nach dem Ersten Weltkrieg nach Hamburg und heiratete dort 1921 Anna, geb. Schnürl, geb. 13.12.1899 in Teutschenrust im Sudetenland. Alfred war jüdisch, Anna stammte aus einer evangelisch-jüdischen "Mischehe". Beide besaßen die tschechische Staatsangehörigkeit und behielten sie.

Ihr erster Sohn, Walter, kam am 14.12.1922 zur Welt. Aufgrund der Inflation gelang es der Familie erst 1924, sich zu etablieren, als Alfred Weis Geschäftsführer bei der Im- und Exportfirma C.F.C. Harte & Co. GmbH mit Sitz in den Großen Bleichen 67 wurde. Alfred und Anna Weis, gelegentlich auch Weiss geschrieben, zogen nach Hamburg-Hamm in die Hammer Landstraße 227, wo sie bis 1932 lebten.

Schon 1925 schied Alfred Weis als Geschäftsführer bei C.F.C. Harte aus und machte sich als Kaufmann, mit einem eigenen Telefonanschluss, selbstständig. Am 29. Mai 1926 wurde der zweite Sohn, Ernst Peter, geboren.

Anna Weis trat 1929 als Kontoristin in das Damenmode-Kaufhaus Robinsohn ein und wurde gleichzeitig Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde. 1930 nahm Alfred Weis eine Stellung als Buchhalter an und trat ebenfalls der Jüdischen Gemeinde bei.

Eine besondere Rolle spielte in Annas Leben ihre Stimme. Ohne eine berufliche Absicht zu verfolgen, nahm sie Gesangsunterricht, um ihren Mezzosopran auszubilden.
Aufgrund von Eheproblemen trennten sich Alfred und Anna Weis vorübergehend, zogen dann aber wieder in der Sierichstraße 156 in Hamburg-Winterhude zusammen.

1932 wurde Ernst Peter in die private Bertramschule eingeschult, 1933 wechselte Walter von der Grundschule auf die reformorientierte Lichtwarkschule. Im selben Jahr wurde Alfred und Anna Weis’ Ehe geschieden. Im folgenden Jahr ging die Familie getrennte Wege.

Alfred Weis zog 1934 nach Berlin, Anna kehrte mit dem jüngeren Sohn Ernst Peter in die Tschechoslowakei zurück. Walter folgte ihr 1936 nach Prag. Anna Weis, nun Anna Weissova, setzte ihre Gesangsstudien fort, konnte aber nirgendwo auftreten. Die Voraussetzung dafür wäre die Zugehörigkeit zur Reichskulturkammer in Deutschland oder in Prag gewesen, die ihr aber als "Halbjüdin" verschlossen war. 1942 bis 1944 verdiente sie ihren Lebensunterhalt als Sekretärin.

Walter setzte seine Schulbildung auf dem Stephanus-Gymnasium in Prag fort, nahm dann aber nach der Besetzung Prags durch die deutsche Wehrmacht 1939 eine Uhrmacherlehre auf, die er regulär nach drei Jahren 1942 beendete. Danach wurde er zur Zwangsarbeit im Straßenbau herangezogen.

Sein Bruder Ernst Peter dagegen wurde als Sechzehnjähriger am 10. August 1942 in Theresienstadt inhaftiert. Über Kontakte zu seiner Mutter, seinem Bruder und seinem Vater ist nichts bekannt. 1944 bis 1945 wurde er in Wulkow bei Trebnitz, Komando Zossen "Dachs", einem Außenlager des KZ Theresienstadt, beim Stollenbau für ein Ausweichquartier der Gestapo eingesetzt. Dort erlebte er die Befreiung.

Drei Wochen nach der Deportation seines jüngsten Sohnes wurde Alfred Weis am 1. September 1942, gekennzeichnet als "Jude" und mit der Berufsangabe "Arbeiter", ins KZ Mauthausen eingeliefert, wo er die Häftlingsnummer 12624 erhielt. Es ist nicht bekannt, von woher er "zugeführt" wurde. Bereits sechs Wochen später, am 14. Oktober 1942, verstarb er. Sein Verbleib in "Block 19" im KZ weist auf seine Bestattung auf dem jüdischen Friedhof hin.

Vermutlich weil er wegen der früheren Ehe seiner Eltern (Ehen zwischen "Volljuden" und "Halbjuden" wurden wie jüdische Ehen behandelt) als "Geltungsjude" eingestuft war, oder aber aus uns unbekannten Gründen, wurde Walter Weis ebenfalls inhaftiert. Anfang 1945 befand er sich im KZ Auschwitz.

Im Zuge von dessen Räumung wurde er in das KZ Mittelbau-Dora, eine inzwischen verselbstständigte Außenstelle des KZ Buchenwald, verlegt. Dort wurde er als Jude mit der Haft-Nummer 106057 registriert. Das KZ Mittelbau-Dora war mit der Fertigung der V 2 – Rakete befasst. Ob Walter Weis dabei noch zum Einsatz kam, ist nicht bekannt. Schon am 4. Februar wurde er im Häftlingskrankenbau des Hauptlagers von Mittelbau-Dora aufgenommen. Dort, im Block 38, starb er am 27. März 1945.
Als Todesursachen wurden Erysipel (Wundrose) und Phlegmone (eitrige, sich ausbreitende Entzündung) am rechten Unterschenkel, allgemeine Körperschwäche und Enterokolitis (Dünn- und Dickdarmentzündung) angegeben.

Walter Weis wurde 22 Jahre alt, sein Vater Alfred 53.

Epilog
Anna Weis kehrte nach Hamburg zurück, wo sie 1974 starb.
Ernst Peter Weis nutzte zunächst die Genehmigung zur Teilnahme an der Beerdigung seiner Mutter in Hamburg, um sich in Hamburg niederzulassen, kehrte dann aber nach Prag zurück.

Stand: Juni 2021
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; Hamburger Adressbücher; StaH 351-11, Wiedergutmachung, 48237; Gedenkstätte Mauthausen; Totengedenkbücher Mauthausen, Dora; http://www.mybrandenburg.net/book/export/html/469; http://www.tenhumbergreinhard.de/1933-1945-lager-1/1933-1945-lager-w/wulkow-bei-neuruppin.html; http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/DE_DE_JU_grunwald.pdf.

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