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Porträt Hans-Heinrich Hornberger
Hans-Heinrich Hornberger
© FZH

Hans-Heinrich Hornberger * 1907

Kleiner Schäferkamp 48 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)

KZ Neuengamme
gehenkt 14.02.1944

Hans-Heinrich Hornberger, geb. am 12.7.1907 in Bayreuth; am 14.2.1944 im Hauptlager des Konzentrationslagers Neuengamme gehenkt

Kleiner Schäferkamp 48

Hans-Heinrich Hornbergers Mutter war die als Serviererin arbeitende Christiana Müller. Da seine Geburt unehelich war, erhielt er ihren Namen, hieß also Hans-Heinrich Müller. Die Mutter zog später nach Ludwigshafen um, heiratete dort – und übertrug ihren neuen Familiennamen Hornberger auf ihren Sohn. Nach dem Besuch der Volksschule erlernte er den Beruf des Maschinenschlossers, anschließend ging er für anderthalb Jahre auf die Gesellenwanderschaft. 1928 in Hamburg sesshaft geworden, gab er im Hamburger Adressbuch, das ihn in den folgenden Jahren mit häufig wechselnden Wohnadressen vermerkte, als Beruf Schlosser und Maschinenschlosser, einmal auch Maschinenbauer an. Am 17. November 1931 heirateten er und Margarete Kummerow bzw. Kummrow (geboren am 1.11.1910 in Flemendorf im Kreis Franzburg/Pommern); am 1.1.1932 wurde ihre Tochter Gerda geboren (Heidi Margret, die zweite Tochter, am 12.6.1944). In den Unterlagen der Polizeibehörde wurde Hornberger als glaubenslos geführt. Hornberger gehörte zu jener Gruppe qualifizierter Facharbeiter der Metallbranche, die Mitte der 1930er Jahre auf dem Arbeitsmarkt und dort ins­besondere von den Betrieben der Rüstungswirtschaft gesucht wurden. Bereits 1928 arbeitete er auf der Werft Blohm & Voß. Im Sommer 1928 oder 1929 war er der KPD beigetreten und wurde noch im gleichen Jahr Agitprop-Leiter der KPD-Betriebszelle bei Blohm & Voss. 1930 wurde er erwerbslos, behielt aber seinen Posten in der Betriebszelle (seine Erwerbslosigkeit dauerte bis 1935 an). Er wurde in die Bezirksleitung Wasserkante der KPD geholt, und – nachdem er Ende 1930/Anfang 1931 in der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) tätig gewesen war – im gleichen Jahr für zwei bis drei Monate als Parteisekretär und hauptamtlich besoldeter Unterbezirksleiter im Unterbezirk Lüneburg eingesetzt. Danach arbeitete er in Hamburg als besoldeter Partei-Instrukteur auf Bezirksebene. Die politische Polizei verdächtigte ihn der "Vorbereitung zum Hochverrat", so dass er im Mai 1932 verhaftet und bis Weihnachten des Jahres in Untersuchungshaft genommen, dann aber aufgrund der Dezember-Amnestie von 1932 freigelassen wurde.

Nach seiner Entlassung nahm er im KPD-Bezirk Wasserkante seine Arbeit als Partei-Instrukteur wieder auf – und wurde 1933/34 in ein Gerichtsverfahren hineingezogen, das gegen die Hamburger KPD-Organisationsleiter Saefkow und Klann angestrengt worden war. Wurde diesen die Anleitung von Stadtteil-Instrukteuren der Partei bei der Überleitung der KPD in die Illegalität vorgeworfen, gehörte Hans-Heinrich Hornberger zu eben diesen ausgesuchten Instrukteuren; Margarete Hornberger spricht in dem Lebensbild, das sie von Hans-Heinrich Hornberger zeichnete, davon, dass "er mehrere Male verhaftet [wurde], aber immer wieder frei kam". In diesem Zusammenhang könnte auch die Verhaftung Hornbergers stehen, die am 15. Januar 1936 erfolgte. Ein halbes Jahr saß er im Untersuchungsgefängnis, wurde je­doch ohne Verfahren am 14. Juni 1936 wieder entlassen.

Noch im gleichen Jahr war er dann von dem Werftbetrieb Blohm & Voß wieder als Facharbeiter eingestellt worden – es ist zu vermuten, dass seine vormaligen KPD-Aktivitäten bekannt waren. Während er dort arbeitete, beteiligte er sich am Aufbau illegaler Kommunikationsstrukturen unter oppositionell eingestellten Angehörigen der Belegschaft; in gleicher Weise engagierte er sich in seinem Wohngebiet. In der neueren historischen Forschung wird die Aufrechterhaltung jener eigenständigen "Kommunikationsstruktur", wie sie sich nach der informellen Gleichschaltung im "Dritten Reich" teilweise auf Betriebs- und Wohngebiets­ebene etablierte, als ein entscheidendes Mittel für die damals mögliche politische Meinungsbildung angesehen und als Ergebnis des politischen Widerstandes betrachtet. Nur über Kommunikationsbeziehungen, den hier erfolgten Informationsaustausch und die Informationsverarbeitung sei es möglich gewesen, neue Erfahrungen zu verarbeiten und in bestehende Widerstandsformen aufzunehmen – und das unter Einbeziehung so unterschiedlicher Gruppen und Individuen wie sozialdemokratischer, kommunistischer und anderer – nicht organisierter – Hitlergegner.

Ab 1942 wird Hornberger zur Widerstandsorganisation um Bernhard Bästlein u. a. gezählt. Die Struktur dieser 1941 auf Initiative von Kommunisten in Hamburg entstandenen Widerstandsorganisation bestand nach Klärung politischer Fragen und dem Ausschluss von Robert Abshagen aus einem führenden Dreier-Gremium (Bernhard Bästlein, Oskar Reincke, Franz Jacob) aus Dreier-Leitungen in den einzelnen Industriezweigen (z. B. für die Werften, Metall, Chemie, Verkehr, Bau), die dem oberen Gremium untergeordnet waren. Innerhalb der Industriezweige entstanden neue Betriebszellen, deren Leitung – falls die Betriebszelle einen entsprechenden Umfang erreicht hatte – sich dann ebenfalls aus einer Dreiergruppe zusammensetzen sollte. Hornberger, von Oskar Reincke zur Mitarbeit als Betriebszellenleiter gewonnen, bildete gemeinsam mit Jonny Stüve und Walter Reber seit Frühjahr 1942 die Leitung der Betriebszelle Blohm & Voss. Er agierte dort politisch mit ca. einem Dutzend Kollegen, während die Betriebsgruppe – bei einer Belegschaft von 12.000 – insgesamt 60 bis 80 Männer umfasste.

Konkrete Widerstandsaufgaben sah die Blohm & Voss-Betriebszelle in der Gegenaufklärung über den Kriegsverlauf, in Kampagnen für langsames und qualitativ schlechtes Arbeiten, für Krankfeiern, für die Verweigerung von Überstunden, das Aufstellen von Lohnforderungen, die Durchführung von Sabotage-Akten an Werkzeugen und Material. So gelang es ihr, schwer zu ersetzendes Werkzeug wie Schweißmaterialien bei Arbeiten auf den Schwimmdocks in der Elbe zu versenken; in anderen Fällen wurden Kurzschlüsse in elektrischen Anlagen hervorgerufen oder Getriebe von Schiffsmotoren durch Verunreinigungen und Drucklager von Schiffswellen durch eingestreuten Sand beschädigt. In arbeitstariflichen Fragen konnte die Betriebszelle über Mundpropaganda an eine Kampagne anknüpfen, die bereits Anfang 1939 von der Auslands-KPD (Kopenhagen) initiiert worden war. Damals tauchten unter der Belegschaft von Blohm & Voss Flugblätter auf, die mit Losungen wie "Acht Stunden – genug geschunden!", "Wie der Lohn – so die Leistung!" und "Langsamer arbeiten!" zur Arbeitssituation auf den Werften Stellung bezogen. Den lohn- und tarifpolitischen Forderungen kam besondere Bedeutung zu, da sie Möglichkeiten boten, unmittelbar an Bedürfnisse der Arbeiter anzuknüpfen – mussten diese doch miterleben, wie selbst die Grundversorgung der Bevölkerung sich ständig verteuerte und in der Qualität verschlechterte, sie durch betriebliche Zwangsmaßnahmen zur Mehrarbeit gezwungen waren und bei der Lohnzahlung dann noch durch Zwangsabgaben um Teile des Lohns geprellt wurden.

Eine weitere Widerstandsaktivität wurde in der Unterstützung ausländischer Zwangsarbeiter gesehen. So hatte Hornberger bei Blohm & Voss mit einer größeren Gruppe polnischer (unter Leitung von Michal Pozywilek) und sowjetischer Kriegsgefangener (unter Leitung von Wasil Zygun) zusammengearbeitet. Hier ging es sowohl darum, die Not der Zwangsarbeiter durch Lebensmittellieferungen zu lindern (vor allem mittels Sammeln von Lebensmittelkarten und -kartenabschnitten) als auch um Möglichkeiten der Arbeitssabotage.

"Überhaupt bildete das tiefe Entsetzen über die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen ein Hauptmotiv für den Widerstand aus der Arbeiterbewegung während des Krieges. Und gerade darin zeigte sich auch die vor allem humanistische Grundeinstellung dieser Widerstandskämpfer – einschließlich der Kommunisten", so Klaus Bästlein in seiner Abhandlung über die Bästlein-Organisation.

Die auf den Betrieb bezogenen Widerstandsaktivitäten wurden ergänzt durch solche, bei denen der Wohnbezirk die soziale Grundlage bildete: "Hornbergers Wohnung [in der Paulinenallee] wurde zum Treffpunkt gemacht; hier konnte man ungestört miteinander reden, illegale Schriften lesen oder auch Radio Moskau abhören." Hornberger war es auch, der den Kontakt der Bästlein-Organisation zu einer auf der benachbarten Stülcken-Werft selbstständig agierenden Widerstandsgruppe (Paul Zinke u. a.) hielt. Und über ihn lief einer der Kontakte, den die Bästlein-Organisation zur ehemaligen Jugendlichen-Gruppe um Ernst Hampel herstellte. Diese bildete ein Bindeglied in dem oppositionellen Kommunikations-Netzwerk, das sich nach 1939 in den Kriegsjahren herausgebildet hatte und bis in die so genannte KdF-Gruppe hineinreichte.

Nach der 1942 erfolgten Kontaktaufnahme der Hamburger Bästlein-Organisation mit der Berliner Gruppe um Schulze-Boysen/Harnack (die Gruppe wurde von der Gestapo mit der Bezeichnung "Rote Kapelle" belegt) bemühte sich die Hamburger Widerstandsorganisation auch um die Vermittlung von Informationen aus der Rüstungswirtschaft und von militärischen Informationen. Dazu gehörte, dass sie zwei aus der Sowjetunion mit Flugzeugen über Deutschland abgesetzte deutsche Emigranten unterstützte, die sich zur Aufnahme ihrer Untergrundtätigkeit nach Hamburg durchgeschlagen hatten. Hier war es u. a. Hornberger, der auf Blohm & Voss Geldbeiträge und Lebensmittel für "illegal lebende Genossen" sammelte. Allerdings gelang es dann der Gestapo über die Aufdeckung der Schulze-Boysen/ Harnack-Organisation in Berlin auch in die Hamburger Bästlein-Organisation einzudringen. Ab Oktober 1942 wurden ihre Mitglieder nach und nach verhaftet. Die Verhaftungswelle begann mit der Inhaftierung Bästleins. "Auf Grund der Aussagen des Bästlein", hieß es in einem von der Gestapo am 2. Januar 1943 erstellten "Einführungsbericht zur Hochverrats­sache ,Bästlein u. a.‘", "konnte dann weiterhin die Festnahme des Leitungsmitglieds Oskar Reincke erfolgen". Nachdem die Gestapo von diesem gewalttätig Aussagen erpresst hatte, setzte sich die Verhaftungswelle bis an die Basis der Widerstandsgruppe fort. Zuletzt waren es 61 Personen, die in Hamburg verhaftet worden waren – Hornberger am 19. Oktober 1942 auf der Werft Blohm & Voss. Vom 21. Oktober 1942 bis zum 24. März 1943 saß er im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in "Schutzhaft" und kam anschließend in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt am Holstenglacis; gegen ihn wurde die Anklage vorbereitet, sie lautete auf Vorbereitung zum Hochverrat ("Tatgenossen: Bästlein u. Andere").

Neben anderen Teilen der Stadt geriet im Juli/August 1943 auch das Untersuchungsgefängnis Hamburg-Stadt in die Flächenbombardements alliierter Luftstreitkräfte. Wegen der großräumigen Zerstörungen in der Stadt – so war u. a. die Wasserzufuhr in die Innenstadt und die Kanalisation unterbrochen – beschloss die zuständige Staatsanwaltschaft, den dort untergebrachten Häftlingen durch einen sechs- bis achtwöchigen Gefängnisurlaub die Möglichkeit zu geben, ihren Angehörigen in der durch die Bombardierung der Stadt entstandenen Not zu helfen; gleichzeitig entledigte sie sich ihrer Verantwortung, für die Inhaftierten sorgen zu müssen.

Die Entscheidung der befristet Freigelassenen, ob sie sich zur Haftfortsetzung zurückmelden würden, fiel unterschiedlich aus. Der Kommunist Hornberger, am 4. August 1943 aus der Untersuchungshaft beurlaubt, beschloss mit anderen Freigelassenen, sich nach Ablauf der Frist von acht Wochen nicht wieder zur Haftfortsetzung zurückzumelden. Er tauchte unter, nachdem er seine Familie, die sich vor den Luftangriffen im pommerschen Ribnitz-Damgarten, dem Heimatbezirk von Margarete Hornberger, in Sicherheit gebracht hatte, noch einmal besucht hatte (als letzte gemeldete Wohnadresse ist für ihn vor seiner Verhaftung – für Margarete Hornberger auch danach – die Paulinenallee 19/II festgehalten); wie Margarete Hornberger später berichtete, waren ihr die politischen Aktivitäten ihres Ehemannes nicht bekannt gewesen (einerseits mag dies Schutzbehauptung gewesen sein, andererseits sollte in der politischen Illegalität auch unter Eheleuten das Prinzip beachtet werden, keine Informationen über klandestine Aktivitäten auszutauschen):
"Damals wußte ich noch nicht, daß eine Reihe bekannter Hamburger Antifaschisten eine große Widerstandsorganisation gegen Hitler und den Krieg gebildet hatten, an deren illegalen Kampf Hans auf der Werft Blohm & Voß maßgeblich beteiligt war", schrieb sie später. "Ich wurde nicht festgenommen, mußte aber oft zum Verhör aufs Stadthaus. Zwei- bis dreimal in der Woche rief die Gestapo in meinem Betrieb an und beorderte mich zur Vernehmung. Man wollte insbesondere etwas über die Lebensmittelsammlungen für die Kriegsgefangenen erfahren."

Bei seinem Abtauchen dienten Hans-Heinrich Hornberger unter anderen das Gartenhäuschen seiner Schwiegermutter und Wohnungen politischer Freunde in der Stadt, u. a. im Falkenried, als Untergrundverstecke. Doch blieb die Hamburger Gestapo nicht untätig. Sie hatte extra ein "Sonderreferat zur Bekämpfung des Kommunismus" eingerichtet, um der Widerstandsorganisation beizukommen und versuchte über Spitzel, erneut einen Kontakt zu den letzten noch bestehenden Gruppen der Bästlein-Organisation herzustellen. Der verantwortliche Gestaposekretär Helms setzte hierfür seinen umtriebigen Agenten Alfons Pannek ein, dem es gelang, mit Hans-Heinrich Hornberger Kontakt aufzunehmen.

Bekannt ist, dass Hans Hornberger sich in der Illegalität zeitweilig unüberlegt verhielt. Die historische Forschung vermutet in dieser Hinsicht ein Sozialverhalten besonders bei jüngeren KPD-Funktionären, das durch die Bereitschaft zu einer "gewissen Leichtlebigkeit" gekennzeichnet gewesen sei. So soll Hornberger "in der Anlaufstelle für die illegalen Mitglieder der Bästlein-Gruppe, einem Seifenladen in Eimsbüttel, ziemlich unvorsichtig mit seinen Widerstandsaktivitäten [geprahlt]" und sich nicht gescheut haben, dort seine Pistole vorzuzeigen – die eigentliche Inhaberin des Ladens und Kontaktperson für die im Widerstand aktiven Kommunisten, Magda Thürey, war bereits seit dem 30. Oktober 1943 verhaftet, der Laden von der Gestapo mit einer ihr zuarbeitenden Informantin, Anneliese Polze, besetzt und der Ladenraum zum Abhören der dort geführten Gespräche ausgebaut worden. In einer mehrstündigen privaten Begegnung mit dieser Informantin "hat Hornberger allerlei ausgeschwatzt", wusste nach 1945 der Bruder von Magda Thürey und damals – in Distanz zur KPD – in einer Widerstandsgruppe des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) aktive Kurt Bär zu berichten, "so unter anderem etliche Namen und eine illegale Betriebszelle auf der Deutschen Werft".

Am 4. Januar 1944 wurde Hornberger erneut verhaftet, diesmal in seiner geheimen Unterkunft, wohin ihm die Gestapo unbemerkt folgen konnte (nach anderen Aussagen wurde er in jenem Laden in der Emilienstraße 30 verhaftet). Margarete Hornberger schilderte die Verhaftung in der Anzeige, die sie 1946 gegen die damals beteiligten Gestapo-Leute erstattete:
"Es gelang Henry Helms Hans Hornberger dadurch zu verhaften, weil er im Laden der Magda Thürey, Emilienstr. anlief. Er wußte nichts von Magdas Verhaftung und die Polze saß dort als Treuhänderin. Sie gab sich gegenüber Hornberger, wie in allen anderen Fällen auch, als Mitglied der Kommunistischen Partei aus, erzählte, dass ihr Mann in Oranienburg umgekommen sei. Hans Hornberger sprach sich mit ihr aus und hatte auch noch einen Treff mit ihr. Sie ließ ihn dann in diesem Laden durch Henry Helms verhaften."

Es folgten Verhaftungen weiterer Angehöriger der Bästlein-Organisation. So war es Gestapo-Sekretär Helms sogar gelungen, eine leitende Person der Organisation (Walter Bohne) beim Aufsuchen eines von Hornberger leichtfertig ausgeplauderten Treffs bei einem Schusswechsel zu töten, indem er sich in Hornbergers Kleidung zu dem Treffpunkt begab.

In Berlin bereitete in dieser Zeit der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof die Anklageschrift gegen Hornberger u. a. vor; am 31. Januar 1944 wurde sie präsentiert. Er warf Hornberger vor, "im Jahr 1942 in Hamburg durch Mitwirkung beim Aufbau kommunistischer Betriebszellen sowie durch defaitistische Propaganda in Rüstungsbetrieben den Hochverrat vorbereitet, den Siegeswillen des deutschen Volkes zu zersetzen gesucht und damit den Feind begünstigt, außerdem [...] feindliche Rundfunksender abgehört zu haben." Ziel des illegalen Handelns Hornbergers sei gewesen, "daß sich die ‚Partei’ zusammenschließen müsse, um im geeigneten Augenblick eine Machtübernahme durch das Bürgertum zu verhindern. Das Reich könne den Krieg gar nicht gewinnen. Es werde die Zeit kommen, wo die Alliierten derart übermächtig würden, dass Deutschland aus der Offensive in die Defensive gedrängt werde. Dann wäre der Zeitpunkt für einen Einmarsch der Engländer und Amerikaner ins Reich gekommen, die die Absicht hätten, eine ihnen genehme Regierung einzusetzen. Da diese nur eine arbeiterfeindliche sein könne, müsse mit den Arbeitern der Kampf gegen die ausländische Invasion aufgenommen werden. Für diesen Fall müsse alles soweit vorbereitet sein, dass die kommunistische Partei alsbald die Macht übernehmen könne."

Ähnlich hieß es in einem Bericht der Widerstandszelle bei Blohm & Voss. "Da durch die Einsetzung einer englandgenehmen Regierung mit einer Verschlechterung der Lange der Arbeiter zu rechnen sei, muss man heute alles tun, um diesen Zustand nicht eintreten zu lassen ... und zu diesem Zeitpunkt mit einer festen Organisation dastehen." Die Zelle vertrat damit eine politische Position, die in der Bästlein-Organisation mehrheitsfähig war. Es ging ihr in ihrem Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime gleichzeitig um die Propagierung eines "Sowjetdeutschlands" und nicht um die Unterstützung "bürgerlich-demokratischer" oder "volksfront-politischer" Vorstellungen.

Wenige Tage nach der Verhaftung Hornbergers hatte der für die Verhaftung verantwortliche Gestapo-Sekretär Henry Helms angeregt, an den vier im Januar 1944 in Hamburg zuletzt verhafteten Angehörigen der Bästlein-Organisation (Hans Hornberger, Gustav und Lisbeth Bruhn und Kurt Schill) ein Exempel zu statuieren – und sie ohne gerichtliches Verfahren hinzurichten. Er stellte für die vier beim Reichssicherheitshauptamt in Berlin den Antrag auf "Sonderbehandlung", den ihm der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Himmler, per Schnellbrief genehmigte. Am 13. Januar 1944 versuchte Helms noch einmal unter Einsatz seines Spitzenagenten Pannek von den vier Verhafteten Informationen über die Bästlein-Organisation zu erhalten – allerdings erfolglos. Am 14. Februar 1944 wurde eine Gruppe von fünf Personen aus dem Polizeigefängnis Fuhlsbüttel ins Konzentrationslager Neuengamme überführt. Das Totenbuch des Konzentrationslagers, in das die zur Exekution eingelieferten Todeskandidaten nicht eingetragen wurden, vermerkte für den 14. Februar 1944 die Notiz "5 Exekutionen" – vier von ihnen waren die erwähnten Mitglieder der Bästlein-Organisation, die dort an jenem Tag im Exekutionsbunker gehenkt wurden.

Die Gefängniskartei, die über Hans Heinrich Hornberger in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt angefertigt worden war, weist einen letzten, heute nicht mehr ganz verständlichen und mit einer unleserlichen Unterschrift versehenen Vermerk vom "17/III.44" mit der Anforderung auf, "Wiedereinlieferung soll erfolgen" – so, als wäre ein Glied in der Kette des staatlichen Verfolgungsapparats über die einzelnen Vorgänge, die in jenen Wochen stattgefunden hatten, nicht informiert worden und hätte zu diesem Zeitpunkt damit gerechnet, dass Hornberger noch am Leben sei. Auch der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof in Berlin fragte am 5. April 1944 in Hamburg an, ob dieser noch in Untersuchungshaft sitze. Der in Hamburg zuständige Generalstaatsanwalt Stegemann verneinte das und wies auf die von der Gestapo durchgeführte Exekution hin – er beeilte sich zu betonen, dass das die Durchführung der an Hamburg abgegebenen Strafsachen in Sachen Bästlein u. a. und die Verurteilungen der Beteiligten nicht gefährde. Den ursprünglich anberaumten Prozess "Hans Hornberger aus Hamburg und Andere" hatte das Gericht in Hamburg für den 3. Mai 1944 terminiert; statt gegen acht wurde er jetzt nur noch gegen sieben Angeklagte geführt.

Diese Zeit war für Margarete Hornberger und die Kinder nicht nur dadurch bestimmt, dass sie unter Beobachtung der Gestapo standen und Margarete Hornberger zu Verhören vorgeladen wurde. Sie musste zudem – und das auch noch in den Monaten nach Kriegsende – in der weitgehend zerstörten Stadt um Überlebenschancen für sich und die Kinder kämpfen. Im September 1945 beschrieb sie der "Vereinigung der politisch Verfolgten des Naziregimes" ihre Situation:
"Heide so wie meine Person befinden sich in der Gesundheit gut. Gerda hat seit 1941 eine Hüftgelenk-Tuberkolose der linken Seite mit einer Verkürzung von 4 cm. Wo sie noch mit in ärztlicher Behandlung ist. Gerda hat seit 41 immer die Fridmann Spritzen. Ich wohne mit den Kindern bei meiner Mutter in einer Schräberlaube, die aus 1. Zimmer und Küche besteht. In diesen Räumen wohnen seit kurzem noch ein Onkel mit seiner Frau, da er aus der Gefangenschaft entlassen ist, und auch keine Bleibe hat. So schlafen wir mit drei Erwachsenen und zwei Kinder in einem Zimmer. Mutter schläft in der Küche. Die Laube selbst ist aber nicht winterfest. Seit fünf Jahren ist hier nichts mehr gemacht worden, da mein Vater auch im Feld ist. Jetzt aber auf jeden Tag nach Hamburg kommen kann.

Einen Schein für die Raumbewirtschaftung hatte ich von Euch erhalten am 10 Juni 45. am 11 Juni wandte ich mich dort hin was aber nichts ergab. Der Senr. Sopok [?] setzte sich für uns ein meinte er würde es für uns machen, aber bis jetzt ist es noch nichts geworden. Ich bitte Euch, irgendeine Möglichkeit zu schaffen wo ich mit meinen Kindern bleibe, denn seit zwei Jahren ziehe ich mit diesen von einen zum anderen. Keiner wollte uns recht haben, weil mein Mann im K.Z. war bis ich dieses Jahr am 17.[5./6.?]45 Bescheid bekam dass er tot ist."

© Peter Offenborn

Quellen: StAH 213-9 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht OJs 1016/43g, Band 1-5; StAH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 1998/1 und Abl. 16; StAH 331-1 II Polizeibehörde II, Abl. 15, Band 2; Informationen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme; FZH 12 D/Drescher (Personalakten); FZH 13-3-3-1 (Männer im Widerstand 1933–1945); FZH 13-3-2-2 (Widerstand in Hamburg 1933–1945; Prozesse/Hinrichtungen); Ab.; Sammlung VVN-BdA (Hamburg); Margarete Hornberger, Ein Hamburger Werftarbeiter, in: Die Tat vom 13.2.1965; Kurt Bär, Von Göttingen über Osleb nach Godesberg, S. 140f.; Ludwig Eiber, Arbeiter und Arbeiterbewegung, S. 330/331 und 442; Klaus Bästlein, ‚Hitlers Niederlage ist nicht unsere Niederlage, sondern unser Sieg!’, S. 57, 62–68, 73 und 80; Ursula Puls, Die Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe, S. 37–39, 50, 64, 126, 166/67; Herbert Diercks, Gedenkbuch Kolafu, S. 49; Albrecht Bald, Hans Hornberger (1907–1944) – ein in Bayreuth geborener kommunistischer Widerstandskämpfer der Hamburger Arbeiterbewegung. PC-Skript o. O., o. J. (ca. 2002), 9 S. [in: FZH 12 H/Hornberger (Personalakten)]; Ursel Hochmuth, Niemand und nichts wird vergessen, S. 45; Ursel Hochmuth/Gertrud Meyer, Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand, S. 158f. und 360/375; Hans Hornberger, in: Wikipedia (15.1.2010).

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