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John Josephi
© Yad Vashem

John Josephi * 1879

Löwenstraße 30 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Löwenstraße 30:
Selma Josephi, Hans Nathan

John Josephi, geb. 19.5.1879 in Hamburg, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Selma Josephi, geb. Stein, geb. 14.3.1889 in Rappoldshausen (Hessen-Nassau), am 8.11.1941 nach Minsk deportiert

Löwenstraße 30

Die Eheleute Josephi kamen im Mai 1914 nach Eppendorf. Das junge Paar hatte eine Dreieinhalbzimmerwohnung in der Löwenstraße 30 gefunden. Zehn Monate später erblickte die Tochter Bella das Licht der Welt. Das zweite Kind, Erika, wurde am 3. März 1922 geboren.

Die Eltern waren Mitglied der Jüdischen Gemeinde und schickten beide Kinder auf die Israelitische Töchterschule in der Carolinenstraße.

John Josephi hatte ein solides Auskommen. Er hatte Versicherungskaufmann gelernt und arbeitete bei der Hamburger Gesellschaft Hamonia. Seit den 1920er Jahren war er als "Außenbeamter" tätig und stieg auf der beruflichen Leiter langsam höher.

Die Freizeit verbrachte die Familie im eigenen Schrebergarten im Nachbarstadtteil Lokstedt. Die Tochter Erika schrieb rückblickend: Meine Eltern hatten "einen Schrebergarten von ca. 800 m2 mit einem reichen Obstbaumbestand und einem Wochenendhaus mit Einrichtung, das der Familie über die Sommermonate als Wohnung diente".

Als 1933 die NSDAP an die Macht kam, war plötzlich Schluss mit der beruflichen Karriere von John Josephi. Das Unternehmen wollte Juden nicht weiterbeschäftigen. Zunächst versuchte er, sich als selbstständiger Versicherungsagent über Wasser zu halten. In Zusammenhang mit einer Streitigkeit mit einem anderen Versicherungsagenten gab er Folgendes zu Protokoll: "Im Jahre 1933 konnte ich bei der Machtübernahme fast kein Geschäft hereinbringen, so dass mir die Gesellschaft (die Hamonia AG, der Verf.) in gütlicher Vereinbarung eine Agentur einrichtete". In den Akten des Amtes für Wiedergutmachung befindet sich ein Bericht von Paula Bruhns (wahrscheinlich einer Freundin der Familie) aus dem Jahr 1955: "John Josephi [wurde] im Jahre 1933 aus seiner langjährigen Anstellung bei der Versicherungsgesellschaft Hamonia fristlos entlassen. Er war danach ohne Verdienstmöglichkeit und musste später Pflichtarbeit leisten, ebenso seine Ehefrau, die in einer Großküche tätig wurde."

Die Familie suchte einen Ausweg aus den zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Unterdrückung. Beide Töchter hätten gern studiert, aber aufgrund der allgegenwärtigen Einschränkungen für Jüdinnen und Juden war daran nicht zu denken. Bella arbeitete als "Kinderfräulein", um zumindest ein wenig zum Familieneinkommen beizutragen. Mit der Zeit wurde den Josephis klar: Sie mussten Deutschland verlassen. Ein Bruder der Mutter war schon in die USA ausgewandert. Warum sollte es ihnen nicht gelingen? Die Eltern beschlossen, zunächst die Kinder in Sicherheit zu bringen. Für seine jüngste Tochter Erika stellte John Josephi einen Auswanderungsantrag nach Palästina. Bella sollte nach England ausreisen. Für die eigene Auswanderung dorthin traf man Vorbereitungen. Die Gestapo legte am 2. November 1938 (mit falschem Geburtsort) einen Aktenvermerk an: "Der Versicherungsagent John Josephi, geb. 19.5.1889 zu Rappoltshagen Kreis Homburg, Staatsangehörigkeit DR, HH Löwenstr. 30 beabsichtigt nach Palästina auszuwandern."

Im Oktober 1938 wurde Erika Josephi durch die Jugendaliya nach Palästina gebracht. Ihrer Schwester Bella wurde 1939 die Ausreise nach England erlaubt. Sie heiratete dort und wanderte 1947 in die USA aus.

Aus Erikas Lebenslauf, geschrieben am 25. März 1955:
"Von 1928–1932 besuchte ich Volksschulklassen und von 1932–1938 die Realschulklassen der Israelitischen Töchterschule in der Carolinenstr. Hamburg.
Obgleich ich die Absicht zu studieren hatte, entschloss ich mich infolge der immer größeren Umfang annehmenden Judenverfolgungen in Deutschland nach Palästina auszuwandern, da ein Beenden des Studiums aussichtslos erschien. Am 25.10.1938 verließ ich Deutschland nach Palästina – heute Israel. Meine sel. Eltern befanden sich bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges in Hamburg von wo ich mittels Roter-Kreuz-Briefe einige Male von ihnen hörte. Im November 1941 wurden meine Eltern deportiert."

Am 8. November 1941 erhielt das Ehepaar Josephi den sogenannten Evakuierungsbefehl. Sie mussten mit etwas Handgepäck die Wohnung verlassen. Sie würden, wie es im offiziellen Jargon hieß, "nach dem Osten ausgesiedelt". Sie erfuhren nicht, dass der Transport ins Getto Minsk ging.

In Minsk war ein "Sondergetto für Juden aus dem Altreich" geschaffen worden. Die Josephis wurden in Eisenbahnwaggons gepfercht und zusammen mit 966 weiteren Menschen dort hingeschafft. Nur 16 von ihnen sollten dieses Verbrechen überleben.

Akkurat auf Mark und Pfennig genau listete der Oberfinanzpräsident im Januar 1942 den Erlös aus der Zwangsversteigerung Josephi auf. Hausrat, Schreibmaschine und Schmuck brachten der Staatskasse 1543,45 RM. Ein paar Wochen später wurde die Akte ergänzt: Es kamen noch 30,00 RM dazu.

Wann und wie Josephis ermordet wurden, blieb im Dunkeln. Das Ehepaar wurde Ende 1945 offiziell für tot erklärt.

© Klaus Kolb

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; AfW 190579 Josephi, John; StaH 314-15 OFP, Fvg 3060.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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