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Markus Pippersberg * 1901

Axel-Springer-Platz /Ecke Große Bleichen (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
MARKUS
PIPPERSBERG
JG. 1901
VERHAFTET 9.9.1939
KZ FUHLSBÜTTEL
1940 SACHSENHAUSEN
ERMORDET 1.6.1940

Markus Pippersberg, geb. 3.5.1901 in Berlin, verhaftet am 9.9.1939 KZ Fuhlsbüttel, 1940 KZ Sachsenhausen, dort am 1.6.1940 verstorben

Axel-Springer-Platz/Ecke Große Bleichen (Fuhlentwiete 4)

Markus Pippersberg wurde am 3. Mai 1901 als Sohn des Tapezierers Chaim Pinkus Pippersberg (geb. 5.5.1877) und Bruche, geb. Mückenbrünn (geb. 1879), in Berlin geboren. Die Eltern stammten aus Brzesko und Dembica aus Galizien, das damals zur österreichisch-ungarischen Monarchie gehörte und nach dem Ersten Weltkrieg an Polen fiel (heute Ukraine).

Am 7. Juni 1905 verstarb Bruche Pippersberg im Alter von erst 26 Jahren in einer Berliner Frauenklinik, wenige Tage nachdem sie einen totgeborenen Knaben zur Welt gebracht hatte. Markus war da erst vier, sein jüngerer Bruder Adolf (geb. 7.6.1902) gerade drei Jahre alt.

Chaim Pinkus Pippersberg heiratete in zweiter Ehe Süssel Heller (geb. 24.1.1884 in Leroniowa, gest. 7.12.1936 in Altona). Die gemeinsame Tochter Else wurde am 28.11.1906 geboren. Die Ehe hielt jedoch nicht und Chaim Pinkus Pippersberg wanderte 1922 über Bremen in die USA aus. Er änderte seinen Namen in Charles Pinkus Pipersberg und verstarb 1943 in New York.

Markus Pippersberg besaß durch die Herkunft seines Vaters die polnische Staatsbürgerschaft. 1917 im Alter von 17 Jahren kam er nach Altona, vermutlich begleitete er seine Stiefmutter Süssel und Halbschwester Else. Als Else am 25. Oktober 1927 den im polnischen Zmigrod geborenen Kaufmann William Wolf Kanner (geb. 2.10.1898, gest. 11.3.1979) heiratete, wohnte sie bei ihrerer Mutter in der Großen Johannisstraße 6 in Altona (die Straße gibt es nicht mehr). Ihre Mutter Süssel heiratete am 7. Mai 1931 Jakob Götzler (geb. 27.8.1892 in Zmigrod). Das Ehepaar Götzler betrieb dann in der Großen Bergstraße 158 ein Herrengarderobengeschäft.

Markus Pippersberg absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, die auch Stenografie, Schreibmaschine und Buchhaltung einschloss. Ab 1923 arbeitete er als Abteilungsleiter für die British Continental Handelsgesellschaft und wohnte in der Margarethenstraße 15 in Hamburg-Eimsbüttel. Am 4. Oktober 1928 heiratete er Gusta Fiedler. Gusta war am 6. November 1906 in Horodenka in Galizien geboren worden. Ihre Eltern Max/Moses Fiedler (geb. 20.7.1856 in Horodenka) und Dora/Debora, geb. Goldberg (geb. 4.4.1868 in Buczacz), hatten 1888 geheiratet und ihre Heimat kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges verlassen. Das kinderreiche Ehepaar Fiedler lebte im Stadtteil Barmbek, Hamburger Straße 34, wo es ein Zigarrengeschäft betrieb. Moses Fiedler erlebte die Hochzeit seiner Tochter nicht mehr, er starb am 8. September 1927 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beigesetzt.

Als Mitgift zur Hochzeit erhielt Gusta von der Mutter die Einrichtung eines Textilwarengeschäftes im Alten Steinweg 49. Das Geschäft bot unter dem Namen "Spezialhaus Empe" Strümpfe, Handschuhe und Damenwäsche an und musste 1932 infolge der Wirtschaftskrise wieder aufgegeben werden. 1932 war auch das Jahr, in dem sich das Ehepaar Pippersberg trennte. Gusta zog mit dem gemeinsamen Sohn Gerd, der am 30. Oktober 1931 geboren worden war, in den Haushalt ihrer Mutter. Sie arbeitete nun als Verkäuferin im Zigarrengeschäft ihres Bruders Mandl Fiedler (geb. 15.11.1897, gest. 12.11.1955), der den Laden im Alten Steinweg 49 übernommen hatte und noch ein zweites Geschäft am Schulterblatt 8 besaß.

Markus Pippersberg hingegen konnte nach der Geschäftsaufgabe keine geregelte Erwerbstätigkeit finden. Nach der Trennung von seiner Frau lebte er zunächst in der ABC-Straße 6 und dann bis Ende 1936 im Eichholz bei verschiedenen Vermietern. Seine freie Zeit verbrachte er anfangs im Lesesaal der Norddeutschen Bank, auch weil es dort einen Mittagstisch für 25 Pfennige gab. Als Fürsorgeempfänger wurde er 1935 zur Unterstützungsarbeit herangezogen. An einem speziell für Juden eingerichteten Arbeitsplatz in Waltershof verletzte er sich beim Einsetzen einer Lore die Hand. Ende 1936 arbeitete er dann als Kellner in einer Gastwirtschaft, Große Bleichen 90, und wohnte im selben Haus in der "Pension König". Eine weitere Tätigkeit als Kellner im Restaurant "Lissauer", Kohlhöfen 1, verlor er Ende 1937, als eine Verwandte des Betreibers eingestellt wurde. Zwischendurch erteilte er Sprachunterricht, wahrscheinlich in Polnisch, und arbeitete im Hafen.

Am 3. März 1937 erhielten die getrennt lebenden Eheleute Gusta und Markus Pippersberg vom polnischen Konsulat die Mitteilung, dass ihnen die polnische Staatsangehörigkeit entzogen wurde und sie nun staatenlos seien. Im Jahr darauf ließen sie sich am 6. Oktober 1938 scheiden. In dieser Zeit bewohnte Markus Pippersberg ein als gut möbliert beschriebenes Zimmer bei der Witwe F. Wagner in der Fuhlentwiete 4, die dort auch einen Mittagstisch betrieb.

Markus Pippersberg leistete wieder "Pflichtarbeit", diesmal im Tief- und Straßenbau in Harsefeld bei Stade. Am 13. März 1939 geriet er auf seinem Weg zur Arbeit in Hollenbeck unter ein Pferdegespann. Nach einem längeren Krankenhausaufenthalt konnte er keine schwere körperliche Arbeit mehr verrichten. Am 9. September 1939 wurde Markus Pippersberg, wie Tausende andere polnische Juden nach Kriegsbeginn in Deutschland, verhaftet. Bis zum 15. Februar 1940 befand er sich im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel. Am 24. Februar 1940 wurde er als "Schutzhäftling" ins KZ Sachsenhausen überstellt, wo Markus Pippersberg am 1. Juni 1940 im "Krankenbau" verstarb. Wer die Überführung und Beisetzung seiner Urne auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf veranlasste, ist nicht überliefert.

Vielleicht war es Gusta, die mit ihrem Sohn Gerd und ihrer Mutter Dora Fiedler zuletzt in der Grindelallee 68, in einem Laubenganghaus wohnte. Ihren Geschwistern gelang es nacheinander, Deutschland zu verlassen. Mandl Fiedler war, nach der "Arisierung" des Tabakwarengeschäftes im Alten Steinweg 49, ohne seine Familie am 28. Oktober 1938 in der reichsweiten "Polenaktion" ins deutsch-polnische Grenzgebiet bei Zbaszyn/Bentschen abgeschoben worden. Doch ihm wurde gestattet, für einen Tag nach Hamburg zurückzukehren, nachdem seine Frau Sofie, geb. Iwanier (geb. 5.6.1902), alle zur Auswanderung nötigen Vorbereitungen getroffen hatte. Im Februar 1939 emigrierten sie mit ihren Töchtern Margot (geb. 30.7.1928) und Inge Marion (geb. 31.5.1931) über Triest nach Palästina.

Seine Mutter Dora Fiedler verließ Hamburg noch im Juli 1940, über Moskau und Japan gelangte sie in die USA. Gusta blieb mit ihrem Sohn Gerd in Hamburg zurück, obwohl auch sie Vorbereitungen zur Auswanderung in die USA getroffen hatte; eine dazu benötigte "Unbedenklichkeitsbescheinigung" war ihr bereits im August 1939 erteilt worden. Eine ehemalige Nachbarin meinte im Rahmen eines Wiedergutmachungsverfahrens: "der Sohn von Frau Pippersberg war, wie ich wohl meine, geistig nicht so ganz auf der Höhe. Ich glaube, das war auch der Grund, warum sie kein Visum nach dem Ausland bekommen hat." Ob dies, der Kriegsbeginn oder das fehlende Visum die Auswanderung verhinderten, ist nicht bekannt. In der Auswanderungsakte wurde im April 1940 handschriftlich vermerkt: "hat noch kein USA-Visum. Wird nach Polen abgeschoben". Gusta Pippersberg wurde mit ihrem Sohn Gerd am 25. Oktober 1941, kurz vor seinem 10. Geburtstag, ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz deportiert, beide wurden am 15. Mai 1942 in Chelmno/Kulmhof ermordet.

Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 5; StaH 332-5 Standesämter 6674 u 582/1928; StaH 332-5 Standesämter 8815 u 387/1927; 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1679 (Pippersberg, Markus); StaH 351-11 AfW 1283 (Fiedler, Dora); StaH 351-11 AfW 19620 (Fiedler, Mandl); StaH 351-11 AfW 20480 (Kanner, Wolf); StaH 314-15 Abl. 1998 P 277; 314-15 Fvg 9643; StaH 332-5 Standesämter 7076 u 852/1927; StaH 332-5_5405 u 1660/1936; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 391 Mitgliederliste 1935; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; www.jüdischer-friedhof-altona.de/hhfriedhoefe.html (Zugriff 10.6.2016); ancestry: Geburtsurkunde von Markus Pippersberg vom 3.5.1901 in Berlin (Zugriff 18.1.2020); ancestry: Sterberegister von Bruche Pippersberg am 7.6.1905 in Berlin (Zugriff 18.1.2020); ancestry: New York, bundesstaatliche und föderale Einbürgerungaregister, 1794-1943 für Chaim Pinkus Pipersberg (Zugriff 18.1.2020); Bajohr: "Arisierung" S. 355.

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