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Bereits verlegte Stolpersteine



Ernst Mammen * 1918

Salzburger Häuser 4 (Harburg, Harburg)


HIER WOHNTE
ERNST MAMMEN
JG. 1918
EINGEWIESEN 1918
ROTENBURGER ANSTALTEN
"VERLEGT" 1941
HEILANSTALT WEILMÜNSTER
ERMORDET 30. 12. 1941

Ernst Mammen, geb. 22.7.1918 in Wilhelmsburg, von den Rotenburger Anstalten verlegt in die "Landesheilanstalt Weilmünster", dort ermordet am 30.12.1941

Stadtteil Harburg-Altstadt, Salzburger Häuser 4

Als Ernst Mammen geboren wurde, hieß die Straße, in der seine Mutter wohnte, noch Hermannstraße. Diese kürzeste Verbindung zwischen dem (Harburger) Rathausplatz und der Neuen Straße erhielt erst 1950 ihren heutigen Namen Salzburger Häuser, der an die Aufnahme von 42 Lutheranern erinnert, die in den Jahren von 1731 bis 1733 aus dem Salzburger und dem Berchtesgadener Land ausgewiesen wurden und in Harburg Asyl fanden.

Da Ernst Mammen seit seiner Geburt an "Idiotie" litt, wurde er schon als Säugling in die Rotenburger Anstalten eingewiesen.

Diese Einrichtung der Inneren Mission im benachbarten Rotenburg versuchte seit 1880, Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen zu helfen. An diesem Ort sollten sie nach dem Willen der Gründungsväter medizinisch und pädagogisch adäquat betreut und gepflegt werden und dabei erfahren, dass Gott allen Menschen gleiche Würde und gleiches Lebensrecht schenkt. Die neue Einrichtung fand schnell Zuspruch, weil sie eine Antwort auf die sozialen Probleme des Industriezeitalters war. Im Gründungsjahr bezogen fünf Pfleglinge das erste Haus, 16 Jahre später waren es bereits 150 Bewohnerinnen und Bewohner, die an diesem Ort betreut wurden, und 1930 gehörten die Rotenburger Anstalten mit ihren knapp 1000 Patientinnen und Patienten zu den größten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland.

Auch diese Einrichtung der Inneren Mission war nach 1933 von den bevölkerungspolitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten und von der Ermordung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen betroffen. Nach der Verkündung des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933 wurden bis 1945 mindestens 335 Patientinnen und Patienten der Rotenburger Anstalten sterilisiert.

Nachdem Hitler im Oktober 1939 den Befehl erteilt hatte, mit den Vorbereitungen für die massenhafte Ermordung unheilbar kranker Menschen zu beginnen, wurden in sechs speziellen Heil- und Pflegeanstalten des Deutschen Reiches unter strengster Geheimhaltung Gaskammern installiert, in denen die Betroffen zu Tausenden ermordet werden sollten. Sie sollten jedoch nach Möglichkeit nicht auf direktem Wege in die Tötungsanstalten gelangen, sondern erst einmal in so genannte Durchgangs- oder Zwischenanstalten und von diesen dann in die Tötungsanstalten transportiert werden. Eine dieser Durchgangsstationen war die "Landesheilanstalt Weilmünster" im Umkreis der Tötungsanstalt Hadamar in Hessen, die über eine Gaskammer und ein Krematorium verfügte.

Zu den 70 Rotenburger Patienten, die am 31. Juli 1941 dorthin abtransportiert wurden, zählte auch Ernst Mammen. Seine Mutter wurde erst nach der Verlegung über den neuen Aufenthaltsort benachrichtigt. Von einem Besuch wurde ihr dringend abgeraten.

Als die Tötungen durch Gas am 24. August 1941 offiziell gestoppt wurden, bedeutete diese Entscheidung jedoch nicht das Ende des Mordprogramms. Das Sterben ging in den deutschen Heil- und Pflegeanstalten – darunter auch in Weilmünster – in den folgenden Monaten und Jahren weiter. Die häufigsten Todesursachen waren in dieser zweiten "Euthanasiephase" Essensentzug, Nichtbehandlung von Krankheiten und Überdosierung von Medikamenten. Keiner der nach Weilmünster verlegten Rotenburger Patienten war im Mai 1945 noch am Leben. In den ersten fünf Monaten nach ihrem Abtransport starben allein 45 der 70 Deportierten.

Im Alter von 23 Jahren schloss Ernst Mammen am 31. Dezember 1941 – fünf Monate nach seinem Abtransport aus Rotenburg – für immer die Augen.

Über die Zustände, die in diesem Krankenhaus damals herrschten, gibt der spätere Bericht eines Seelsorgers Aufschluss: "Sie [die Patienten] bekamen nur Gemüse, sind auf den Stationen weiterhin eingegangen, hatten dauernd Durchfall. … Da die Betten durchfault waren, lagen die Sterbenden in der Badewanne im Wasser. … Sie waren nur noch Haut und Knochen, Haut und Knochen."

© Klaus Möller

Quellen: Archiv der Rotenburger Werke der Inneren Mission, Akten Nr. 136, 196; Rotenburger Werke (Hrsg.), Zuflucht; Wunder u. a., Kein Halten, 2. Auflage; Peter Sander: Die Landesheilanstalt Weilmünster im Nationalsozialismus, in: Vanja (Hrsg.), Weilmünster.

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