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Robert Hoch
Robert Hoch
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Robert Hoch * 1907

Kottwitzstraße 16 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)


HIER WOHNTE
ROBERT HOCH
JG. 1907
EINGEWIESEN 1920
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 10.8.1943
HEILANSTALT MAINKOFEN
TOT 9.8.1945

Robert Christian Hoch, geb. am 21.1.1907 in Hamburg, aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 20.5.1920, verlegt nach Mainkofen bei Passau am 10.8.1943, dort gestorben am 9.8.1945

Kottwitzstraße 16 (Hoheluft-West)

Robert Christian Hoch, geboren am 21.1.1907 in Hamburg, war das jüngste von sechs Kindern der Eheleute Johann Friedrich Hoch, geboren am 17.10.1864 in Nürnberg, und Friederike Luise, geb. Heins, geboren am 10.10.1868 in Hamburg. Die Eheleute hatten am 31. Mai 1890 in der Hansestadt geheiratet, kurz nachdem ihr erstes Kind, die Tochter Margarethe Sophie Louise, am 17.5.1890 geboren worden war. Es folgten der Sohn Johann Friedrich (1892), der Sohn Carl Hermann (1893) und die Tochter Anna (1898). Ein weiterer Sohn starb 14 Tage nach seiner Geburt.

Die Familie lebte seit 1890 zunächst einige Jahre in Altona in der Lerchenstraße 20 und 22. Hier kamen auch vier der sechs Kinder zur Welt. 1897 oder 1898 übersiedelte die Familie nach Hamburg, zunächst in die Bornstraße 10, Haus 3, im Stadtteil Rotherbaum. Ab 1901 wohnte sie in der Margarethenstraße 40 und ab 1906 in der Tresckowstraße 53, beide Adressen in Eimsbüttel gelegen. Dort kam Robert Hoch zur Welt.

Roberts Vater, Johann Friedrich Hoch, arbeitete die längste Zeit seines Lebens als Monteur. Demgegenüber wurde Johann Friedrich Hochs Beruf im Hamburger Adressbuch seit 1902 mit "Ingenieur" angegeben. Ihm gehörte dann ein Garagenbetrieb, erstmals im Adressbuch als "J.F. Hoch & Co., Hühnerposten 7, Inhaber J.F. Hoch und Heinrich Möller", 1911 ausgewiesen. Die Familie zog wahrscheinlich 1911 in die Straße Hühnerposten 9 im Stadtteil Hammerbrook am Hamburger Hauptbahnhof, also in die unmittelbare Nachbarschaft des Betriebes. In diesem Jahr starb Johann Friedrich Hoch am 1. August im Alter von noch nicht 47 Jahren.

Seine Witwe musste nun allein für die minderjährigen, noch nicht berufstätigen Kinder sorgen. Sie wohnte mit ihnen zunächst noch am Hühnerposten 9. Der Garagenbetrieb ging nach Johann Friedrich Hochs Ableben vollständig in die Hände seines früheren Kompagnons über.

Friederike Luise Hoch betrieb danach ausweislich des Hamburger Adressbuches etwa zwei Jahre eine Kaffeehandlung in der Schanzenstraße 6 und wohnte dann mit ihren Kindern in der Blücherstraße 30, damals zum Stadtteil Eppendorf gehörend, heute die Verlängerung der damaligen Kottwitzstraße in Hoheluft-West. Für ihren und den Lebensunterhalt der Kinder ging sie arbeiten. Sie hatte niemanden, der oder die auf Robert aufpassen konnte.

Bei Robert Hoch war kurz nach seiner Geburt das Down-Syndrom (Trisomie 21) festgestellt worden, für das in seiner Patientenakte nur der frühere Ausdruck "Mongolismus" verwendet wurde.

Es ist nicht vermerkt, warum Robert Hoch am 20. Mai 1920 in den Alsterdorfer Anstalten aufgenommen wurde. Seiner Patientenakte ist zu entnehmen, dass er davor mit Kindern jüngeren Alters spielte und kleine Einkäufe erledigen konnte. Er hatte die "Hilfsschule" in der Eiffestraße besucht, aber weder lesen noch schreiben gelernt. ("Hilfsschule" war ein heute nicht mehr verwendeter Name für eigenständige Schulen für Kinder, die man aus unterschiedlichen Gründen als nicht fähig zum Volksschulbesuch betrachtete.)

Robert Hoch hatte 1919 am linken Auge eine Hornhautentzündung erlitten, die zu einer Vernarbung auf der Hornhaut und zu Sehbeeinträchtigungen geführt hatte. In Alsterdorf wurde er als ein sehr scheues Kind, aber gutmütig, sauber, verträglich, anstellig und immer guter Laune beschrieben. Er ziehe sich selbst an und helfe beim Bettenmachen. Ein versuchter Schulbesuch sei ohne Erfolg verlaufen.

Immer wieder musste Robert Hoch wegen verschiedener Krankheiten in der Krankenstation aufgenommen werden. Diese Beeinträchtigungen änderten wohl nichts an seinem freundlichen Wesen. Mehrmals notierten Angestellte, Robert Hoch sei ruhig, bereite keinerlei Schwierigkeiten, helfe etwas bei der Hausarbeit und beim Füttern der Patienten. Seine Mutter beantragte oft Heimurlaub für ihren Sohn.

Nachdem die Alsterdorfer Anstalten während der schweren Luftangriffe der Alliierten auf Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 ("Operation Gomorrha") Schäden erlitten hatten, nutzte der Leiter der Alsterdorfer Anstalten, SA-Mitglied Pastor Friedrich Lensch, diese Situation und bat die Hamburger Gesundheitsbehörde um Genehmigung für den Abtransport von etwa 750 Anstaltsbewohnerinnen und -bewohnern, weil sie durch die Bombenangriffe obdachlos geworden seien. Daraufhin verließen zwischen dem 7. und dem 16. August 1943 drei Transporte mit insgesamt 469 Mädchen, Jungen, Frauen und Männern Alsterdorf in verschiedene Richtungen, darunter am 10. August 1943 ein Transport mit 113 Männern, Jugendlichen und Jungen mit dem Ziel "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" in der Nähe von Passau. Unter ihnen befand sich Robert Christian Hoch.

Die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen, von der NS-Zeit ein psychiatrisches Krankenhaus, wurde systematisch zu einer Sterbeanstalt entwickelt. Von dort wurden während der ersten Phase der "Euthanasie"-Morde bis August 1941 Menschen in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim in der Nähe von Linz verschleppt und mit Gas ermordet. 604 von ihnen sind namentlich bekannt. Nach dem offiziellen Ende der "Euthanasie" wurde der Tod der Patientinnen und Patienten in Mainkofen selbst vorsätzlich herbeigeführt durch Nahrungsentzug im Rahmen des "Bayrischen Hungererlasses" (Hungerkost, fleisch- und fettlose Ernährung, in Mainkofen als "3-b Kost" bezeichnet), pflegerische Vernachlässigung und überdosierte Medikamente. In Mainkofen starben 762 Patientinnen und Patienten in den sogenannten Hungerhäusern.

Robert Hoch und seine Leidensgenossen erreichten Mainkofen am 12. August 1943. In seiner Patientenakte ist zunächst lediglich vermerkt: "12.8.1945 [sic!] Geht heute aus den Alsterdorfer Anstalten in die hiesige Anstalt zu." Bis zum 9. August 1945, Robert Hochs Todestag, wurde kein weiterer Eintrag vorgenommen. Erst an diesem Tag wurde vergleichsweise ausführlich notiert: "In psychischer Hinsicht hat Pat.[ient] seit seiner Verlegung in die hiesige Anstalt, wie bei der Art seines Leidens nicht anders zu erwarten, immer das gleiche Zustandsbild geboten. In körperlicher Beziehung hat er nach der Alsterdorfer Krankengeschichte schon oft an Grippe, Bronchitis, pneumonischen Erscheinungen gelitten, weshalb schon dadurch ein gewisser Verdacht auf tuberkulöse Grundlage dieser Erscheinungen berechtigt ist. Vor kurzem hatte Pat. heftigen Durchfall, wie er z. Z. in ganz Nieder Bayern massenhaft auftritt; dabei aber auffallend hohes Fieber und über beiden Lungen hinten unten ziemlich rauhes Atmen und Giemen. Das Fieber ging zurück, ebenso das Giemen und der Durchfall, aber das rauhe unreine Atmungsgeräusch blieb. Im allgemeinen blieb Pat. recht elend und mußte im Bett bleiben. Seit vorgestern erhebliche Schwellung und Rötung der r.[echten] Gesichtshälfte, die weitgehend erysipelatös [Hautentzündung durch Wundrose] aussah, wenn auch der Befund nicht ganz eindeutig war. In der Nähe des r.[echten] Ohres Kratzeffekte, die der Ausgangspunkt des Erysipels sein könnten.
Heute 7 Uhr 30 gestorben.
Todesursache: Lungentuberkulose und Erysipel."

Das Schriftbild und das fehlerhafte Aufnahmedatum deuten darauf hin, dass die Eintragung über die Aufnahme in Mainkofen erst am Tage von Robert Hochs Ableben vorgenommen wurde. Es kann angenommen werden, dass Robert Hoch in Mainkofen nur eine geringe oder keine gesundheitliche Betreuung zuteil wurde.

Robert Hoch wurde 36 Jahre alt.


Von den Alsterdorfer Jungen und Männern, die am 12. August 1943 in Mainkofen eintrafen, verstarben 74 bis Ende 1945. Als Todesursache tauchte, wie in anderen Sterbeanstalten auch, immer wieder "Lungentuberkulose" auf, vierzig Mal bei den 74 Alsterdorfern, die in Mainkofen gestorben sind. "Darmkatarrh" wurde fünfzehn Mal als Todesursache genannt. Nur 39 Patienten überlebten das Jahr 1945, davon 15 Erwachsene sowie 24 Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 21 Jahren. Die überlebenden Patienten wurden am 19. Dezember 1947 nach Alsterdorf zurückverlegt.

Seit 2014 befindet sich auf dem Gelände des heutigen Bezirksklinikums Mainkofen ein "Lern- und Gedenkort", an dem die ermordeten Mainkofener Patienten namentlich genannt werden und ihrer gedacht werden kann. Eine weitere Gedenktafel erinnert an die über fünfhundert Jugendlichen und Erwachsenen, an denen Zwangssterilisationen durchgeführt wurden.

Stand: Juli 2021
© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Hamburg 1890 bis 1920; StaH 332-5 Standesämter 6274 Geburtsregister 606/1892 Johann Friedrich Hoch, 6283 Geburtsregister 3917/1893 Carl Hermann Hoch, 14862 Geburtsregister 220/1907 Robert Christian Hoch, 8545 Heiratsregister 190/1890 Friederike Luise Heins/Johann Friedrich Hoch, 3269 Heiratsregister 133/1915 Margaretha Sophie Louise Hoch/Ernst Henri Adolph Müller, 8276 Heiratsregister 156/1918 Carl Hermann Hoch/Louise Johanna Auguste Heins, 661 Sterberegister 325/1911 Johann Friedrich Hoch jr., 4600 Sterberegister 192/1944 Friederike Luise Hoch; Harald Jenner, Michael Wunder, Hamburger Gedenkbuch Euthanasie – Die Toten 1939-1945, Hamburg 2017, S. 258. Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 315 ff.

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