Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Wolf Loewenhof * 1886

Mansteinstraße 9 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)


HIER WOHNTE
WOLF LOEWENHOF
JG. 1886
DEPORTIERT 1938
ZBASZYN / POLEN
???

Weitere Stolpersteine in Mansteinstraße 9:
Hans (Johannes) Görtz

Wolf Loewenhof, geb. am 10.5.1886 in Krzepice; am 28.10.1938 nach Polen ausgewiesen; verschollen

Mansteinstraße 9

Wolf Loewenhof wurde am 10. Mai 1886 in Krzepice geboren, ein Provinzstädtchen, das im damaligen russischen Gouvernement Polen nahe der Grenze zur preußischen Provinz Schlesien lag; Tschenstochau als nächstgrößere Stadt lag ca. 30 km entfernt in südöstlicher Richtung. Wann er oder seine Familie nach Hamburg gekommen und in die Jüdische Gemeinde eingetreten war, wurde auf der Kultussteuerkarteikarte, die die Deutsch-Israelitische Gemeinde in Hamburg (DIG) über ihn angelegt hatte, nicht vermerkt. Später gab er an, seinen Wohnsitz seit dem 3. August 1931 in Hamburg genommen zu haben. Er war ledig bzw. lebte allein, seitdem er geschieden war. Er kam in Hamburg unter verschiedenen Adressen unter, wohnte meist zur Untermiete, zuletzt in der Mansteinstraße 9/III (b. Rosenbaum).

1935 war er erwerbslos. Als Berufs- und Erwerbstätigkeit hatte die Jüdische Gemeinde in ihrer Kartei "Sprachlehrer" vermerkt; so lauten auch die Einträge im Hamburger Adressbuch, wo er zum ersten Mal 1937 aufgeführt wurde.

Wolf Loewenhof wurde als polnischstämmiger Jude Ende Oktober 1938 nach Polen abgeschoben, nachdem die polnische Regierung zum 30. Oktober 1938 die Gültigkeit ihrer polnischen Pässe aufgehoben hatte.

Wolf Loewenhof wurde aus Hamburg mit einigen Hundert weiteren Personen mit einem Zug der Deutschen Reichsbahn an die polnische Grenze gebracht. Der Grenzübergangsort hieß auf polnischer Seite Zbaszyn. Hier spielten sich in den folgenden Tagen, Wochen und Monaten tragische Szenen ab, sammelten sich doch jetzt ungefähr zehntausend zwangsweise aus Deutschland abgeschobene polnische Juden – Einzelpersonen, Familien oder Teilfamilien. Ihre Lebensumstände verschärften sich, als die polnischen Grenzbeamten ihnen anfangs verweigerten, in das Land einzureisen, so dass sie die ersten Tage unter freiem Himmel im so ge­nannten Niemandsland zwischen den Grenzen verbringen mussten. Erst später konnten sie von jüdischen Hilfsorganisationen und polnischen Behörden im Grenzort Zbaszyn und anderen Orten provisorisch untergebracht werden.

Für die deutschen Behörden schien die Angelegenheit im Fall Wolf Loewenhof damit abgeschlossen, bis dann im August 1939 Laya Rejzla Görtz (nach anderen Angaben Rosa Görtz) von ihm bevollmächtigt wurde, dem Auswanderungsamt in Hamburg amtliche – von ihm ausgefüllte und unterschriebene – Formulare vorzulegen. Mit ihnen wollte er erreichen, dass ihm nach seiner zwangsweise durchgeführten Auswanderung sein Eigentum nachgeschickt wurde, das in Hamburg in der Mansteinstraße 9 zurückgeblieben war.

Rosa Görtz war die Schwester von Wolf Loewenhof. Sie war als Laya Rejzla Loewenhof am 29.3.1893 ebenfalls in Krzepice geboren worden. Ihre Eltern wurden mit Herschel Loewen­hof und Ehefrau Kajala Loewenhof, geb. Haskel, angegeben. Sie konvertierte ("gt.") in Hamburg und heiratete den nichtjüdischen Johannes Görtz ("ev./ar."); Sie war Schneiderin.

Rosa Görtz wurde jetzt für Wolf Loewenhof tätig. Sie ließ sich für ihn von der Reichsbankstelle (5.8.1939), von der Kämmerei der Hamburger Gemeindeverwaltung (4.8.1939) und von dem für ihn zuständigen Finanzamt Rechtes Alsterufer bestätigen, dass er weder Reichs- oder Steuerschulden, noch dass er Devisenfragen zu regeln hatte; er erklärte auch, im Deutschen Reich für keine privaten Schulden aufkommen zu müssen. Somit waren alle Voraussetzungen für eine "Unbedenklichkeitserklärung" für die nachträgliche Aushändigung seines Haushaltsguts erfüllt.

Jetzt reichte Rosa Görtz einen "Antrag auf Mitnahme von Umzugsgut" ein. Der Obergerichtsvollzieher Kaufmann prüfte selbiges, korrigierte die Wertstellung an einigen Sachen, belastete seine Amtshandlung mit 20,28 Reichsmark Gebühren und ließ sich den Vorgang von Rosa Görtz bestätigen.

Das Umzugsgut sollte an die Adresse "17 stycznia 23/9, Zbaszyn" gehen. Wolf Loewenhof scheint also zu dieser Zeit eine dauerhafte Unterkunft in Zbaszyn gehabt zu haben. Rosa Görtz verpackte sein Hab und Gut (auf der Liste war dafür ein großer "Überseekoffer" angegeben) und wollte es gerade losschicken, als die deutsche Wehrmacht ihre Truppen an die Ostgrenze des Deutschen Reichs verlegte.

Zbaszyn, gerade 8 km von der polnisch-deutschen Grenze entfernt, wurde am ersten Kriegstag von der Wehrmacht eingenommen. Darüber, wie das Leben des Wolf Loewenhof weiterging, liegen keine Informationen vor. Im Auswanderungsamt in Hamburg existiert ein letzter Bearbeitungsvermerk des Vorgangs vom 30. Januar 1940, in dem dieser zu den Akten gelegt wurde.

Ein letzter Blick aber soll noch einmal dem Umzugsverzeichnis von Wolf Loewenhof gelten. In ihm hatte Wolf Loewenhof – oder war es Rosa Görtz? – neben den Gegenständen seines Haushalts, seiner Bekleidung und anderen privaten Sachen auch Fotoapparat, Stativ und Fotoplatten, Bücher über Malerei, Geschichte und Philosophie und "verschiedene selbstgemalte Porträts" und andere Bilder aufgeführt; hinzu kamen diverse Mappen verschiedener Künstler und Drucke. Und selbst eine Staffelei mit Farben, Pinseln und anderen Zeichenmaterialien wollte er nach Polen nachgeschickt bekommen. Ob seine Bilder und Fotografien irgendwo überdauert haben?

© Peter Offenborn

Quellen: 1; StaH 314-15 Oberfinanzpräsident FVg 7860 (Auswanderungsakte); Rosa und Koppel Friedfertig, Die Polenaktion 1938 in Hamburg, aufgezeichnet in Tel Aviv Anfang November 1944 (StaH Handschr. 1354).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang