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Lina Katz * 1882

Brahmsallee 15 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
LINA KATZ
JG. 1882
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Caroline "Lina" Katz, geb. am 26.11.1882 in Minden, deportiert am 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof

Brahmsallee 15 (Hansastraße 57)

Lina Katz wurde am 26.11.1882 als Tochter des Handelskaufmanns David Katz (1852–1925) und seiner Frau Sophie, geb. Mendel (1853–1936), in Minden geboren. Sie wuchs mit neun Geschwistern auf: Hermann (1872), Johanna (1876), Max (1878), Dora (1880), Jeanette (1885), Emilie (1887), Käthe (1890), Rosalie (1892), Bertha (1894).

Wir wissen wenig über Lina Katz’ Leben in ihrer großen Familie. Lina Katz wohnte bereits seit Oktober 1909 in Oldenburg, Bismarckstraße 25. Ob sie dort einer beruflichen Tätigkeit nachging, ist nicht bekannt.

Linas Vater David Katz eröffnete 1911 ein Geschäft für Modewaren in der Mindener Hohnstraße 32. 1913 erwarb die Familie ein eigenes Wohnhaus in der Brüderstraße 27. Als Miteigentümerin zeichnete die 1880 geborene Tochter Dora. Das Modegeschäft entwickelte sich positiv. Die Mindener kauften gern dort ein, da das Angebot vielfältig war. Bis zum Jahre 1933 erzielte das Geschäft einen monatlichen Gewinn von ca. 900 bis 1100 RM. Nach dem Tode David Katz’ im Jahre 1925 führten die Töchter Emilie und Käthe das Geschäft gemeinsam mit ihrer Mutter fort. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 und dem Boykott gegen jüdische Geschäfte und Betriebe am 1. April 1933 sanken die monatlichen Gewinne auf ca. 200 bis 400 RM. 1936 starb Sophie Katz und die Schwestern einigten sich, den Betrieb aufzugeben.

Bereits seit dem 13. Jahrhundert existierte in Minden eine Jüdische Gemeinde, die im Laufe der Jahrhunderte stark anwuchs und im 19. Jahrhundert bis zu 400 Mitglieder zählte. Ihr gehörte eine Synagoge und ein Jüdischer Friedhof, der jedoch irgendwann den Festungsbauten zum Opfer fiel und später durch einen neuen ersetzt wurde. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstörten SA-Männer die Synagoge unter den Augen der Obrigkeit, der Feuerwehr und etlicher Schaulustiger. Sie wurde kontrolliert abgebrannt, die Ruine einige Tage später abgerissen.

Im April 1938 wechselte Lina Katz die Wohnung in Oldenburg und wohnte bis Februar 1939 in der Lindenallee 33, die vorher Meinardusstraße hieß. Dieses Haus gehörte seit 1932 Ivo Israels (1881–1940 in der Emigration), der hier bis 1938 eine Viehhandlung betrieb. Im März 1939 folgte ein erneuter Umzug in die Donnerschweerstraße 59, in das Haus der Bäckerei Louis Wiesenfeld, welches sich ab 1935 im Besitz seiner Schwester Sophie (1876) befand. (Sophie Wiesenfeld wurde am 18. November 1941 von Hamburg nach Minsk deportiert.)

Seit dem 26. April 1938 mussten die Juden ihr Vermögen anmelden, sofern es mehr als 5000 RM betrug. Nachdem Lina Katz die Vermögensaufstellung eingereicht hatte, legte ihr der Oberfinanzpräsident Weser-Ems in Bremen am 21. September 1939 eine "Sicherungsanordnung" auf. Dies hatte zur Folge, dass Lina Katz nur auf Antrag auf ihr Konto zugreifen konnte. Mit Schreiben vom 20. September 1940 teilte die kontoführende Landessparkasse zu Oldenburg mit, dass sich auf dem "Judenkonto" ein Guthaben in Höhe von 3550,85 RM befand.

In Oldenburg konnte Lina Katz nicht länger bleiben, denn die nationalsozialistischen Drangsalierungen gegen Juden nahmen zu. Ihr Ziel war es, die Stadt möglichst rasch "judenrein" zu melden. Aus einem Aktenvermerk des Oberfinanzpräsidenten Bremen geht hervor, dass Lina Katz wegen eines nicht genannten "Delikts" zu drei Tagen Gefängnis bzw. einer Geldstrafe von zweimal 10 RM verurteilt wurde.

Lina Katz verließ Oldenburg, zog nach Hamburg und ließ sich als Mitglied der Jüdischen Gemeinde registrieren. Sogleich meldete sie ihre Adresse sowie das neu eingerichtete "Sicherungskonto" bei der Hamburger Sparkasse von 1864 dem Oberfinanzpräsidenten in Bremen. Monatlich durfte sie über 150 RM verfügen. Aus ihrer Kultussteuerkarteikarte erfuhren wir, dass sie bei dem Ehepaar Minka und Julius Behrend (s. dort) in der Hansastraße 57 Unterkunft fand. Als Beruf war Heimarbeiterin angegeben. Vielleicht nähte sie für jüdische Kunden.

Am 28. Oktober 1941 beantragte Lina Katz bei der Devisenstelle 200 RM für Neuanschaffungen und Umzugskosten, über die sie verfügen durfte. In der neuen Wohnung verbrachte die nunmehr fast 60-Jährige nur kurze Zeit. Zusammen mit dem Ehepaar Behrend lebte sie Anfang November 1941 in der Grindelallee 23. Wann genau Lina Katz den Deportationsbefehl erhielt, ist unklar. Am 24. November 1941 stellte sie erneut einen Antrag bei der Devisenstelle über 300 RM für "Anschaffungen zur Evakuierung", wie die Deportationen von den Nationalsozialisten verharmlosend genannt wurden.

Am 6. Dezember 1941 wurde Lina Katz nach Riga-Jungfernhof, einem Außenlager des Gettos Riga, deportiert und dort ermordet.

Was ist uns über die Lebens- und Schicksalswege von Lina Katz’ Geschwistern bekannt?
Hermann Katz, der Älteste, heiratete am 18. November 1905 die am 14.5.1875 geborene Maria Schnabel aus Weinsberg. Die Ehe wurde 1908 vor dem Landgericht in Karlsruhe geschieden. Welche berufliche Tätigkeit Hermann Katz ausübte, ist unbekannt. 1920 ließ er sich mit seiner zweiten Frau Fanny, geborene Schaumberger, die am 2.2.1881 in Angenrod/Hessen zur Welt kam, in der Wolfhager Straße 21 in Kassel nieder. Nachdem sie dort fast 20 Jahre gelebt hatten, wurde das Ehepaar am 1. November 1939 in ein Wohnhaus in die Mönchebergstraße 19 umquartiert. Vor seiner Deportation lebte das Ehepaar im Kasseler Lager Wartekuppe, einem sogenannten Mischlingslager. Von dort wurden Hermann und Fanny Katz am 7. September 1942 ins Getto Theresienstadt, von dort am 29. September 1942 ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. Zum Gedenken an Hermann und Fanny Katz werden vor ihrem letzten frei gewählten Zuhause in Kassel Stolpersteine verlegt.
Max Katz wohnte in Köln und war als Kaufmann tätig. Möglicherweise aus beruflichen Gründen zog er nach Gütersloh, wo er Selma Hamlet (1885) aus Schötmar/Lippe kennenlernte, die für einige Wochen im Kaufhaus ihres Bruders arbeitete. Am 25. Mai 1913 heirateten sie. Die einzige Tochter Hilde wurde am 18.3.1914 geboren. Die kleine Familie wohnte zunächst in der Berliner Straße 65. 1923 wechselte sie die Wohnung und lebte bis 1932 im Haus Feldstraße 15, anschließend an der Hohenzollernstraße 1. Unter beiden Adressen betrieb Max Katz eine Großhandlung für Sattler- und Polsterwaren; offenbar ein einträgliches Geschäft. Es ermöglichte der Tochter Hilde von 1933 bis 1935 ein Studium an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg. Nach dessen Abschluss unterrichtete sie bis 1941 am Jüdischen Gymnasium Jawne in Köln. Hier lernte Hilde Katz ihren zukünftigen Mann, den Kollegen Hans Joseph Heinemann (1915–1978) kennen, 1938 wurde geheiratet. Ihrem Ehemann gelang es, als Begleiter eines Kindertransportes nach London zu emigrieren. 1949 wanderte er nach Israel aus.
Max Katz wurde im Zuge des Novemberpogroms vom 12. bis 21. November 1938 in Buchenwald mit der Haftnummer 30469 inhaftiert. Nach seiner Entlassung durfte das Ehepaar nicht länger in der bisherigen Wohnung bleiben. Sie wurden im März 1939 in das frei gewordene "Judenhaus" Bismarckstraße 16 umquartiert. Die Tochter Hilde Heinemann arbeitete ab Frühjahr 1941 als landwirtschaftliche Gehilfin in den Hachschara-Lagern in Hamburg-Rissen und Steckelsdorf bei Rathenow. Sie kehrte nach Gütersloh zurück. Am 31. März 1942 wurden Max und Selma Katz sowie Hilde Heinemann, geb. Katz, von Gelsenkirchen über Bielefeld ins Getto von Warschau deportiert.
Max Katz wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Gütersloh 1950, seine Tochter Hilde 1966 vom Amtsgericht Hamburg-Blankenese für tot erklärt. In Gütersloh wurden 2006 zum Gedenken an die Familie Stolpersteine verlegt.
Dora Katz verkaufte am 28. Dezember 1938, zugleich im Namen ihrer Schwestern, auf Druck der Nationalsozialisten das angestammte Wohn- und Geschäftshaus der Familie. Mittlerweile hatten ihre Geschwister Minden verlassen. Wie vor ihr bereits ihre Schwester Jeanette, verzog Dora Katz am 4. Juli 1939 nach Hannover in die Wagenerstraße 1. Aus dem Bundesgedenkbuch erfuhren wir, das Dora Katz als "verschollen" galt. Vom Amtsgericht Hannover wurde sie auf den 31. Dezember 1945 für tot erklärt. Damit endete zunächst die Spurensuche. Dann fand sich über Umwege doch ein Hinweis: Dora Katz hatte geheiratet. Bei welcher Gelegenheit sie ihren Ehemann kennenlernte, ist nicht bekannt. Dora Katz heiratete am 11.November 1939 den Hannoveraner Max Silberberg (1885). Eine Wohnung fand das Ehepaar im Haus Klagesmarkt 7. Das Glück währte nicht lange. Dora und Max Silberberg wurden Anfang September 1941 in dem Massenquartier Bergstraße 8 untergebracht. Am 15. Dezember 1941 wurden sie ins Rigaer Getto deportiert. Vor ihrer letzten frei gewählten Adresse in Hannover werden zu ihrem Gedenken Stolpersteine verlegt.
Jeanette Katz lebte seit September 1937 in Hannover unter der Adresse Hannover-Ahlem, Wunstorfer Straße 16A. Von dort wurde sie am 15. Dezember 1941 ins Rigaer Getto deportiert. Zur Erinnerung an Jeanette Katz wird vor ihrem letzten Wohnort ein Stolperstein verlegt.
Die Schwestern Emilie und Käthe Katz wohnten zusammen in Berlin-Charlottenburg, Sybelstraße 49. Von hier wurden sie am 14. Dezember 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Zum Gedenken an beide werden Stolpersteine vor ihrer letzten Wohnadresse verlegt.
Die intensive Recherche zu der 1876 geborenen Schwester Johanna Katz blieb erfolglos. In einer Erklärung aus dem Jahre 1957 sprach die überlebende Schwester Rosalie von ihren sechs ermordeten Geschwistern. Johanna blieb unerwähnt. Daraus schließen wir, dass Johanna Katz vielleicht eines natürlichen Todes starb.
Die beiden jüngsten Schwestern von Lina Katz, Rosalie und Bertha, überlebten. Sie heirateten Ende der 1930er-Jahre und emigrierten zusammen mit ihren Ehemännern nach Südamerika.

Im Herbst 2001 wurde in Oldenburg das Erinnerungsbuch für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus vorgestellt. Darin sind 585 Lebensdaten verfolgter Juden veröffentlicht. Lina Katz und ihre Schwestern sind in Oldenburg nicht vergessen.

Stand: September 2016
© Sonja Zoder

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; AB; StaH 314-15 R 1940/449 OFP Oberfinanzpräsident; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Bd. 3 Deportationslisten; Stadtarchiv Gütersloh div. Mails mit Stephan Grimm im September 2014; Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Archiv Torsten Jugl per Mail v. 8.9.2014; Mindener Tageblatt vom 14.6.2008 von Hans-Werner Dirks und Harald Scheurenberg am 13.8.2014; Juden in Minden: Dokumente und Bilder jüdischen Lebens vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, S. 80; Spuren jüdischen Lebens, S. 40/41; (Zugriff 27.10.2014: http://de.wikipedia.org/wiki/Minden; http://www.hannover.de/Kultur-Freizeit/Architektur-Geschichte/Stadtgeschichte/Stolpersteine/Liste-der-verlegten-Stolpersteine und Peter Schulze div. Mails September 2014; www.mindener-juden.kommunalarchiv-minden.de/getperson.php?; http://erinnerungsbuch-oldenburg.de und Jörg Paulsen per Mail am 31.8.2014; http://www.online-ofb.de auf Familiendatenbank Juden im nördlichen Teil des ehemaligen Deutschen Reiches am 1.9.2014; http://digital.lb-oldenburg.de; http://stolpersteine-minden.de/standorte/; http://www.guetersloh.de und Stephan Grimm Mail vom 10.9.2014; http://stolpersteine.jimdo.com/stolpersteine-in-kassel/wohnungen/ am 6.9.2014; http://www.hannover.de/Kultur-Freizeit/Architektur-Geschichte/Erinnerungskultur/Stolpersteine am 9.9.2014; Schriftliche Hinweise von Stephan Grimm, Jörg Paulsen und Peter Schulze.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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