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Bereits verlegte Stolpersteine



Johann Wilhelm Jasper * 1898

Kaiser-Wilhelm-Straße 20 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
JOHANN WILHELM
JASPER
JG. 1898
IM WIDERSTAND / KPD
VERHAFTET 28.2.1933
1933 UG HOLSTENGLACIS
TODESURTEIL 25.9.1934
HINGERICHTET 29.9.1934

Johann Wilhelm Jasper, geb. am 28.1.1898 in Meldorf, mehrfach inhaftiert, hingerichtet am 29.9.1934 im Untersuchungsgefängnis Hamburg-Stadt, Holstenglacis 3

Kaiser-Wilhelm-Straße 20 (Neustädter Straße 87)

"Hamburg 28. September 1934
Abschiedsbrief
Mein lieber Bruder Emil und Grete und Kinder. Habe heute um 6 Uhr abends die freudige Nachricht bekommen, dass ich morgen früh um 6 Uhr hingerichtet werde. Mein lieber Bruder, du darfst nicht traurig sein, denn das ist Schicksal eines Menschen. Du darfst nicht schlecht von mir denken, ich war ein treuer Soldat der Revolution, habe die Richtlinien meiner Partei und der Roten Marine treu durchgeführt, ich war Orgleiter der Roten-Marine, bin wegen 4 Bomben und Terroraktionen vom Sondergericht Hbg. im Namen des Volkes zu 40 Jahren Zuchthaus und zum Tode verurteilt. Ich bin 20 Monate in Haft, davon 10 Monate in der Irrenanstalt. Habe ein Martyrium hinter mir, bin seelisch und körperlich kaputt und freue mich, dass ich meine Ruhe habe. Meine liebe Christel ist die Nacht bei mir. Sie hat treu zu mir gehalten. [...] In der Hoffnung, dass Ihr noch gute Jahre verleben werdet. Nun seid vielmals gegrüßt von eurem und Deinem treuen Bruder Wilhelm. Organisationsleiter der Roten-Marine."

Mit diesen Zeilen verabschiedete sich Wilhelm Jasper in der Nacht vor seiner Hinrichtung. Er gehörte zu den ersten politischen Gegnern des NS-Regimes, gegen die nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler die Todesstrafe in Hamburg verhängt wurde (Altona gehörte bis 1937 noch nicht zu Hamburg, dort verurteilte das Sondergericht im Zusammenhang mit dem "Altonaer Blutsonntag" am 2. Juni 1932 die Kommunisten August Lütgens, Walter Möller, Bruno Tesch und Karl Wolff zum Tode, siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Wilhelm Jasper war in Meldorf im Kreis Dithmarschen am Sandberg 22 (heute Marschstraße 37) in einfachen Verhältnissen geboren worden. Er soll das achte Kind des Ehepaares Christian Jasper und Carolina, geb. Gloy, gewesen sein, drei seiner Geschwister verstarben früh. Sich selbst beschrieb Wilhelm Jasper als "Holsteiner Junge" und seinen Urgroßvater als Freiheitskämpfer. Mit 18 Jahren war Wilhelm Jasper zur Kriegsmarine eingezogen worden. Nach dem Ersten Weltkrieg fuhr er als Matrose zur See. Seine spätere Ehefrau Christina Maria Vaessen, geschiedene Persyn, lernte er in Meldorf kennen. Sie heirateten am 22. Juli 1922 in Hamburg. Christina Vaessen war am 15. März 1894 in Roermond in der niederländischen Provinz Limburg als Tochter des "Kunstglaswerkmaker" Hubertus Johannes Vaessen (geb. 6.8.1870) und Maria Petronella Hubertina, geb. Stroot (geb. 1871), geboren worden. Sie wuchs mit mehreren Geschwistern auf und verließ ihre Heimat 1917.

Das kinderlose Ehepaar wohnte 1928 in der Neustädter Straße 87. Wilhelm Jasper arbeitete als Schauermann im Stauereibetrieb "Einheit", Vorsetzen 42, der sich ausschließlich mit dem Be- und Entladen sowjetischer Schiffe beschäftigte. Der Betrieb wurde im September 1933 auf Veranlassung der Gestapo geschlossen. Wilhelm Jasper war Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und des am 3. Mai 1929 verbotenen Rotfrontkämpferbundes (RFB), der paramilitärischen Organisation der KPD. Fester Bestandteil des RFB war die "Rote Marine", die in drei Sektionen aufgeteilt war. Die "Rote Marine", 1925 gegründet, bestand größtenteils aus Seeleuten und ehemaligen Matrosen, wie Wilhelm Jasper. Sie blieb auch nach ihrem Verbot in der Weimarer Republik politisch aktiv.

Ende der 1920er Jahre, Anfang der 1930er Jahre wurde Wilhelm Jasper wegen "Widersetzung und Nichtbefolgung polizeilicher Anordnung" mehrfach verhaftet. Mit Anhängern der NSDAP, die durch Propagandamärsche versuchten, in den Arbeiterwohnvierteln Einfluss zugewinnen, kam es fast täglich zu Auseinandersetzungen, bewaffneten Überfällen und Straßenkämpfen. Dabei gab es auf beiden Seiten Tote und Verletzte.

Wilhelm Jasper wurde Organisationsleiter der 3. Sektion der "Roten Marine Neustadt". Der ehemalige politische Leiter Herbert Baumann schrieb 1981 in seinen Erinnerungen: "Als Org.-Leiter der Sektion wurde auf mein Verlangen Willi Jasper eingesetzt. Willi war der ideale Kandidat für diesen Posten, sein einziger Fehler war seine Bescheidenheit, das hinderte ihn jedoch nicht daran, ziemlich anspruchsvoll und streng zu sein. Seine ausschließliche Autorität als Org.-Leiter erwarb er sich, indem er von niemandem mehr verlangte, als er selbst zu vollbringen im Stande war."

Am 26. Februar 1933, nach einem bewaffneten Überfall der "Roten Marine" auf ein Verkehrslokal der NSDAP an den Brodschrangen, bei dem ein einschreitender Polizeibeamter und zwei unbeteiligte Passanten verletzt wurden, erlitt auch Wilhelm Jasper eine Schussverletzung. Er wurde am selben Tag im Hafenkrankenhaus polizeilich verhört und zwei Tage später ins Untersuchungsgefängnis Hamburg-Stadt am Holstenglacis verlegt, wo er die ersten zwei Monate im Lazarett verbrachte. Wilhelm Jasper wurde während der Verhöre durch das "Kommando zur besonderen Verwendung" (K.z.b.V.) schwer misshandelt, die Befehlsgewalt unterstand Ernst Simon, Chef der Hamburger Ordnungspolizei.

Er erlitt Verletzungen am Kopf, die Zähne wurden ihm ausgeschlagen. Aufgrund der psychischen und körperlichen Gewalt verlor Wilhelm Jasper die Fähigkeit zu sprechen und konnte nur noch schriftlich mit seiner Umwelt kommunizieren.

Am 24. November 1933 wurde Wilhelm Jasper zur Beobachtung in die Heil- und Pflegeanstalt nach Langenhorn verlegt. In diesen zehn Monaten wurde er auch dort von zwei Pflegern, Dorsch und Kellermann, schwer misshandelt. Deren Gründe teilte Wilhelm Jasper später seiner Frau schriftlich auf einem Zettel mit: "Ich sollte sprechen, aber ich konnte es doch nicht." Am 25. September 1934 verurteilte ihn das Hanseatische Sondergericht im Verfahren "Hesse und Andere" und "von Bargen und Andere" wegen "versuchten Mordes, schweren Landfriedensbruchs und Sprengstoffverbrechens" zum Tode. Christina Jasper durfte ihren Mann in der Nacht vor seiner Hinrichtung noch einmal sehen.

"Die letzten Stunden mit Dir waren die schönsten meines Lebens", schrieb er in einem Abschiedsbrief. Im Glauben, auf dem Ohlsdorfer Friedhof seine letzte Ruhestätte zu finden, bat er sie, auch das Grab von Jonny Dettmer (geb. 11.9.1901, hingerichtet am 19.5.1934) nicht zu vergessen, "er war mein bester Freund im Leben".

Die letzten Stunden mit dem Gefängnisgeistlichen zu verbringen, lehnte Wilhelm Jasper ab: "Geehrter Herr Pastor, ich bin Dissident und Kommunist und bedarf ihrer Betreuung nicht [...] ich finde die Nacht und meinen Weg als Kommunist alleine."

Am 29. September 1934 morgens um 6 Uhr wurde Wilhelm Jasper im Hof des Untersuchungsgefängnisses Hamburg-Stadt von Scharfrichter Carl Gröpler (geb. 1868, gest. 1946 in der Strafanstalt Halle) mit dem Handbeil hingerichtet. Sein Leichnam wurde dem anatomischen Institut der Universität Hamburg übergeben.

Christina Jasper war nach der Verhaftung ihres Mannes aus dem Staatsdienst, wo sie als Reinmachefrau beschäftigt war, entlassen worden. Sie musste nun Pflichtarbeit in verschiedenen Krankenhäusern verrichten und stand unter Aufsicht der Gestapo, die ihr nahelegte, in ihre Heimat zurückzukehren. Um nicht abgeschoben zu werden ("ich hatte das Gefühl, dass ich niemals ins Ausland gekommen wäre, da ich zuviel wusste und den Nazis schaden konnte"), ging Christina Anfang 1940 eine dritte Ehe ein.

Christina Wassermann starb 1952 in Hamburg.

Der Stolperstein für Wilhelm Jasper wurde in der Kaiser-Wilhelm-Straße 20 vor einem Nachkriegsbau verlegt. Die alten Wohnhäuser der Neustädter Straße, die früher über die Kaiser- Wilhelm-Straße bis zur Fuhlentwiete verlief, existieren heute nicht mehr.

Ein weiterer Stolperstein erinnert an Wilhelm Jasper in seiner Geburtsstadt Meldorf in der Marschstraße 37 und an seinen Freund Jonny Dettmer im Eilbecktal 2 (siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 351-11 AfW 15927 (Wassermann, Christina); StaH 332-5 Standesämter 3429 u 620/1922; StaH 332-5 Standesämter 1023 u 308/1934; StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht Verwaltung Abl. 1, 157; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgerichte A16895/31; StaH 241-1 I Justizverwaltung 2546; Bericht von Herbert Baumann, Rostock 1981 zur Verfügung gestellt von der Gedenkstätte Ernst Thälmann Hamburg-Eppendorf, Archiv; https://www.wiewaswie.nl/personen-zoeken/zoeken/ document/a2apersonid/172339913/srcid/21073712/oid/36 (Zugriff 6.10.2016); http://www.pondes.nl/ detail/i_d_ENG.php?inum=830907651 (Zugriff 6.10.2016); Diercks: Dokumentation, S. 24; Seeger/Treichel: Hinrichtungen, S. 34–35; http://roterhusar.org/rwca/projektmeldorf/jasper.html (Zugriff 6.10.2016).
Der Abschiedsbrief sowie die Zitate im Text wurden wegen der besseren Lesbarkeit nach der heutigen Rechtschreibung korrigiert.

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