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Bereits verlegte Stolpersteine



Arno Zacharias * 1904

Grevenweg 89 (Hamburg-Mitte, Hamm)


1937 Flucht Holland
deportiert 1942
Auschwitz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Grevenweg 89:
Selig Seligmann

Arno Zacharias, geb. 24.6.1904 Wischwill a.d. Memel, ermordet 18.12.1942 in Auschwitz

Grevenweg 89 (früher: Grevenweg 109)

Aus den ersten 21 Lebensjahren von Arno Zacharias ist nicht viel bekannt. Er wurde am 24. Juni 1904 in Wischwill an der Memel, dem heutigen Vieside/Viesiele in Litauen, in eine deutsch-jüdische Familie hinein geboren und hatte sechs Geschwister. Seine Eltern, Simon Zacharias und Johanna, geb. Rautenberg, stammten beide aus Ostpreußen, der Vater (geb. 30.1.1873) aus Mehlaucken, die Mutter (geb. 16.9.1880) aus Landberg/Preußisch Eylau. Die Eltern und die Brüder Alfred (8.8.1906) und Kurt (14.1.1910) lebten zur Zeit der NS-Herrschaft in Königsberg, der Sohn Chaim ging nach Palästina.

Arno Zacharias durchlief eine kaufmännische Lehre. Wann er nach Hamburg kam, ließ sich nicht ermitteln. Er trat am 6. Juli 1925 in die Deutsch-Israelitische Gemeinde ein und schied mit seiner Emigration in die Niederlande ca. zwölf Jahre später aus. Zunächst war er als Verkäufer von Leinen- und Baumwollwaren tätig, zuletzt bekleidete er eine Stellung als Verkaufsleiter im "Warenhaus Hermann Tietz", aus der er 1934 entlassen wurde, als "arische" Geschäftsführer eingesetzt und das Kaufhaus in "Alsterhaus" umbenannt wurde.

Als lediger Angestellter zog Arno Zacharias mehrfach um und wohnte stets zur Untermiete. Im Grevenweg 109 hatte er nichtjüdische Wirtsleute, den Schuhmacher Carl Abraham und seine Ehefrau Anna, geb. Müller, deren Geschäft in der Süderstraße 174 lag. Ihre Tochter Erna, geb. 7.3.1906 in Harburg, war ebenfalls in der Branche ausgebildet worden; sie lebte im Haushalt ihrer Eltern. Nach Carl Abrahams Tod am 26. November 1930 blieben seine Witwe und die Tochter in der früheren Wohnung und ergänzten ihr Einkommen durch Zimmervermietung.

Erna Abraham und Arno Zacharias verlobten sich am 29. September 1934, am 30. August 1935 zog Arno Zacharias aus. Er nahm sich ein Zimmer in der Amandastraße 21 in Eimsbüttel. Als kurze Zeit darauf die Nürnberger Rassengesetze verabschiedet wurden, hätten sich die Verlobten trennen müssen. Stattdessen planten sie, auszuwandern und dann zu heiraten. Zu dem Zeitpunkt hatte Arno Zacharias schon kein regelmäßiges Einkommen mehr.

Als er in die jüdische Gemeinde eintrat, zahlte er einen Jahresbeitrag von 65,40 RM. Die Beiträge zur jüdischen Gemeinde wurden wie die Kirchensteuern aufgrund der vom Finanzamt festgelegten Steuern berechnet. Da er 1927 kein zu versteuerndes Einkommen hatte, wurde ihm kein Gemeindebeitrag abverlangt. Das änderte sich wieder und seine Gemeindesteuern stiegen zwischen 1928 und 1933 von 10 RM im Jahr auf 19,80 RM. Als er im darauf folgenden Jahr erwerbslos wurde, wurde er von Beitragszahlungen befreit.

Offenbar wurde die fortdauernde Verlobung von Erna Abraham und Arno Zacharias denunziert, denn am Morgen des 6. April 1936 wurde er von der Gestapo zuhause in der Amandastraße wegen des Vorwurfs der Rassenschande verhaftet. Einige Stunden später wurde auch Erna Abraham an ihrem Arbeitsplatz, der Bottina Schuhgesellschaft in der Hamburger Straße, festgenommen. Während Arno Zacharias in Untersuchungshaft überführt wurde, wurde Erna Abraham nach dem Verhör entlassen. Vier Monate später wurde das Gerichtsverfahren gegen beide eröffnet. Während Erna Abraham mit der Beschimpfung als "ehrlos" davon kam, wurde Arno Zacharias am 12. August 1936 zu einer Gefängnishaft von zehn Monaten verurteilt. Beide erhielten die Auflage, sich endgültig zu trennen.

Unter Anrechnung der Untersuchungshaft endete Arno Zacharias’ Haft am 5. Februar 1937. Aus der Personenbeschreibung bei der Aufnahme im Gefängnis geht hervor, dass er 167 cm groß und schlank war, ein ovales Gesicht, schwarze Haare und blaue Augen hatte.

Arno Zacharias und Erna Abraham verfolgten ihre Auswanderungs- und Heiratspläne weiter. Am 8. April 1937 zog Arno Zacharias nach Amsterdam, während sich Erna Abraham um einen Reisepass und eine Ausreisegenehmigung bemühte. Sie hielten über eine Deckadresse brieflichen Kontakt. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges endeten sowohl der Briefwechsel als auch Ernas Ausreisebemühungen.

Als die deutsche Wehrmacht die Niederlande im Mai 1940 besetzte, änderte sich die Lage der Juden entgegen allen Befürchtungen zunächst nicht. Ab September 1940 jedoch wurden nach und nach dieselben Verordnungen wie im Deutschen Reich erlassen, die die Freiheiten, Rechte und das Eigentum der Juden beschnitten, im Januar 1942 begannen die Vorbereitungen für die Deportationen zur "Endlösung der Judenfrage".

Nachdem Arno Zacharias alle Pläne einer Weiterwanderung und Heirat seiner Verlobten hatte aufgeben müssen, ging er die Ehe mit der fünf Jahre älteren Lydia Barnass aus Inowraclaw (Hohensalza) bei Bromberg, geb. 5.6.1899, ein. Sie arbeitete als Stenotypistin, er als Hausangestellter in Enschede, wo sie an verschiedenen Adressen gemeldet waren, er Emmastraat 158, sie Haaksbergerstraat 82. Sie wurden bei einer großen Razzia Anfang Oktober 1942, wahrscheinlich am 3. Oktober, von Enschede aus ins Durchgangslager Westerbork gebracht. Die Deportation erfolgte am 25. Oktober 1942 nach Auschwitz, wo Lydia Zacharias-Barnass nach der Ankunft am 29. Oktober ermordet wurde.
Arno erhielt die Häftlingsnummer 71053 starb am 18. Dezember 1942 im Häftlingskrankenhaus des KZ Auschwitz. Er wurde 38 Jahre alt.

Arno Zacharias’ Brüder wurden ebenfalls in Auschwitz ermordet. Kurt Zacharias wurde zunächst im Sammellager Wasserburg inhaftiert und am 19. April 1943 von Berlin aus nach Auschwitz verbracht. Alfred Zacharias war nach Belgien geflohen und wurde von Mechelen am 20. September 1943 nach Auschwitz transportiert.
Die Eltern waren bereits am 24./25. August 1942 mit einem Transport von Tilsit und Königsberg in das "Altersgetto" von Theresienstadt gebracht und von dort am 23. September 1942 nach Treblinka weiter deportiert worden, wo sie unmittelbar nach der Ankunft ermordet wurden.

Als Chaim Zacharias die Zeugnisse für seine Eltern und seine Brüder Alfred und Kurt für die Gedenkstätte Yad VaShem verfasste, war ihm das Schicksal seines Bruders Arno nicht bekannt.

Stand Februar 2015

© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 5, 7, 8, 9; Hamburger Adressbücher; StaH, 242_1 II Abl. 13 und Abl. 16; 332-5 Standesämter, 7109-1008/1930; 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 30394; 552-1 Jüdische Gemeinden, 390, 391; Herinnerungszentrum Westerbork, José Martin, 3.6.2013.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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