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Hertha Rosenberg * 1894

Brekelbaums Park 9 (Hamburg-Mitte, Borgfelde)


HIER WOHNTE
HERTHA ROSENBERG
JG. 1894
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
26.11.1941

Hertha Rosenberg, geb. 29.8.1894 in Hamburg, Suizid am 26.11.1941

Brekelbaumspark 9

"Ich bemerkte dann weiter, dass der Gaszähler der Gasuhr von Frl. R. stark lief und vermutete deshalb einen Unglücksfall. Ich lief zu meinem [Schwieger-]Sohn und setzte ihn in Kennt­nis. Mein Sohn öffnete die Tür gewaltsam, auch sorgte er für die Verständigung der Polizei. Ich selbst habe das Zimmer nicht betreten. Gesprächsweise habe ich nun heute früh von der Postbotin erfahren, dass Frl. R. eine Aufforderung von der Geh. Staatspolizei Hbg. erhalten hat. Ich vermute nun, dass Frl. R. Jüdin ist. Bei mir hat sie bei ihrem Einzug hiervon nichts gesagt." Diesen Bericht über Hertha Rosenbergs Selbsttötungsversuch gab ihre Vermieterin, Franziska Bredow in der Gabelsberger Straße 4, der Polizei zu Protokoll. Hertha Rosenberg war im April 1940 bei ihr eingezogen, sie war ledig und kinderlos, und es gab keine Angehörigen mehr.

Hertha Rosa Rosenberg kam am 29. August 1894 in Bill­wär­der, dem späteren Rothen­burgs­ort, als Tochter Moses Rosenbergs und seiner Ehefrau Emma, geb. Wedel, geb. 19. No­vem­ber 1863, am Billwärder Neuerdeich 224 zur Welt. Ihre Eltern zogen bald nach der Heirat 1891 nach Hamburg. Als Apparateführer und Maschinist übte der Vater einen für Ham­bur­ger Juden ungewöhnlichen Beruf aus. Angestellt war er bei den Norddeutschen Spritwerken in Billwärder. Die Wohnung lag ganz in der Nähe. Hier wurden am 5. August 1893 ihre erste Tochter Margarethe und ein Jahr später Hertha geboren.

Beide Töchter erhielten Ausbildungen als Kontoristinnen und zogen mit ihren Eltern nach Borgfelde, wo sie am Brekelbaumspark 9 eine modernere Wohnung fanden. Sie trugen mit ihren Gehältern als kaufmännische Angestellte zum Familieneinkommen bei. Margarethe und Hertha Rosenberg gehörten wie ihre Eltern der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Ham­burg an, traten aber 1926, als sie sich taufen ließen, aus der Gemeinde aus.

Herthas Vater Moses starb am 1. August 1933, ihre Schwester Margarethe Rosenberg erlag im All­gemeinen Krankenhaus St. Georg am 14. Au­gust 1938 im Alter von 45 Jahren den Folgen eines Schlaganfalls. Die Mutter Emma starb am 17. November 1939 nach schwerem Leiden in der Abendroth-Klinik in der Hammer Landstraße in Hamm. Die Abendroth-Klinik ging auf ein christ­liches "Heim für gefallene Mädchen" zu­rück und wurde um das Mütter­heim erweitert, eine Ent­bin­dungsklinik, die im Notfall auch Funktionen einer Frauenklinik übernahm. Dass Emma Rosen­berg ihre letzten Lebenswochen hier verbrachte, ist insofern bemerkenswert, als 1938 das Ge­sund­heitswesen für jüdische und "arische" Patienten ge­trennt wurde. Jüdischen Ärztinnen und Ärzten wurden 1938 die Approbationen entzogen; einige durften als "Krankenbehandler" weiter arbeiten, aber ausschließlich jüdische Kranke behandeln. Um­ge­kehrt nahmen sich weiterhin etliche "arische" Ärzte jüdischer Pa­tientinnen und Pa­tien­ten an. Vielleicht verschwieg Em­ma Rosenberg oder die sie begleitende Person ihre Identität, vielleicht wurde sie als Notfall ins nächstgelegene Krankenhaus eingeliefert und niemand fragte danach, vielleicht kannte man Hertha Rosenberg als Christin und nahm dasselbe von ihrer Mutter an. Jedenfalls wurde Emma Rosenberg vom 28. Oktober 1939 bis zu ihrem Tod von einem nicht-jüdischen Arzt behandelt.

Hertha Rosenberg musste zwangsweise ab 1. Juli 1939 erneut Mitglied des "Jüdischen Reli­gi­ons­verbandes" als Bezirksstelle der Reichsvereinigung werden; sie ließ sich ihre Post von dort in neutralen Briefumschlägen schicken. Obwohl erst 46 Jahre alt, lebte sie von einer kleinen Rente, die sie vermutlich durch die Vermietung von Zimmern aufbesserte.

Da sie kein Einkommen bezog, wurde sie von Gemeindesteuern freigestellt. Ab 1940 zahlte sie den monatlichen Mindestbeitrag von 1 RM aus ihrem Einkommen und Vermögen, das so gering war, dass der Oberfinanzpräsident darüber keine "Sicherungsanordnung" verhängte. Sie lebte unauffällig und bescheiden, bis sie nach der dritten Deportation von Hamburger Jüdinnen und Juden in den Osten im Herbst 1941 von der Gestapo eine Vorladung erhielt, in der ihr eröffnet wurde, dass sie mit dem nächsten Transport "evakuiert" würde. Am Morgen des 26. No­vember 1941 legte sie einen handschriftlichen Abschiedsbrief, ihren Kir­chen­aus­weis und ihre Krankenkassenkarten bereit, setzte sich voll bekleidet neben den Gasherd in ihrer Küche auf einen Küchenstuhl und öffnete den Gashahn. Die herbeigerufenen Polizei­beamten legten sie auf das Sofa. Als die Feuerwehr erschien und Wiederbelebungsversuche anstellte, war sie bereits tot. Hertha Rosenberg wurde ins Hafenkrankenhaus gebracht, die Wohnung wurde versiegelt.

Erst am 13. Januar 1942 wurde der Testamentsvollstrecker eingesetzt. Danach erfolgten die Entsiegelung der Wohnung und die Auktion der Möbel, deren Erlös zur Begleichung der Auslagen des Beerdigungsunternehmers Henry Schlüter diente.

© Hildegard Thevs

Quelle: 4; 5; StaH, 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle 1942/535; 332-5 Standesämter, 2358+1751/1894, 1083+1371/1938, 1116+266/1939; 352-5 Gesundheitsamt, StA 5a, 266/1939.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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