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Henriette Kloth * 1902

Hasselbrookstraße zwischen Hausnummer 15 und Conventstraße (früher Hasselbrookstraße 11) (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
HENRIETTE KLOTH
JG. 1902
EINGEWIESEN 1943
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 21.7.1943
HEILANSTALT HADAMAR
ERMORDET 4.5.1944

Sophie Henriette Kloth, geb. am 17.1.1902 in Hamburg, letzte Einweisung am 16.5.1943 in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn, "verlegt" am 21.7.1943 in die Landesheilanstalt Hadamar, dort ermordet am 4.5.1944

Hasselbrookstraße zwischen Hausnummer 15 und Conventstraße (früher Hasselbrookstraße 11)

Sophie Henriette Kloth kam am 17. Januar 1902 in Hamburg als Tochter von Hinrich Alwinus Kloth und seiner Ehefrau Catharina Caroline Anna, geborene Höppner, zur Welt. Sophie Henriettes Vater, evangelisch, geboren am 28. April 1863 in dem Dorf Sagau nordöstlich von Eutin, war Schuhmacher. Ihre Mutter, ebenfalls evangelisch, geboren am 3. Oktober 1864 in dem Dorf Steenkrütz nordöstlich von Bad Segeberg, arbeitete zur Zeit der Eheschließung als Dienstmädchen. Das Paar hatte am 16. November 1888 in Altona geheiratet und wohnte zunächst im Kellergeschoss in der Waterloostraße 10 in Altona, ab 1893 in der Waterloostraße 19 im Erdgeschoss. Hinrich Kloth eröffnete 1894 eine Schuh- und Stiefelhandlung in der Straße Schulterblatt 145 im Stadtteil St. Pauli.

Aus der Ehe von Catharina und Hinrich Kloth sollen insgesamt acht Kinder hervorgegangen sein, von denen sieben in den Geburts- bzw. Sterberegistern nachgewiesen werden konnten. Der 1899 geborene Sohn Friedrich Wilhelm kam als Infanterist während des Ersten Weitkriegs am 21. Juli 1918 in Frankreich ums Leben.

Anscheinend gab Hinrich Kloth sein Geschäft nach wenigen Jahren wieder auf. Die Familie ist ab 1899 im Hamburger Adressbuch verzeichnet, und zwar zunächst in Eilbek, Hirschgraben 7/9, und ab 1901 in der Papenstraße 77, ebenfalls in Eilbek. Hier wurde Sophie Henriette Kloth geboren. Ihr Rufname lautete Henriette. Die Familie wechselte in den folgenden Jahren oft die Wohnsitze, blieb aber im Stadtteil Eilbek.

Henriette Kloth besuchte die Schule bis zur ersten Klasse (die erste Klasse war damals die höchste Volksschulklasse) und war im Anschluss als Kindermädchen tätig. Ab 1924 folgte eine Anstellung beim Postscheckamt.

Etwa 1920 begann Hinrich Kloth, der inzwischen Schuhmachermeister geworden war, erneut eine eigenständige Tätigkeit. Er richtete eine Werkstatt in der Ritterstraße 76 ein, während die Familie in der Hasselbrookstraße 80 wohnte, darunter auch Henriettes Bruder Heinrich. Laut Hamburger Adressbuch versuchte dieser, von hier aus ein Bauunternehmen zu entwickeln.

Am 11. Februar 1928 starb Henriette Kloths Vater in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Die Witwe Catharina Kloth wohnte bis zu ihrem Tod am 18. Januar 1934 weiterhin mit ihrem Sohn in der Hasselbrookstraße 80, soweit wir wissen, lebte auch Henriette dort.

1929 scheinen sich bei Henriette Kloth erstmals Erschöpfungssymptome gezeigt zu haben. Aufgrund dieser Diagnose soll sie 1929 vier Wochen in einem Sanatorium gewesen sein.

Von Oktober 1935 bis Juni 1940 lebte Henriette Kloth im Versorgungsheim Oberaltenallee im Stadtteil Uhlenhorst, ob als Mitarbeiterin oder als Bewohnerin, ist nicht überliefert. Im November 1940 wurde sie wegen eines Nervenleidens in der Psychiatrischen und Nervenklinik der Hansischen Universität in Hamburg-Eilbek, (bisher Staatskrankenanstalt Friedrichsberg) aufgenommen und nach fünf Tagen wieder entlassen. Wie sie später berichtete, arbeitete sie danach in verschiedenen Betrieben als Packerin. Manchmal habe sie plötzlich weinen müssen und dann nicht mehr arbeiten können. Sie habe sich sehr oft erschöpft gefühlt. Weil sie nicht tüchtig genug gewesen sei, habe sie ihre Arbeitsstellen immer wieder verloren.

Ab Anfang August 1941 befand sich Henriette Kloth erneut als Patientin in der Klinik in Eilbek. Offenbar wegen der Weinanfälle nahmen die Ärzte bei ihr eine Depression an. Ab 15. September 1941 wurde sie versuchsweise bis Ende Oktober als Hausgehilfin in der Diakonischen Anstalt Anscharhöhe, Haus Ansgar, beschäftigt. Henriette Kloth wurde als stiller, bescheidener Mensch wahrgenommen, der den Anforderungen nicht gewachsen war. Es wurde vorgeschlagen, ihr eine Arbeitsstelle mit mehr mechanischen Tätigkeiten wie Kartoffelschälen und Gemüseputzen zu suchen.

Nachdem sie die Anscharhöhe verlassen hatte – den genauen Termin kennen wir nicht –, fand sie eine Unterkunft in der Hasselbrookstraße 11, wahrscheinlich zur Untermiete und eine Stellung als Hausgehilfin, die sie aber aufgeben musste, weil ihr die Arbeit "zu schwer" war. Die anschließende Arbeit in einer Fabrik, wieder als Packerin, verlor sie, nachdem sie sich zu Weihnachten 1941 krankmelden musste. Sie schlief schlecht, ermüdete sehr schnell und musste weiter oft weinen. Mit der Diagnose "Nervenleiden" wurde Henriette Kloth am 10. Januar 1942 erneut in der Klinik in Eilbek aufgenommen. Dort wurde sie wieder als freundlich und zugänglich wahrgenommen. Sie habe fließend und ohne Hemmungen erzählt. Sobald ihre Erkrankung angesprochen wurde, sei sie weinerlich und depressiv gewesen.

Am 19. Januar 1942 wurde sie in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn überwiesen, wo sie bis zum 26. August 1942 blieb. Hier wurde sie als depressiv und schwach sowie kraftlos beschrieben. Sie war aber energisch genug, um gegenüber dem Anstaltsarzt Saupe ihre Entlassung aus der Anstalt anzumahnen:
"Sehr geehrter Herr Doktor Saupe!
Da ich nun bereits über ein halbes Jahr schon hier bin und ich jetzt endlich mal entlassen werden möchte, möchte ich Sie höflichst drum bitten sich um meine Entlassung zu bemühen, was ich hier arbeiten kann, kann ich draußen schon lange. Da ich meine Verwandten nicht drum belästigen möchte und ich sonst nur noch eine Dame draußen habe, die mich gern wieder haben möchte, möchte ich Sie, Herr Doktor Saupe bitten, das weitere zu veranlassen. Denn ich muss doch mal wieder ans Geldverdienen denken kommen. Ich will den Hamburger Staat doch nicht immer belasten, sondern entlasten, in dem ich draußen wieder tüchtig arbeite. […] In dem ich um Ihre diesbezügliche Antwort bitte, zeichne ich mit deutschem Gruß Henriette Kloth"

Henriettes Kloths Zustand wurde bei ihrer Entlassung aus der Anstalt in Langenhorn im August 1942 als "gebessert" notiert. Sie fand wieder Arbeit, zuletzt bei dem Hersteller Technischer Lederwaren K. Pöschel in der Ulmenstraße 18 in Winterhude. Doch auch hier konnte sie nicht dauerhaft Fuß fassen. Am 16. Mai 1943 wurde Henriette Kloth wieder, diesmal von der Polizei nach § 22 Hmb. Verhältnisgesetz, in Langenhorn eingewiesen. (Nach dieser aus dem Jahre 1879 stammenden und 1923 novellierten Rechtsvorschrift waren die Polizeibehörden befugt, Personen "in Verwahrung zu nehmen", wenn der eigene Schutz dieser Personen oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ruhe oder die Abwendung von Gefahren für andere Personen dies erforderlich machten.) Mit Ausnahme von "Uneinsichtigkeit" wissen wir nicht, wie Henriette Kloths zweite Einweisung in die Anstalt Langenhorn begründet wurde.

Wenige Wochen später, am 1. Juli 1943, wurde Henriette Kloth mit einem Transport von 50 Frauen aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in die Heil- und Pflegeanstalt Hadamar bei Limburg an der Lahn verlegt.

Die Heil- und Pflegeanstalt Hadamar war bis Ende August 1941 eine der sechs Tötungsanstalten im Deutschen Reich, in denen die Kranken mit Gas ermordet wurden. Ab August 1942 wurden die Morde an körperlich oder geistig behinderten oder psychisch kranken Menschen fortgesetzt, jetzt jedoch nicht mehr mit Gas, sondern durch von Ärzten und Pflegern verabreichte Injektionen, überdosierte Medikamente sowie durch planmäßiges und vorsätzliches Verhungernlassen.

Eine Notiz vom 3. Mai 1944 in Henriette Kloths Krankenakte besagt, sie soll "rapide verfallen" gewesen sein. Am Tag darauf starb sie. Als Todesursache wurde notiert: "Geisteskrankheit, Verfall, Herzschwäche".

Es ist davon auszugehen, dass Henriette Kloth keines natürlichen Todes starb.

Stand: Juni 2023
© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Hamburg; StaHH 332-5 Standesämter 6268 Geburtsregister 878/1891 Anna Catharina Dorothea Kloth, 6277 Geburtsregister 3364/1892 Detlef Johann Heinrich Kloth, 6258 Geburtsregister 2330/1889 Minna Marie Catharina Kloth, 13179 Geburtsregister 924/1899 Friedrich Wilhelm Kloth, Geburtsregister 277/1900 Heinrich Johannnes Gustav Kloth, 13827 Geburtsregister 136/1902 Sophie Henriette Kloth, 5203 Sterberegister 2193/1889 Minna Marie Catharina Kloth, 6819 Sterberegister 1078/1896 Heinrich Kloth, 7068 Sterberegister 150/1928 Heinrich Alwinus Kloth, 7163 Sterberegister 14/1934 Catharina Caroline Anna Kloth, 5905 Heiratsregister 1175/1888 Hinrich Alwinus Kloth/ Catharina Caroline Anna Höppner, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1990/1 29532 Kloth Henriette. Peter von Rönn u.a., Wege in den Tod, Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 347 ff., 492.

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