Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Elke Pünner vor dem Hauseingang
Elke Pünner vor dem Hauseingang
© Privat

Elke Pünner * 1935

Marckmannstraße 135 (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)


ELKE PÜNNER
GEB. 6.8.1935
ERMORDET 5.2.1943

Weitere Stolpersteine in Marckmannstraße 135:
Dr. Carl Stamm

Elke Pünner, geb. 6.9.1935 in Barmstedt/Holstein, Tod am 5.2.1943 in Hamburg

Marckmannstraße 135, ehemaliges Kinderkrankenhaus

Elke Pünner stammt aus einer alt eingesessenen Familie in Barmstedt in Holstein. Dort wurde sie am 6. August 1935 geboren und in der evangelisch-lutherischen Kirche getauft.

Ihre Eltern, der Tischler Walter Pünner und seine Ehefrau Marie, geb. Maurer, zogen 1936 nach Hamburg-Rothenburgsort, wo sie die Milchhandlung von der Witwe Pflug, die ihr Ehemann 1934 eröffnet hatte, übernahmen. Dabei handelte es sich um einen Laden mit angegliederter Wohnung im Souterrain von Billwärder Neuedeich 267, neben dem Geschäft des Friseurs Hermann Meyer. Die nächstgelegenen Straßen waren die Lindleystraße im Osten, die direkt auf die St. Thomaskirche zuführte, und der Billhorner Mühlenweg im Westen.

Elkes Geschwister Elisabeth (1937), Klaus-Jürgen (1938) und Heiner (1940) kamen in Rothenburgsort auf der Entbindungsstation des Kinderkrankenhauses in der Marckmannstraße zur Welt. Sie wurden in der St. Thomaskirche getauft. Da die Eltern beide im Geschäft tätig waren, stellten sie ein Kindermädchen ein.

Nach Aussagen ihrer Geschwister kam Elke mit der Augenkrankheit Grauer Star auf die Welt. Bevor die Große Fontanelle geschlossen war, wurde ihr Gehirn punktiert. Die Gründe dafür sind nicht bekannt, auch nicht, in welchem Krankenhaus der Eingriff vorgenommen wurde. Er hatte jedoch eine Fehlstellung des rechten Fußes zur Folge. Elke entwickelte rechtsseitig Lähmungserscheinungen, die sie jedoch ebenso wenig wie ihre Sehbehinderung daran hinderten, mit anderen Kindern im Traunspark oder vor der Haustür zu spielen. Ob sie altersgemäß eingeschult wurde, ist nicht bekannt.

Elkes Vater wurde 1942 zur Wehrmacht eingezogen.

Wann Elke im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort aufgenommen wurde, lässt sich nicht nachvollziehen. (Eine Todesbescheinigung, die eine entsprechende Angabe hätte enthalten können, war im Hamburger Staatsarchiv nicht vorhanden, da derartige Bescheinigungen ab 1943 nur noch für Militärangehörige geführt oder archiviert wurden. Im Sommer 2018 sind zudem sämtliche Todesbescheinigungen vernichtet worden.)

Elke Pünners Krankenakte wie auch die Familienpapiere gingen bei der weitgehenden Zerstörung des Kinderkrankenhauses durch Luftangriff im Feuersturm im Juli 1943 verloren. So ist auch nichts Näheres über ihr Ergehen und ihre Behandlung zu erfahren.

Möglich ist, dass der Chefarzt Wilhelm Bayer auf Elke Pünners frühere Krankenakte hätte zurück greifen können, unabhängig davon, wo sie operiert worden war, um im Sinne des "Reichsausschussverfahrens" eine Diagnose zu stellen und eine Prognose zu wagen, ob ein Kind getötet werden sollte oder nicht. Ob er ein solches reguläres Verfahren einleitete, kann nicht überprüft werden, weil auch alle Unterlagen des Hamburger Gesundheitsamtes über das "Reichausschussverfahren" im Juli 1943 zerstört wurden, und in Berlin alle das Reichausschussverfahren betreffenden Dokumente von den Verantwortlichen gezielt vernichtet wurden oder kriegsbedingt verloren gingen.

Im Sterberegister, das erhalten ist, stehen drei Todesursachen: als Hauptleiden "Cerebrale Schädigung". Das war eine der üblichen Sprachregelungen im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort für eines oder mehrere der meldepflichtigen Leiden, was sich aus dem Vergleich mit den vorhandenen Todesbescheinigungen und anderen Sterberegistereinträgen ergibt. Meldepflichtig waren "Idiotie" (wie Down-Syndrom), Kleinköpfigkeit, Wasserkopf, schwere Missbildungen, Lähmungen. Als "Begleit- und nachfolgende Krankheiten", die üblicherweise den Grund für die Krankenhauseinweisung nannten, wurden Lähmungen der rechten Seite, als akute Todesursache "Kreislaufschwäche" angegeben. "Kreislaufschwäche", ein unverfänglicher Begriff, wurde häufig im Zusammenhang mit der absichtlich herbeigeführten tödlichen Lungenentzündung durch eine hoch dosierte Gabe von Luminal verwendet.

In der Familie wurde überliefert, Elke sei bei einem epileptischen Anfall gestorben, was nicht in direktem Widerspruch zu den offiziellen Angaben steht. Die Mutter zeigte am 8. Februar 1943 Elkes Tod beim Standesamt Rothenburgsort an.

Trotz aller Verschleierung bezweifelte sie den natürlichen Tod ihrer Tochter. Die Eltern ließen Elke einäschern und die Urne im Familiengrab in Barmstedt beisetzen. 2017 wurde das Grab aufgehoben. Elke Pünner wurde siebeneinhalb Jahre alt.


Stand: Juli 2019
© Hildegard Thevs

Quellen: Hamburger Adressbücher, StaH 332-5, 1187/103/1943, StA 4b (Sterberegister), St. Thomas-Kirche Rothenburgsort, Taufregister 1937, 1938, 1940; Mitteilungen von Angehörigen 2018 f.

druckansicht  / Seitenanfang