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Bereits verlegte Stolpersteine



Hubert Mayer * 1900

Mühlendamm 12 (Hamburg-Nord, Hohenfelde)


HIER WOHNTE
HUBERT MAYER
JG. 1900
VERHAFTET 1936
KZ FUHLSBÜTTEL
FLUCHT IN DEN TOD
30.3.1938

Weitere Stolpersteine in Mühlendamm 12:
Bruno Rosenbaum

Hubert Wilhelm Albrecht Mayer,g eb. am 9.12.1900 Hamburg, Selbsttötung am 29.3.1938 in Hamburg

Mühlendamm 12 (früher: Mühlendamm 32)

"Liebster Bruder Herbert,
ich kann die schwere Zeit nicht vergessen, die hinter mir liegt. Nun sollte wieder ein Kriminal bei mir gewesen sein, jetzt ist meine Kraft zu Ende. Liebster Bruder, ich wünsche Euch alles Gute, aber eingelassen hatte ich mich nicht mit einem Manne, daß kann ich Dir ehrlich mitteilen, aber einem vorbestraften Mann wird nicht geglaubt. Ich danke Dir noch recht herzl. für alles mein liebster Bruder, Dein dankbarer Bruder
Hubert
Verzeihe mir bitte diese Tat, hoffentlich kannst Du es verstehen. Bestelle an alle lieben Geschwister die herzlichen Grüße von mir."

Diesen Abschiedsbrief richtete Hubert Mayer kurz vor seinem Tod an seinen am Georgsplatz in der Hamburger Altstadt wohnenden Bruder Herbert. Dann nahm er sich in der Wohnung von Freunden, dem Ehepaar Bradler, im Hinterhaus I der Rostocker Straße 16a das Leben. Zusätzlich zu eingenommenen Veronal-Tabletten öffnete er den Gashahn in der Küche.

Hubert Mayer war im Jahr 1900 am Krayenkamp unweit vom Hamburger Michel als Sohn des katholischen Fabrikanten Alois Hermann Mayer und der evangelischen Bertha Helene, geborene Fürhoff, geboren worden. Nur wenig ist über den zumindest im Freundes- und Familienkreis offen homosexuell lebenden Mann bekannt, da Unterlagen über die gegen ihn angestrengten Strafverfahren nicht archiviert wurden. Lediglich aus einer Akte der Polizei über "unnatürliche Sterbefälle" erfahren wir wenige Details aus seinem Leben und vor allem über seinen Tod. Zum Zeitpunkt seines Todes war er bereits längere Zeit erwerbslos, zuvor war er als Steward auf dem Dampfer "Ammon" zur See gefahren.

1936 kam Hubert Mayer vermutlich erstmals wegen seiner gleichgeschlechtlichen Veranlagung mit dem Strafparagraphen 175 in Konflikt, der auch einvernehmliche Sexualkontakte unter erwachsenen Männern unter Strafe stellte. Nach einer polizeilichen Festnahme befand er sich vom 28. Oktober bis zum 17. November 1936 in Gestapo-Haft im KZ Fuhlsbüttel und wurde nach einem (vermutlich als "Schnellverfahren" vor dem Schöffengericht beim Hamburger Amtsgericht durchgeführten) Strafprozess am 19. November wegen "fortgesetzter Vergehen gegen den § 175" zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Zusammen mit einem weiteren Verfahren vor demselben Gericht am 2. April 1937 wurde die Gesamtstrafe jedoch nur um eine Woche erhöht. Diese saß er in Fuhlsbüttel ab.

Nach Aussagen der Ehefrau Anna Bradler, deren Mann ebenfalls zur See fuhr und der Hubert Mayer über die Arbeit kannte, wurde dieser wegen seiner homosexuellen Veranlagung nur "Tante Emmi" genannt. Die Zeit nach der Haftentlassung am 2. November 1937 verbrachte Hubert Mayer fast täglich in der Wohnung der Eheleute in der Rostocker Straße. Da er vermutlich seit seiner Haft erwerbslos war, beköstigte Anna Bradler ihn. Nach ihren Auskünften hatte er nach dem Gefängnisaufenthalt keine gleichgeschlechtlichen Kontakte mehr gepflegt. Dies habe angeblich sogar ein Arzt bestätigt. Gleichwohl berichtete Hubert Mayer ihr besorgt, dass die Kriminalpolizei zweimal während seiner Abwesenheit in seinem Untermietverhältnis bei der alten, bettlägerigen Frau Gräfe am Mühlendamm nach ihm gefragt habe. Hubert Mayer sei deshalb sehr verwirrt und verängstigt gewesen und habe mit einer erneuten Festnahme gerechnet.

Am 30. März 1938 wurde der 37-jährige Hubert Mayer um 7.30 Uhr in der Wohnung des Ehepaars Bradler aufgefunden, sein Tod muss nach Aussage eines Arztes bereits am Abend den 29. März 1938 eingetreten sein. Auch für Anna Bradler, die seit dem Nachmittag zuvor abwesend war, hinterließ er auf zwei Zetteln Abschiedszeilen.

Der zu diesem Todesfall hinzugezogene Kriminalsekretär Heinrich Finnern, der für die Ermittlung "homosexueller Delikte" zuständig war und als rücksichtsloser und scharfer Vernehmungsbeamter galt, notierte lapidar: "Es liegt hier gegen Mayer nichts vor und konnte nicht festgestellt werden, welcher Beamte Nachfrage in seiner Wohnung gehalten hatte."

Da der letzte frei gewählte Wohnsitz von Hubert Mayer am Mühlendamm 32, heute Hausnummer 18, in Hohenfelde war, erinnert dort ein Stolperstein an sein Schicksal.

Stand: Mai 2016
© Bernhard Rosenkranz (†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaH, 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 a; 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 13; 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle, 1163/38; 332-5 Standesämter, 1078 (Eintrag Nr. 67) u. 13407 (Eintrag Nr. 3479); B. Rosenkranz/U. Bollmann/G. Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919–1969. Verlag Lambda Edition, Hamburg 2009, S. 99, 107 u. 235.

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